Gastbeitrag von Rainer Zitelmann - Zurück in DDR-Verhältnisse? Dieses neue Buch sollte uns zu denken geben
Die FDP-Politikerin Katja Adler hat ein Buch geschrieben, es heißt: „Rolle rückwärts DDR?“ Darin beschäftigt sie sich mit den Verhältnissen in der DDR, verglichen mit denen im heutigen Deutschland. Adlers Botschaft ist wichtig - für uns alle.
Kann, ja darf man die Verhältnisse in der DDR und im heutigen Deutschland vergleichen, fragt die Autorin Katja Adler. Ihre Antwort: Natürlich kann und soll man sie vergleichen. Aber Vergleichen heiße nicht Gleichsetzen. Vergleichen heiße, Unterschiede und Gemeinsamkeiten sichtbar machen.
Adler, geboren 1974 in Eisenhüttenstadt, berichtet in ihrem soeben erschienenen Buch „Rolle rückwärts DDR?“, wie viel Hoffnungen sich für sie mit der Wiedervereinigung verbanden. Damals war sie 15 Jahre alt, sie erinnert sich, wie sie am 11. November 1989 am Grenzübergang Chausseestraße das erste Mal in den Westen fuhr.
Hoffnungen und Enttäuschungen nach der Wende
„Freiheit zu fühlen war so unglaublich berauschend, dass jede aufkommende Unsicherheit wegen der nun auf uns zukommenden Zeit mit ihren wie auch immer gestalteten Veränderungen zu einem kleinen schwarzen Fleck auf dem glanzvollen Teppich der neuen Möglichkeit schrumpfte.“
Manche Hoffnungen erfüllten sich, doch in den letzten Jahren fühlt sie sich zunehmend an die DDR erinnert. In ihrem Buch wendet sie sich gegen zwei Extreme: Von Rechtsaußen werde manchmal behauptet, wir lebten schon längst wieder in Verhältnissen wie in der DDR – es gebe keine Meinungsfreiheit mehr und die Presse sei faktisch gleichgeschaltet.
Das bedeutet, so Adler, eine Verharmlosung der DDR-Diktatur: Wer dort das Regime öffentlich so scharf kritisiert hätte, wie es heute etwa die AfD gegenüber der Ampel-Regierung tut, der hätte viele Jahre Gefängnis wegen „staatsfeindlicher Hetze“ riskiert. Menschen wurden in der DDR gefoltert oder bei dem Versuch, in die Freiheit zu fliehen, erschossen. Deshalb sei eine Gleichsetzung abwegig.
Bedenkliche Gemeinsamkeiten
Vom linksgrünen Mainstream dagegen wird ihrer Meinung nach tabuisiert, auf bedenkliche Gemeinsamkeiten zwischen der DDR und dem heutigen Deutschland hinzuweisen und vor Fehlentwicklungen zu warnen, die wieder in Richtung DDR führen.
Es werde geleugnet, dass die Meinungsfreiheit immer mehr eingeschränkt werde und dass sich unsere Wirtschaft immer weiter von einer freien Marktwirtschaft entferne, gar auf eine Planwirtschaft hinsteuere.
Und es werde geleugnet, dass der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk zunehmend von linksgrüner Ideologie dominiert werde und teilweise sogar Erinnerungen an Eduard von Schnitzlers Propaganda und die „Aktuelle Kamera“ wachrufe.
Ehemalige Bürger der DDR seien dafür sensibler als Westdeutsche. „Während die freiheitsgewöhnten Westdeutschen schier blind für jeden noch so offensichtlichen Schritt Richtung Freiheitsentzug zu sein scheinen, wird das ostdeutsche Aufbegehren gegen jeden noch so kleinen freiheitsentziehenden Akt als demokratiefremd definiert.“
Fast jeder Zweite Ex-DDR-Bürger fühlt sich an die DDR erinnert
So wie Adler sieht das jeder zweite ehemalige DDR-Bürger, wie eine von ihr beim Meinungsorschungsinstitut Insa in Auftrag gegebene Umfrage belegt. Eine solche Umfrage ist methodisch nicht ganz einfach. Es wäre falsch, einfach die Bürger zu fragen, die heute in den neuen Bundesländern leben.
Denn darunter sind auch viele Westdeutsche, die nie in der DDR gelebt haben und denen daher die Vergleichsmöglichkeit fehlt. Viele sind außerdem einfach zu jung, als dass sie einen Vergleich ziehen könnten.
All das wurde von Insa berücksichtigt. Insgesamt wurden 498 Personen befragt, die vor dem Jahr 1976 auf dem Gebiet der damaligen DDR geboren wurden. Bei der Wende waren die Jüngsten von ihnen also etwa 14 Jahre alt.
Hoffnung überwog bei vielen Umfrageteilnehmern
Die Mehrheit der Umfrageteilnehmer verband mit der Wende Hoffnungen. 81 Prozent stimmten der Aussage zu: „Nach der friedlichen Revolution in der DDR hatte ich die Hoffnung, dass vieles besser wird.“
Nur 13 Prozent hegten solche Hoffnungen nicht, der Rest war indifferent. Auch bei denen, die ihren politischen Standort als „links von der Mitte“ angaben, überwogen die Hoffnungen: 78 Prozent stimmten der Aussage zu. Bei jenen, die sich „rechts der Mitte“ verorteten, waren es indes noch deutlich mehr, nämlich 94 Prozent.
Fast jeder zweite Ex-DDRler, 46 Prozent, sagt laut Insa: „Vieles, was sich heute in der Bundesrepublik Deutschland negativ entwickelt, erinnert mich an die DDR.“
43 Prozent stimmen dem nicht zu. Bei den Männern fällt die Zustimmung mit 51 Prozent noch deutlicher aus, bei den Frauen überwiegt dagegen mit 46 zu 41 Prozent knapp der Anteil derjenigen, der sich nicht an die Ex-DDR erinnert fühlt.
Angst, die eigene Meinung zu sagen
Große Unterschiede gibt es auch mit Blick auf die politische Gesinnung. Fast zwei Drittel der Befragten, die sich eher rechts der Mitte verorten, fühlen sich an die DDR erinnert.
Bei denen, die sich eher links positionieren, sind es nur halb so viele (ein Drittel). Fragt man jene, die sich an die DDR erinnert fühlen, in welchen Bereichen das besonders zutrifft, dann sagen:
71 Prozent: zu viele Vorgaben des Staates bezüglich der Lebensweise der Bürger
68 Prozent: Angst, die eigene Meinung zu sagen
60 Prozent: Propaganda für die Bundesregierung durch den staatlichen Rundfunk
56 Prozent: zu viele staatliche Einriffe in die Wirtschaft
21 Prozent: in anderen Bereichen
Noch eines fällt auf: Während es für Befragte, die aktuell in Westdeutschland leben, deutlich häufiger die Angst ist, die eigene Meinung zu sagen (76 Prozent), spielen für Befragte, die immer noch in Ostdeutschland leben, Propaganda durch den staatlichen Rundfunk (63 Prozent) und staatliche Eingriffe in die Wirtschaft (58 Prozent) eine besondere Rolle.
„Der Staat mischt sich in vielen Bereichen ein“
„Ich finde diese Ergebnisse erschreckend“, so Adler, „aber sie bestätigen meinen Eindruck: Es geht vielen derer, die in der damaligen DDR geboren wurden, ähnlich wie mir: Sie hatten große Hoffnungen, doch diese Hoffnungen wurden nur teilweise erfüllt.
Denn sie mussten erleben, wie sich Stück für Stück das neue Deutschland in verschiedenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen wieder in eine Richtung von mehr staatlicher Kontrolle entwickelt. Der Staat mischt sich dabei in vielen Bereichen in das Leben der Bürger ein, wo er sich eigentlich raushalten sollte.“
Adler schildert ihre eigene Jugend – mit schönen und schlechten Erfahrungen. Und sie erklärt, wie sie immer wieder im vereinten Deutschland Situationen erlebt, die sie negativ an die DDR erinnern.
So etwa die Corona-Politik mit ihrer strikten Ausgrenzung von Menschen, die sich nicht impfen lassen wollten. Oder bei den abendlichen Nachrichten in ARD und ZDF, wo der Zuschauer in ihren Augen immer unverfrorener manipuliert wird.
„So bitter die Erfahrungen vieler Ostdeutscher waren, so wichtig sind sie für ein Erkennen“
Sie kritisiert auch den Umgang mit der AfD. Adler lehnt diese Partei ab, vor allem wegen ihrer Nähe zu Putin, schildert aber auch, wie der Umgang mit ihr viele Menschen, gerade in Ostdeutschland, in die Arme dieser Partei getrieben hat.
„Da sie die einzigen waren, die eine kritische Position zur Migration formulierten, sollte es niemanden wundern, dass diese Partei so viel Zuspruch erfuhr und erfährt. Die anderen Parteien und vor allem die öffentlich-rechtlichen Medien gewährten der AfD gewissermaßen ein Monopol auf Kritik an der aktuellen Migrationspolitik.“
Eine Kritik, die sich auch gegen ihre eigene Partei richtet – Katja Adler sitzt für die FDP im Deutschen Bundestag.
Adlers Botschaft sollte uns allen zu denken geben, besonders im Westen: „So bitter die Erfahrungen vieler Ostdeutscher waren, so wichtig sind sie für ein Erkennen. Nehmen wir sie ernst und hören und sehen wir genauer hin, denn um entscheiden zu können, wohin wir gehen, müssen wir wissen, woher wir kommen.“