Gastbeitrag von Rainer Zitelmann - Wie der „Stern“ den Kaufhausmilliardär Helmut Horten austrickste
In der kürzlich erschienenen Biografie über den Kaufhausmilliardär Helmut Horten erzählen die Historiker Peter Hoeres und Maximilian Kutzner eine pikante Geschichte über den „Stern“ und erklärt, wie es zur „Wegzugsbesteuerung“ kam.
Es war das Jahr 1968. Linke Studenten rebellierten. Kommunistische Theorien erfuhren eine hohe Resonanz an deutschen Universitäten. Viele Unternehmer in Deutschland waren damals besorgt, so auch der Kaufhaus-König Helmut Horten.
Ihm gehörten 51 Kaufhäuser, in denen 28.000 Mitarbeiter arbeiteten. „Der Sozialismus wird immer stärker“, so fürchtete er. Wirtschaftlich war er auf dem Höhepunkt seines Erfolges.
Kaufhaus-König kehrt Deutschland den Rücken zu
Freilich gibt es ein dunkles Kapitel, weil Horten in der NS-Zeit von den sogenannten „Arisierungen“ profitierte. Die jüdischen Besitzer sahen sich durch die Repressalien des NS-Regimes dazu gezwungen, ihre Warenhäuser zu verkaufen.
So gelang es Horten überhaupt erst, seine ersten Warenhäuser zu erwerben, teilweise unter ihrem Wert. Die Entnazifizierungsverfahren entlasteten ihn zwar, weil viele Menschen für ihn aussagten, aber – wie die Autoren feststellen – profitierte Horten von der Notlage der jüdischen Verkäufer.
Nach dem Krieg war ein Teil seines Vermögens vernichtet, auf einen anderen Teil konnte er nicht zugreifen. Später wurden noch Wiedergutmachungsansprüche der jüdischen Vorbesitzer geprüft.
Seinen Neustart, die Errichtung eines Warenhauses in Duisburg, legte er ohne eigenes Kapital hin und baute das Vermögen in den folgenden Jahren durch zahlreiche Zukäufe überall in Deutschland aus.
1968 entschloss sich Horten, Deutschland den Rücken zu kehren – entnervt von ständigen Auseinandersetzungen mit den Finanzbehörden und in der Angst, Marxisten könnten die Oberhand in Deutschland gewinnen.
„Den ungezügelten Kapitalismus bloßstellen“
Durch den Umzug in die Schweiz konnte er sich einer hohen Besteuerung entziehen, was zwar legal war, aber zu großem Unmut führte. Kritiker warfen ihm „Steuerflucht“ vor und selbst Helmut Kohl kritisierte den Wegzug in einem Interview mit dem „Stern“. Der „Stern“ unterstellte Horten allerdings „Steuerhinterziehung“, was nicht korrekt war, da es sich um eine legale Steuergestaltung handelte.
Horten drohte dem Hamburger Magazin deshalb mit einer Unterlassungs- und Schadensersatzklage. „Stern“-Redakteur Manfred Bissinger musste zugeben, dass der Vorwurf der Steuerhinterziehung falsch war. Er bot Horten einen Deal an: Eine positive „Helmut-Horten-Story“, sozusagen als Kompensation für die rechtlich nicht haltbaren Vorwürfe.
Bissinger und der Starfotograf Robert Lebeck begleiteten Horten und seine 31 Jahre jüngere Frau in dessen Privatjet zum Wiener Opernball. Man traf sich, redete lang und in gelöster Stimmung, schien sich blendend zu verstehen.
Der Journalist Bissiniger hatte sich jedoch nur verstellt, denn er hatte, wie er später erklärte, nie vorgehabt, sich an die Vereinbarung mit Horten zu halten. Seinem Fotografen sagte Bissinger, er habe den ungezügelten Kapitalismus Hortens bloßstellen wollen. „Man muss solche Abmachungen treffen“, so verteidigte Bissinger seinen Wortbruch, „sonst kriegt man solche Leute ja gar nicht.“
Die Politik reagierte mit dem Gesetz zur „Wegzugsbesteuerung“
Der „Stern“-Artikel, der mit dem Horten-Zitat „Wenn man so reich ist wie ich, vermehrt sich das Geld von allein“ aufgemacht war, wurde dem Beauftragten von Horten in der letzten Fassung nur gezeigt, als nichts mehr daran geändert werden konnte.
Nicht autorisierte Zitate wurden trotzdem gedruckt und da der Artikel eine ganze Reihe von fragwürdigen Behauptungen enthielt, klagte Horten, berichten Hoeres und Kutzner.
Es kam zu einem Vergleich, in dem sich der „Stern“ strafbewährt verpflichtete, über Horten nur noch aus aktuellem Anlass über die mit diesem Anlass zusammenhängenden Gegenstände zu berichten, zudem musste der Verlag die gesamten Prozesskosten zahlen.
Doch der Imageschaden war entstanden. Horten stand fortan als reicher Steuerflüchtling am Pranger. Der Gesetzgeber nahm den Fall allerdings zum Anlass, eine „Wegzugsbesteuerung“ zu beschließen, die es heute Unternehmern schwer macht, Deutschland zu verlassen.
Heute kassiert der Staat kräftig ab
Vereinfacht gesagt tun die Finanzbehörden so, als habe der Unternehmer, wenn er das Land verlässt, seine Firma verkauft und auf den fiktiven Veräußerungsgewinn muss er Steuern zahlen. Die Steuerzahlungen können teilweise so hoch sein, dass die Liquidität nicht ausreicht.
Man kann die Wegzugsbesteuerung, die 2022 noch einmal verschärft wurde, auch eine „fiskalische Mauer“ nennen, die Vermögende daran hindern soll, Deutschland zu verlassen, wenn es ihnen hier nicht mehr gefällt.
Zumindest will der Staat, anders als damals bei Horten, vorher noch mal kräftig abkassieren. Genannt wurde das Gesetz damals „Lex Horten“, beschlossen wurde es etwa ein Jahr nach dem Skandal-Artikel des „Stern“.