Gastbeitrag von Rainer Zitelmann - Musk schreibt mit Mega-Raumschiff Geschichte: „Das öffnet uns das Sonnensystem“

Die Mega-Rakete Starship von SpaceX hebt am Sonntag von der Starbase in Boca Chica Village (Bundesstaat Texas) zu einem Testflug ab<span class="copyright">Eric Gay/AP/dpa</span>
Die Mega-Rakete Starship von SpaceX hebt am Sonntag von der Starbase in Boca Chica Village (Bundesstaat Texas) zu einem Testflug abEric Gay/AP/dpa

SpaceX hat am Sonntag Geschichte geschrieben: Dem Unternehmen von Milliardär Elon Musk gelingt ein Meilenstein auf dem Weg zum Mars. Der Start des Starship war erfolgreich, aber vor allem: Die Rakete wurde genau dort wieder aufgefangen, wo sie gestartet war. Raumfahrt-Experten sind optimistisch.

SpaceX plante, den riesigen Booster der ersten Stufe vom Starship, genannt ls Super Heavy, direkt zu seiner Startrampe zurückzubringen und ihn mit den „Stäbchen“-Armen des Startturms in einem beispiellosen Manöver einzufangen. Sieben Minuten nach dem Start landete die Super Heavy von SpaceX punktgenau und schwebte in der Nähe des Mechazilla-Startturms, während der Turm sie mit seinen Metallarmen auffing. Auch das Starship selbst landete, nachdem es die unten im Text beschriebenen Manöver durchgeführt hatte, im Meer.

Das ist historisch. Denn Starship ist ein Raumschiff der Superlative. Der Raumfahrt-Experte Eugen Reichl sagt: „Fast niemand sieht, wie revolutionär dieses Fluggerät tatsächlich ist. Das Starship wird im gesamten Rest des 21. Jahrhunderts den Raumtransport dominieren. Es ist riesig groß, und dabei doch billig zu bauen, es ist mehr Schiffbau als Raumfahrt mit Einflüssen aus dem Automobilbau. Es ist vielseitig einsetzbar. Es wird in vielen Varianten entstehen und es öffnet dem Menschen das gesamte Sonnensystem.“

Etwas verwirrend ist der Name „Starship“: Als Starship wird sowohl das eigentliche Raumschiff – die 50 Meter hohe zweite Stufe der Rakete – bezeichnet als auch die Kombination der ersten Stufe (genannt Super Heavy oder auch „Booster“) mit dem Starship.

Saturn V brachte 1969 die ersten Menschen zum Mond

Die bis heute größte und kraftvollste Rakete war die Saturn V, mit der auch 1969 die ersten Menschen zum Mond gebracht wurden. Die Saturn V war mit etwa 110 Metern Gesamthöhe nicht viel kleiner als die derzeit eingesetzten Prototypen-Versionen des Starship (121 Meter, später soll es dann 150 Meter messen). Die Saturn V hatte drei Raketenstufen und oben befand sich noch eine nur 3,2 Meter hohe Apollo-Kapsel, in der drei Astronauten Platz hatten.

Das Starship besteht nur aus zwei Stufen, und die gesamte zweite Stufe mit 50 Meter Höhe stellt gleichzeitig das eigentliche Raumschiff dar. Mit ihrem Gewicht von rund 5000 Tonnen ist sie in ihrer jetzigen Version etwas weniger als doppelt so schwer wie die Saturn V, kann aber eines Tages nicht nur drei Personen zum Mond, sondern bis zu 100 Personen zum viel weiter entfernten Planeten Mars transportieren.

Bis es soweit ist, wird es noch eine Weile dauern. Aber Musk hat die Dimensionen schon heute so konzipiert, dass im Starship sogar Gemeinschafts- und Fitnessräume möglich sein werden und der Aufenthalt viel bequemer sein wird als in der Apollo-Kapsel. Das ist nötig, denn während eine Apollo-Mission nur acht bis zwölf Tage dauerte, benötigt man bis zum Mars etwa sieben Monate.

Raketen sollen wieder verwendbar sein

Das Besondere am Starship wird deutlich, vergleicht man es mit der bis dahin kraftvollsten Rakete, der Saturn V. Sie war – so wie damals alle Raketen – nur ein Mal zu verwenden, was sie sehr teuer machte. Stellen Sie sich mal vor, jedes Flugzeug würde weggeworfen, nachdem Sie einmal darin geflogen sind. Ein Flug wäre für die meisten Menschen unbezahlbar.

Elon Musk arbeitet deshalb schon lange daran, seine Raketen wieder verwendbar zu machen. Teilweise gelungen ist ihm dies schon bei seinem Standardträger, der Falcon 9. Beim Starship sollen sowohl das eigentliche Raumfahrzeug als auch die „Super Heavy“ genannte erste Stufe der Rakete wieder verwendbar sein. Die erste Stufe kehrt kurz nach dem Start, wenn sie ihre Funktion erfüllt hat, zur Erde zurück und wird später wieder verwendet.

Auch die zweite Stufe kehrt im Regelfall zurück, sobald ihre Mission vollendet ist. Das können Stunden, Tage, Wochen oder Monate sein. Manche Versionen werden aber nie mehr auf der Erde landen. Sie werden – entsprechend ausgerüstet – an ihren Zielorten verbleiben: In der Erdumlaufbahn als Raumstationsmodule oder Tankstationen, auf dem Mond als Pendelfahrzeuge zwischen Mondoberfläche und Mondorbit, oder als permanente Mondbasis, auf Mars, Asteroiden und darüber hinaus.

Neue Technik für eine kontrollierte und sichere Landung

Das Starship (also die Oberstufe) nutzt eine Art „Bauchlandung“ mit einem Wendemanöver am Schluss für den Wiedereintritt und die Landung auf der Erde. Man nennt dies den „Bellyflip“. Dabei kehrt das Raumfahrzeug in einem hohen Anstellwinkel in die Atmosphäre zurück, ähnlich wie seinerzeit der Space Shuttle, um den Luftwiderstand zu maximieren und die Geschwindigkeit zu verringern und sinkt danach horizontal durch die Atmosphäre. Unmittelbar vor dem Erreichen des Fangturms richtet sich das Starship mithilfe seiner Steuerflächen und der Triebwerke auf, um eine vertikale Landung durchzuführen. Diese Methode reduziert die Belastung des Hitzeschilds, ermöglicht eine kontrollierte, sichere Landung und benötigt dafür keine weiteren ins Raumschiff verbaute Landemechanismen oder –vorrichtungen.

Musks Ziel ist es, das Raumfahrzeug schnell aufzutanken, zu überholen und erneut zu starten, ähnlich wie bei kommerziellen Flugzeugen. Um das zu erreichen, hat er einige sensationelle Dinge erfunden. So wird das Starship von Fangarmen aufgenommen, die an dem 146 Meter hohen Start- und Landeturm befestigt sind. Diese Arme öffnen und schließen sich, um die Super Heavy oder das eigentliche Starship beim Landeanflug zu greifen. Die Vehikel steuern dabei präzise auf die Fangarme zu. Dies erfordert eine exakte Steuerung und Manövrierfähigkeit des Raumschiffs, um die korrekte Position für das Einfangen zu erreichen. Sobald das Starship die - virtuelle - Fangbox erreicht hat, werden diese geschlossen, um das Raumschiff sicher zu greifen. Dieser Mechanismus ermöglicht eine schnelle Wiederverwendbarkeit beider Komponenten des Starship, denn so kann man auf das viele Tonnen schwere Landesystem sowie die für das Aufsetzen notwenigen Strukturverstärkungen verzichten.

Raptor-Triebwerke werden mit flüssigem Methan und flüssigem Sauerstoff betankt

Die Triebwerke des Starship sind sehr kraftvoll. Reichl: „Wenn alle 33 Triebwerke laufen, dann wird der Gesamtschub sogar bei den derzeit verwendeten Vorserienversionen schon doppelt so groß sein wie seinerzeit beim Start zu den Apollo-Mondflügen.“ Auch beim Raketentreibstoff ging Musk neue Wege. Die Raptor-Triebwerke seines Space X werden mit flüssigem Methan und flüssigem Sauerstoff betankt.

Musk wählte Methan aus, weil das auf dem Mars gewonnen werden kann. Dadurch soll massiv Treibstoff gespart werden: Das Raumschiff muss nicht den gesamten Treibstoff für den Hin- und Rückflug mitnehmen. Musk will erstmal eine Rakete ohne Menschen auf den Mars schicken, die dort schon den Methan-Treibstoff produziert, mit dem dann später die bemannte Rakete für den Rückflug zur Erde betankt wird. Methan kann auf dem Mars synthetisiert werden, indem man das Sabatier-Verfahren nutzt, bei dem CO2 aus der Marsatmosphäre und Wasserstoff kombiniert werden.

Obwohl das Starship für viele Zwecke verwendet werden kann, u.a. auch für einen Flug zum Mond, ist doch das gesamte Design letztlich auf ein einziges Ziel ausgerichtet, nämlich viele Menschen zum Mars zu bringen. Musk hat mehrfach erklärt, dass sein Ziel darin besteht, bis Mitte des 21. Jahrhunderts regelmäßige Flüge zum Mars zu ermöglichen und schließlich eine Kolonie von etwa 1 Million Menschen aufzubauen.

Dies ist die aktualisierte Version eines Artikels, der in Cicero veröffentlicht wurde. Zum Widerstand der Antikapitalisten gegen die private Raumfahrt lesen Sie: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/ecaf.12672