Gebäude der Zukunft - CO2-Steuerfreie Häuser: So wird Wohnen wieder bezahlbar

Die Gebäude der Zukunft dürfen keine Kostentreiber mehr sein, sondern sollten stattdessen zu Kostensenkern werden.<span class="copyright">Getty Images/Westend61</span>
Die Gebäude der Zukunft dürfen keine Kostentreiber mehr sein, sondern sollten stattdessen zu Kostensenkern werden.Getty Images/Westend61

Angesichts steigender Energiekosten und Klimaschutzvorgaben stellt sich die Frage: Wie sieht das ideale Wohnen der Zukunft für Mieter und Vermieter aus? Energieautarkie-Experte Timo Leukefeld zeigt auf, wie Roboter, CO2-steuerfreie Häuser und neue Dienstleistungen das Wohnen bezahlbarer und unabhängiger machen.

Wie sieht das ideale Wohnen der Zukunft für Mieter und Vermieter aus angesichts steigender Energiekosten und Klimaschutzvorgaben? Fakt ist: Die CO2-Steuer belastet vor allem Besitzer von Bestandsimmobilien. Bei Vermietern verursacht sie Kosten, die sie kaum umlegen können und führt zu gestrandetem Anlagevermögen. Doch bis 2050 soll, so will es die Politik, alter Gebäudebestand energetisch vollständig saniert sein.

In der Praxis heißt das für Eigentümer meist, die Gebäudehülle zu verbessern und das Heizsystem zu erneuern. Das bedeutet hohe Investitionen und komplexe, wartungsintensive Technik im Haus. In diesen Tagen lässt sich vielerorts in Deutschland beobachten, wie Bestandsimmobilien entsprechend „nachgerüstet“ werden.

Dabei bleibt allerdings ein entscheidender Aspekt unberücksichtigt: Das Heizen verliert an Bedeutung. Unsere Winter werden aufgrund des Klimawandels milder, wir brauchen deshalb weniger Heizenergie und haben gleichzeitig besser isolierte Gebäude.

Schwachstelle Technik und Handwerkermangel

Wenn im Fall von Fernwärme, die jetzt schon eine der teuersten Heizungsarten ist, deshalb noch weniger Energie abgenommen wird, wird diese teurer. Das belastet vor allem das Portemonnaie von Mietern. Hinzu kommt, dass der Handwerkermangel die Kosten für Immobilienbesitzer bei der Instandhaltung von Wärmepumpen & Co. in die Höhe treibt.

Die verbaute Technik – Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung, Wärmepumpen, kilometerlange Rohre für Fußbodenheizung, Solaranlagen, Smart Home, Bussysteme – verlangt nach Wartung, und hält im Übrigen nicht mehr so lange durch wie früher. Während ältere Öl- und Gasheizkessel noch bis zu 40 Jahre lang intakt blieben, ist die Lebenserwartung heutiger Modelle im besten Fall nur noch halb so hoch.

Immer mehr Technik mit immer kürzerer Lebensdauer erzeugt bei weniger Handwerkern auch immer mehr Wartungs- und Reparaturaufwand. Es ist absehbar, dass die Instandhaltungskosten ab einem bestimmten Punkt die Einsparungen durch neue Energietechnik übersteigen. In zehn Jahren könnte deshalb die Stunde eines Heizungsbauers 200 Euro kosten zuzüglich der immer längeren An- und Abfahrt, weil vor Ort niemand mehr verfügbar ist. Hält dieser Trend an, wird irgendwann niemand mehr helfen, wenn hochkomplexe Lüftungs- oder Wasserheizsysteme kaputtgehen.

Angesichts der immensen Kosten, mit denen die Umsetzung der Klimaschutzvorgaben verbunden ist, wächst der Unmut bei Vermietern und Mietern ebenso wie die Unsicherheit. Das neue Heizgesetz führte nicht zu mehr erneuerbaren Energieanlagen, sondern zu einer gestiegenen Nachfrage für Gasthermen. Allein 2023 wurden davon 1,1 Millionen bundesweit neu verbaut, die Sanierungsquote ist mittlerweile von 1,2 Prozent im Jahr 2020 auf 0,7 gesunken.

Schlüssel zur Veränderung: Begeisterung statt Beschränkung

Staatlicher Zwang, Planwirtschaft, Schuldgefühle und drohende Strafen bewegen niemanden nachhaltig zum Umdenken. Wenn die Vision vom klimafreundlichen Wohnen der Zukunft Realität werden soll, brauchen wir begeisternde Argumente und überzeugende Herangehensweisen – denn es ist vor allem Begeisterung, die uns zum Handeln motiviert und die Bereitschaft zu Investitionen schürt, wie wir aus der Hirnforschung wissen:

Automatisierung, um Kosten von Neubau und Sanierung zu senken

In der Sanierung und beim Neubau sollten wir viel mehr mit automatisierten Methoden arbeiten. Es gilt auch beim Bau, mehr und mehr zu automatisieren. Konkret heißt das: 3-D-Druck, serielles Bauen oder der Einsatz von autonom agierender Baurobotik. Dafür müssen nicht immer Fördermittel fließen.

Es würde schon helfen, wenn die Politik für den Einsatz von Automatisierung Hindernisse aus dem Weg räumt. Intelligente Assistenzsysteme, Ziegelroboter, die Vorverlagerung und Automatisierung von Bauprozessen sind zukunftsweisend, um Kosten zu reduzieren und die Fertigstellungszeiten zu verkürzen. Maschine und Mensch arbeiten dabei Hand in Hand, mit steigender Arbeitssicherheit.

CO2-Steuerfreie Gebäude steigern die Mietrendite

Die Gebäude der Zukunft dürfen keine Kostentreiber mehr sein, sondern sollten stattdessen zu Kostensenkern werden. Hochgradig energieautarke Mehrfamilienhäuser können sich größtenteils selbst mit Solarenergie versorgen. Damit wird der Zukauf von bezahlter Energie minimiert. Wenn diese dann aus Ökostrom besteht, ist das Gebäude CO2-Steuerfrei.

Diese Gebäude folgen dem sogenannten low tech-Ansatz: Hier wird so wenig wartungsfreie Technik wie möglich verbaut. Denn wir müssen dringend den technischen Aufwand und damit die Kosten auf der Hardwareseite reduzieren – zugunsten sicherer, langlebiger und widerstandsfähiger Systeme.

Ich arbeite bei meinen Projekten mit einer Kombination aus wartungsfreien günstigen Infrarotheizungen, die 30 Jahre Lebensdauer haben und selbst entwickelten dezentralen Warmwasserboilern, die den überschüssigen Solarstrom in Wärme wandeln und über einen längeren Zeitraum speichern können. Damit wird nicht nur die Umwelt entlastet, sondern auch der Vermieter. Seine Rendite wächst. Fakt ist: Derzeit werden nur 0,7 Prozent des Gebäudebestands in Deutschland saniert. Dabei könnten 30 Prozent der vermieteten Gebäude in eine hohe Autarkie geführt werden.

Geschäftsmodell Pauschalmiete – Win-win für Mieter & Vermieter

Ein weiterer Vorteil hochgradig energieautarker Gebäude: Sie machen das Geschäftsmodell einer Pauschalmiete mit Energieflatrate möglich. Die digitalisierte Gesellschaft wünscht sich Flatrates, auch beim Wohnen. Der Trend geht vom Einzelvertrag hin zum Dienstleistungspaket. Das wird auch für Vermieter wichtig. Bei selbst erzeugter Solarenergie lassen sich für die gewöhnliche Miete neben den Wohnkosten auch die Kosten für Wärme und Strom für mehrere Jahre verlässlich kalkulieren und integrieren.

Mehr noch: Vorhandene Energieüberschüsse können hauseigene E-Ladesäulen versorgen, die der E-Mobilität von Mietern dienen. Sie bekommen auf diese Weise ein „Rundum-Sorglos-Paket“ mit Kostensicherheit, Vermieter wiederum sparen den Verwaltungsaufwand von Betriebs- und Nebenkostenabrechnungen und erhöhen ihre Mietrendite erheblich.

Eine vertraglich vereinbarte Energieobergrenze und Monitoring des Verbrauchs schafft für beide Seiten Sicherheit. Fensterkontakte sorgen zudem dafür, dass bei geöffnetem Fenster die Infrarotheizung nicht weiterheizt.

Sanierung 2.0 statt Abriss

Verpöntes Anlagevermögen lässt sich auf diese Weise wieder zu begehrtem Wohnraum wandeln. Dass aus Altbestand energieautarkes, zukunftsweisendes Wohnen werden kann, zeigen Beispiele von saniertem DDR-Plattenbau, unter anderem in Aschersleben.

Die Ausgangssituation: abrisswürdiger Plattenbau, kritisches Mieterklientel. Neben einer Kaltmiete von 5,50 Euro pro Quadratmeter hatten Mieter hier zwischen 5 und 7 Euro Zusatzkosten durch Heizung, Warmwasser, Strom und Sprit fürs Auto. Nach der Komplettsanierung zum energieautarken Mehrfamilienhaus liegt die für fünf Jahre festgeschriebene Pauschalmiete bei 11,50 Euro pro Quadratmeter, den Mietern stehen dabei kostenfrei Elektroautos zur gemeinschaftlichen Nutzung zu Verfügung.

Für jede Wohnung lagen dem Vermieter 30 Bewerbungen vor. Gerade entsteht noch ein solarbetriebenes Café als Treffpunkt für die Nachbarschaft.

Dienstleister Vermieter: Von besseren Konditionen profitieren

Dienstleistungen werden künftig immer wichtiger für die Attraktivität von Mietangeboten. Hier gilt es, über den Tellerrand des Kerngeschäfts zu schauen, Kooperationen einzugehen und kundenorientiert zu denken. Kauft ein Mieter allein Datenvolumen beim Internetanbieter ein, kostet ihn das mehr, als wenn sein Vermieter für viele Nutzer Rabatte verhandelt, oder dies sogar mit einem Wohnungswirtschaftsverband gemeinsam tut.

Einen Teil des Rabattes behält der Vermieter ein, den Rest gibt er an seine Mieter weiter – und alle gewinnen dabei. Auch Angebote wie Altenpflege oder Telemedizin lassen sich in die Mehrleistungen für Mieter zukünftig integrieren. Marktwirtschaft und attraktives, bezahlbares Wohnen gehen Hand in Hand, zum Wohle aller Beteiligten.

Es gilt, kreativer und disruptiver zu denken im Bereich Wohnungswirtschaft. Dazu gehören neue energetische Konzepte und Geschäftsmodelle, von denen Mieter wie Vermieter einen Nutzen haben. Immer, wenn das gelingt, ist Begeisterung der Motor für Nachahmer, für weitere Veränderung. Und dann gehen Klimaschutz, Kostensicherheit und Komfort Hand in Hand, zur Freude von Mieter und Vermieter.