Gastbeitrag von Roderich Kiesewetter - CDU-Mann fordert von Baerbock: Keine Denkverbote mehr in Nahost - nutzen wir die Chance
Statt wieder in Eskalationspanik zu verfallen, sollten wir Israels Abschreckungsstrategie politisch flankieren. Sie birgt eine Chance für eine neue Sicherheitsarchitektur im Nahen und Mittleren Osten.
Deutschlands Außenpolitik ist darin gescheitert, Russland davon abzuhalten, die Ukraine völkerrechtswidrig zu überfallen. Unsere Außenpolitik der vergangenen Jahre hat auch dem Iran ermöglicht, Angst und Schrecken im Nahen und Mittleren Osten zu verbreiten.
Statt auf Abschreckung setzte man auf Appeasement. Noch heute ist Deutschland EU-weit der wichtigste Handelspartner Teherans. Verzweifelt versuchen das Kanzleramt und das Auswärtige Amt, den Joint Comprehensive Action Plan (JCPOA) zu retten, der verhindern soll, dass der Iran Nuklearwaffen baut.
Allerdings ist das JCPOA gescheitert, der Iran ist nur noch wenige Wochen davon entfernt, waffenfähiges Uran angereichert zu haben. Vielmehr hat das Mullah-Regime schon vor Jahren seine Lehren aus westlicher Selbstabschreckung und dem Scheitern internationaler Verträge wie des Budapester Memorandums gezogen.
Im Budapester Memorandum von 1994 gaben Russland, die USA und das Vereinigte Königreich der Ukraine Sicherheitsgarantien, die die Souveränität und Unverletzlichkeit der Grenzen des Landes schützen sollten.
Der Iran rüstete seine Tentakel im Libanon
Im Gegenzug verzichtete die Ukraine auf die von der Sowjetunion geerbten Nuklearwaffen. Als aber Putin 2014 völkerrechtswidrig die Krim annektierte und die Ostukraine überfiel, blieb es in Washington und London erstaunlich still – aus Furcht vor den Nuklearwaffen Moskaus, einer Eskalationspanik und dem Glauben an Appeasement.
Statt die gegebenen Sicherheitsgarantien glaubwürdig auszufüllen, blieb man bei leeren Worten und laschen Sanktionen. Auch die Ankündigung des damaligen US-Präsidenten Barack Obama in Bezug auf Syrien sei eine rote Linie überschritten, wenn Assad chemische Waffen einsetze, blieb ohne Folgen. Es blieb bei Diplomatie ohne Härte.
All das hat man in Teheran genau beobachtet und zwei Lehren daraus gezogen: Erstens ist nukleare Abschreckung die einzige glaubwürdige Sicherheitsgarantie. Zweitens blieben westliche Garantien für die angegriffene Ukraine inkonsequent und Diplomatie somit wirkungslos.
So rüstete der Iran seine Tentakel Hisbollah im Libanon, die Huthi im Jemen und die Hamas im Gaza-Streifen in aller Ruhe weiter auf. Wir schauten währenddessen zu, wie sich die Schlinge um den „Erzfeind“ des Irans, Israel, immer weiter zuzog und die Mullahs ihr Nuklearprogramm weiter vorantrieben - das im Endeffekt kein anderes Ziel hat als die komplette Vernichtung Israels.
Israels Vorgehen ist Diplomatie mit Härte
Israels Sicherheit sei deutsche Staatsräson, betonen Regierung und CDU/CSU immer wieder, und „dann dürfen das in der Stunde der Bewährung keine leeren Worte bleiben“, wie Kanzlerin Merkel in ihrer Rede vor der Knesset 2008 betonte.
Dennoch blieb unsere Diplomatie in der Vergangenheit von Inkonsequenz geprägt. Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, kritisierte sinngemäß zurecht, Deutschland scheue sich davor, Israel mit mehr als warmen Worten zu unterstützen.
Notfalls müssten wie auch bereit sein, mit unseren Streitkräften Israel zu verteidigen. Aktuell sind wir aber noch nicht so weit. Vielmehr sprechen wir über militärische Unterstützungsmaßnahmen zum Beispiel im Bereich der Luftbetankung oder im Sanitätsdienst.
Das haben wir als Unionsfraktion auch bereits im November 2023 mit dem Antrag „Historische Verantwortung wahrnehmen“ gefordert – doch selbst das ist umstritten. Vielmehr werden deutsche Rüstungsexporte an Israel blockiert und erschwert.
UNRWA ist Teil des Problems
Unser Land stand auch bei wichtigen UN-Abstimmungen nicht auf der Seite Israels, sondern enthielt sich. Das unentschlossene und erratische Vorgehen der Regierung gegenüber Israel zeigt sich auch bei den Zahlungen an das UNRWA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten).
Fast 2000 Mitarbeiter des Palästinenser-Hilfswerks der Vereinten Nationen gehören nachweislich Terrororganisationen wie der Hamas oder dem Islamischen Dschihad an. Das UNRWA ist Teil des Problems und kann nicht Teil einer langfristigen Friedenslösung sein.
Wir brauchen einen kompletten Neubeginn der Entwicklungszusammenarbeit mit den palästinensischen Gebieten. Anstatt also Terror in der Region einzudämmen, nutzt der Iran unsere diplomatischen Bemühungen, die Strukturen der UN, um Terrorstrukturen zu finanzieren und auszubauen.
Aktuell geht es Israel um die Umsetzung der UN-Resolution 1701 aus dem Jahr 2006. Der Hisbollah ist es damit untersagt, südlich des Litani-Flusses, der etwa 30 Kilometer von der libanesischen Südgrenze entfernt liegt, militärisch präsent zu sein, umso die Bedrohung für Israel zu bannen. Umgesetzt wurde dies von der internationalen Staatengemeinschaft nie.
Nicht nur der Iran schielt auf Abschreckung durch eigene Nuklearwaffen
Auf diese Resolution bezieht sich Israel nun zu Recht beim militärischen Vorgehen im Südlibanon. Auch der libanesische Premierminister unterstützt die Umsetzung der Resolution.
Er erkennt die Chance für sein Land, wenn es durch Israel endlich von den Terrorstrukturen der Hisbollah befreit wird. Insofern teile ich auch nicht die Worte unserer Außenministerin, die die Tötung des Terroristen und Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah als brandgefährlich bezeichnete sowie Israels Vorgehen kritisierte.
Israel macht gerade mit Diplomatie und Härte, einem Begriff, den Ministerin Baerbock geprägt hat, den Nahen und Mittleren Osten sicherer und bekämpft das Grundübel der Region: den Iran und seine Schergen. Umso unverständlicher sind auch die Aussagen des UN-Generalsekretärs Antonio Guterres, der es nicht schafft, die Angriffe des Iran auf Israel eindeutig zu verurteilen.
Denn es ist doch gerade Israel, das sich für die Einhaltung von UN-Resolutionen einsetzt. Guterres nimmt mit seiner Eskalationshysterie dabei ein nukleares Wettrüsten in der Region in Kauf.
Denn nicht nur der Iran schielt auf die glaubwürdige Abschreckung durch eigene Nuklearwaffen. Auch Ägypten, die Türkei und andere könnten sich angesichts der Inkonsequenz der Durchsetzung internationaler Regeln einem nuklearen Wettrüsten anschließen. Das macht eine neue Sicherheitsordnung für die Region erforderlich.
Keine Ausschließeritis!
Ein Zurückdrängen des iranischen Einflusses und seiner Proxies durch das sehr gezielte und effektive militärische Vorgehens Israels könnte vom Libanon aus einen Spill-Over-Effekt haben, der einen Neustart für die ganze Region bieten kann.
Gleichzeitig wird das iranische Terrorregime maßgeblich geschwächt, indem die Terrorgruppen dezimiert und operativ unfähig gemacht werden. Die libanesische Regierung und Armee haben die große Chance, ihren Staat von der Terrororganisation Hisbollah zu befreien und zu einem Frieden mit Israel zu kommen.
Umso wichtiger ist es jetzt auch, als Europa geeint aufzutreten und bereitzustehen, in den staatlichen Aufbau des Libanon zu investieren. Es muss klar sein, dass eine Friedensordnung Israels mit den palästinensischen Gebieten künftig militärisch und robust abgesichert sein muss, wenn sie glaubwürdig sein soll. Außenministerin Baerbock sagt zurecht, Frieden brauche Sicherheitsgarantien.
Deshalb ist es klug, grundsätzlich keine Ausschließeritis zu betreiben mit Blick auf eine künftige Friedensordnung im Nahen Osten. Auch eine Beteiligung deutscher Soldaten sollte nicht ausgeschlossen werden, auch wenn der Weg noch sehr weit ist.
Wir sollten die „Abraham Accords“ forcieren
Deutschland kann auf drei Ebenen unterstützen. Erstens durch die genannten militärischen Unterstützungsleistungen für Israel und die Staaten, die Israel aktiv bei der Ausübung des Selbstverteidigungsrechts unterstützen.
Zweitens sollten wir die „Abraham Accords“ forcieren, die zu einer Veränderung der geopolitischen Lage in der Region geführt haben und die Annäherung beispielsweise zwischen Saudi-Arabien und Israel unterstützen. Arabische Staaten müssen bei einer Neuordnung der Sicherheitsordnung in der Region mehr Verantwortung übernehmen.
Drittens braucht es eine grundsätzliche Neuausrichtung der deutschen Iranpolitik, inklusive der Ausrufung des sogenannten Snapback-Mechanismus, der im JCPOA festgehalten wurde. Durch diesen Mechanismus wird das UN-Sanktionsregime gegen den Iran wieder in Kraft gesetzt.
Das würde dem sowieso schon geschwächten iranischen Regime weiter zusetzen und ein klares Zeichen der Unterstützung an die sehr weltoffene iranische Zivilgesellschaft senden.
Zugleich wäre es ein Zeichen der Konsequenz und der Durchsetzung internationaler Regeln. Deutschland muss sich von seiner Nahost-Romantik verabschieden und Diplomatie endlich mit Härte verbinden und damit glaubwürdig werden.