Gastbeitrag von Rainer Zitelmann - Wegen ihrer Kommunismus-Vergangenheit leimt Wagenknecht in der ARD die ganze Nation
Am 8. September war Sahra Wagenknecht erneut in einer ARD-Talkshow zu Gast, diesmal bei Caren Miosga. Verärgert wehrte sie sich gegen Vorwürfe zu ihrer kommunistischen Vergangenheit und bezeichnete frühere Aussagen als Jugendsünden – tatsächlich lobte sie noch vor wenigen Jahren aber noch sozialistische Diktatoren.
Im Video: Als Miosga über Wagenknechts Politik-Aus witzelt, bricht im Studio Gelächter aus
Am Sonntagabend war Sahra Wagenknecht mal wieder zu einer Talkshow in der ARD eingeladen, diesmal bei Caren Miosga. Bekanntlich ist Wagenknecht Dauergast bei ARD und ZDF, allein in diesem Jahr war dies ihr zehnter Auftritt in einer der führenden Talkrunden (17.1. Markus Lanz, 18.1. Maybritt Illner, 29.1. Hart aber fair, 15.2. Maybritt Illner, 15.4 Maischberger. 29.4. Hart aber fair, 12.6. Maischberger, 27.6. Markus Lanz, 11.7. Maybritt Illner).
Caren Miosga meinte selbst eingangs, Wagenknecht wäre ohne die Medien heute nicht dort, wie sie stehe.
Sahra Wagenknecht und ihre „Uralte Äußerungen“?
Als Wagenknecht auf die „Kommunistische Plattform“ angesprochen wurde, deren Leitung sie bis 2010 angehörte, wurde sie richtig ärgerlich. Sie sei froh, dass sie heute endlich mal die Gelegenheit habe, dies richtigzustellen: „Ich finde es wirklich bemerkenswert wie, seit wir das BSW gegründet haben, plötzlich meine frühkindlichen, also 20-jährigen Äußerungen mit einem Enthusiasmus zelebriert werden.“
Sie verwies dann darauf, dass man auch bei anderen Politikern Äußerungen aus ihrer Jugend zitieren könne, was aber nicht gemacht werde. Sie fände das „wirklich abenteuerlich". „Insoweit ärgert mich das auch einfach, dass plötzlich uralte Äußerungen von mir, wo ich 20 war, so vorgekramt werden als hätte ich das gestern gesagt.“
Nun, das ist eine Verdrehung der Tatsachen. Wagenknecht war eine begeisterte Anhängerin des sozialistischen Autokraten Hugo Chávez, der Venezuela in den Abgrund geführt hat.
Als sie 2004 das Buch „Aló Presidente: Hugo Chávez und Venezuelas Zukunft“ publizierte, war sie nicht 20, sondern 33 Jahre alt. Und als sie Chávez’ Wirtschaftsmodell und seine Politik als vorbildlich pries , war sie 43 Jahre, nicht 20.
Als sie den kommunistischen Diktator Fidel Castro in höchsten Tönen pries und zustimmend die Aussage zitierte, er sei „durch und durch Demokrat“ gewesen, war sie 47 Jahre alt, es ist nicht einmal acht Jahre her.
Kann man die Kommunistische Plattform leiten, wenn man den Kommunismus ablehnt?
Bis 2010 war sie in der Leitung der „Kommunistischen Plattform“. Im Jahr 2010 war sie 41 Jahre alt, nicht 20. Kann man die Kommunistische Plattform leiten, wenn man den Kommunismus ablehnt?
Wagenknecht versucht, ihre kommunistische Vergangenheit als Jugendsünde darzustellen. Ich werfe niemandem Jugendsünden vor. Mit 13 Jahre gründete ich eine Rote Zelle und schrieb so positiv über Stalin, wie Sahra Wagenknecht mit 23 Jahren. Ich finde, jeder Mensch hat das Recht, sich zu ändern. Glaubwürdig ist diese Änderung aber nur, wenn man nicht versucht, seine eigene Biografie zu verfälschen, so wie das Wagenknecht tut, wenn sie von „frühkindlichen Äußerungen“ spricht. Erstens ist „frühkindlich“ auch für eine 23-Jährige wohl nicht der passende Ausdruck und zweitens gibt es – wie gezeigt - positive Äußerungen über kommunistische Diktatoren von ihr, die weniger als zehn Jahre zurückliegen.
Keiner fragt wirklich kritisch nach
Leider fragt kein Journalist wirklich kritisch nach, wo sie heute steht und sogar Politiker der Union versteigen sich zu abenteuerlichen Behauptungen. Jens Spahn etwa meinte kürzlich, das BSW sei nicht sozialistisch. Ich fände es interessant, was Sahra Wagenknecht sagen würde, wenn ein Journalist sie fragte, ob sie Sozialistin oder Marxistin sei. Sie hat sich ihr Leben lang auf die Lehren von Karl Marx berufen.
Mir ist keine einzige Äußerung bekannt, wo sie sagte, dass sie den Marxismus heute ablehnt. Wie kommt man überhaupt auf die Idee, sie habe dem Marxismus abgeschworen? Noch 2018, also vor sechs Jahren, verteidigte sie vehement die Lehren von Karl Marx . Dabei ist sie eine Meisterin, sich um klare Aussagen herumzumogeln, so wenn sie auf die Frage, ob sie Marxistin sei, erwähnt, Marx selbst habe einmal gesagt, er sei kein Marxist (in der Tat behauptete Friedrichs Engels in einem Brief an einen Freund, Marx habe gesagt „Tout ce que je sais, c’est que je ne suis pas Marxiste.“)
In Talkshows werden die wichtigsten Fragen ausgeklammert
Leider war das Gespräch zwischen Caren Miosga und Sahra Wagenknecht wenig aufschlussreich und teilweise lächerlich, so als Miosga ihr vorhielt, dass es keine Bilder von Besuchen bei Tafeln gebe oder sie versuchte, Wagenknecht in die Nähe der Reichsbürger zu stellen. Solche „Diskussionen“ – bei Miosga standen wieder drei gegen eine, so wie dies regelmäßig der Fall ist, wenn AfD-Politiker eingeladen werden – nutzen Wagenknecht.
Die wichtigen Fragen werden ausgeklammert. Die Gesprächspartner haben viel Meinung und wenig Wissen. Daher widersprach ihr auch niemand, als sie von ihren „frühkindlichen Äußerungen“ sprach. Der CDU-Mann Thorsten Frei meinte sogar, er würde ihr dies gar nicht vorwerfen, sondern interessiere sich mehr für ihre Zukunftsvorstellungen. Zuvor wies er auf Schnittmengen zwischen der CDU und dem BSW hin. Offenbar hat auch die CDU kein Interesse daran, über Wagenknechts Positionen zu Marxismus und Sozialismus zu sprechen, weil dies Koalitionsgespräche erschweren könnte.