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Gastrobranche fordert schnelle und unbürokratische Hilfen

Leere Tische und Stühle stehen vor einem Restaurant.
Leere Tische und Stühle stehen vor einem Restaurant.

Die Infektionszahlen steigen rasant. Bund und Länder reagieren mit erneuten Einschränkungen des öffentlichen Lebens - und treffen damit vor allem die Gastronomie und den Tourismus. Die Branche ruft nach mehr Unterstützung.

Berlin (dpa) - In der Corona-Krise stehen Gastronomen und Hoteliers erneut schwere Wochen bevor. Um die Zahl der menschlichen Kontakte im Alltag deutlich zu reduzieren, müssen die Innenräume von Bars, Kneipen und Restaurants ab Montag für mindestens vier Wochen geschlossen bleiben.

Ausliefern dürfen die Betriebe zwar weiterhin. Doch der ohnehin angeschlagenen Branche drohen erneut hohe Umsatzeinbußen.

«Es ist mehr als konsequent, dass hier eine Entschädigung erfolgt, wenn unsere Branche geschlossen wird, damit die allgemeine Wirtschaft keinen Lockdown erfährt und Schulen geöffnet bleiben», sagte die Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbands, Ingrid Hartges, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. «Es ist nun wichtig, dass diese Hilfen für alle Unternehmen in Gastronomie, Hotellerie und Cateringwirtschaft schnell und unbürokratisch zur Verfügung gestellt werden.»

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) versprach «massive, in dieser Größenordnung bisher unbekannte Unterstützungsleistungen». Konkret sollen Solo-Selbstständige und Betriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern ihre Umsatzausfälle im Umfang von 75 Prozent des Umsatzes aus dem November 2019 ersetzt bekommen. Bei größeren Unternehmen sei es etwas weniger, sagte Scholz. Der Bund will dafür insgesamt rund zehn Milliarden Euro zur Verfügung stellen.

Bund und Länder hatten sich am Vortag darauf geeinigt, Gastronomiebetriebe ab dem 2. November für rund vier Wochen zu schließen, um Kontakte deutlich zu beschränken und die stark steigenden Infektionszahlen wieder in den Griff zu bekommen. Hotels dürfen im November nur Geschäftsreisende beherbergen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte dabei deutlich gemacht, dass es vor allem darum gehe, die Zahl der Kontakte deutlich zu verringern.

«Die Experten haben uns gesagt, dass wir die Kontakte um etwa 75 Prozent reduzieren müssen. Das ist sehr viel», sagte sie bei der Vorstellung der Beschlüsse am Mittwochabend. Um das zu erreichen, habe die Politik vor allem den Freizeitbereich in den Blick genommen, «eben weil wir die politische Priorität haben wollten, Kitas und Schulen offen zu halten». Im Gegenzug hatte sie neue finanzielle Hilfen für die betroffenen Betriebe in Aussicht gestellt.

Anders als während der ersten Hochphase der Corona-Krise im Frühjahr bleiben aber sämtliche Geschäfte geöffnet. Einkaufen ist also weiterhin möglich, nicht nur in Supermärkten. Doch angesichts der ebenfalls beschlossenen Einschränkungen touristischer Angebote kritisierte der Handelsverband Deutschland (HDE) die Beschlüsse von Bund und Ländern.

«Wenn die Geschäfte als einzige geöffnet sind, alle anderen Branchen rundherum schließen müssen und die Menschen zu Hause bleiben, dann sind die Händler in einer sehr schwierigen Lage», teilte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth am Mittwochabend mit. «Einkaufen ist auch in der Pandemie sicher, der Einzelhandel ist kein Hotspot.»

Genau das lässt sich aus Sicht der Politik aber nicht mehr eindeutig nachvollziehen. Bei rund 75 Prozent der Neuinfizierten lasse sich nicht mehr klar zuordnen, wo diese sich angesteckt hätten, betonte Merkel.

Vom Robert Koch-Institut heißt es, dass derzeit viele der Fälle, für die der Ursprung der Ansteckung bekannt ist, auf private Treffen und Gruppenveranstaltungen zurückgehen. Die Angaben zum Infektionsumfeld von Ausbrüchen seien allerdings mit Zurückhaltung zu interpretieren. Das Nachvollziehen der Fälle sei eher möglich für ein begrenztes Umfeld - wie einer Familie oder eine Feier - als zum Beispiel beim Aufenthalt in von vielen Menschen genutzten Räumen wie etwa Bars.

Aus Sicht von Dehoga-Geschäftsführerin Hartges kommt es nun darauf an, wie sorgfältig die Landesregierungen die am Vortag gefassten Beschlüsse der Bundesregierung und der Länderchefs umsetzen. «Das muss besser gemacht werden als die Beherbergungsverbote und Sperrstundenregelungen, die vielfach von Gerichten kassiert wurden», sagte sie. «Ich wünsche mir einheitliche und klare Regeln.» Auch Klagen gegen die Verordnungen schloss sie nicht aus. Doch bevor darüber entschieden werde, sei es ratsam, «die Verordnungen der Länder abzuwarten und noch wichtiger: die Details der finanziellen Entschädigungsregelungen des Bundes zu kennen.»

Die Gastro-Branche war schon in der ersten Hochphase der Corona-Krise im Frühjahr besonders hart von Einschränkungen betroffen. Zunächst mussten Restaurants und Kneipen vollständig schließen. Im Sommer durften sie dann unter strengen Auflagen wieder öffnen. Dazu gehörten etwa Listen für die Kontaktnachverfolgung und Abstandsregelungen.

Die Wirtschaftsauskunftei Crif Bürgel warnt angesichts der Corona-Krise vor einer Pleitewelle in der Gastronomie. Stand Ende Oktober seien mehr als 8300 Restaurants, Gaststätten, Imbisse und Cafés in Deutschland insolvenzgefährdet, heißt es in einer Analyse von Donnerstag, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Das seien 14,5 Prozent der untersuchten Betriebe.

Die Situation vieler Restaurants, Gaststätten, Imbisse und Cafés dürfte sich noch deutlich verschlimmern, schätzt Crif Bürgel. «Im 1. Quartal 2021 könnte jedes fünfte Unternehmen aus der Gastronomie insolvenzgefährdet sein», sagte Geschäftsführer Frank Schlein.

Die Präsidentin des Bundesverbands der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) nannte die angekündigten Hilfen des Bundes «konsequent». Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer warf Bund und Ländern hingegen «zu wenig Augenmaß» bei den neuerlichen Einschränkungen vor. Zu begrüßen sei die Offenhaltung von Schulen, Kindertagesstätten und Handel. Bei der Schließung von Gastronomie- und Beherbergungsbetrieben sei jedoch «Aktionismus vor sachlicher Begründung gestellt worden».