Geheime EU-Gefängnisse: MONITOR deckt illegale Praxis gegen Geflüchtete auf

Das ARD-Politikmagazins MONITOR hat in seiner neuesten Ausgabe die Zustände in den geheimen Gefängnissen entlang der EU-Grenze aufgedeckt. Dort werden Flüchtende rechtswidrig gefangen gehalten und oft auch misshandelt - unter den Augen der EU-Agentur Frontex.

Bulgarische Grenzpolizisten kontrollieren den Grenzzaun zur Türkei. (Bild: REUTERS/Stoyan Nenov)
Bulgarische Grenzpolizisten kontrollieren den Grenzzaun zur Türkei. (Bild: REUTERS/Stoyan Nenov)

Mehrere Monate lang haben die MONITOR-Reporter sich mit einem europäischen Recherche-Team auf die Spuren dieser Geheimgefängnisse begeben. Die Erkenntnisse und Bilder, die sie dabei von den Außengrenzen der EU mitgebracht haben, sind erschütternd. Klar wird durch die Reportage auch: Die Misshandlungen und illegalen Inhaftierungen von Geflüchteten passieren unter der Aufsicht der EU-Agentur Frontex.

Moderator Georg Restle spricht von Bildern, die man aus Diktaturen kenne. Dabei stammen sie aus Mitgliedsstaaten der EU. Dort würden Menschen "eingepfercht wie Tiere, ohne Toiletten, ohne Essen, kaum Wasser", schildert Restle die Zustände zu Beginn der Sendung.

Geheime Aufnahmen aus Bulgarien

Beteiligt waren an der aufwändigen Investigativrecherche unter anderem Der Spiegel, Domani, Sky News, Le Monde und die Recherche-Plattform Lighthouse Reports. Sie recherchierten vor Ort in Ungarn, Kroatien und Bulgarien. Überall stießen die Journalist*innen dort auf "gefängnisartige Verschläge oder Schiffscontainer", in denen geflüchtete Menschen gefangen halten werden, wie es in der Pressemitteilung der Kollektivs heißt. Aufnahmen aus Bulgarien zeigen, wie es in den EU-Grenzgefängnissen zugeht. An diesen geheimen, scheinbar rechtsfreien Orten werden die schutzsuchenden Menschen oft tagelang festgehalten, ohne Wasser oder Nahrung. Von dort werden sie dann von der Polizei über die Grenzen zurück gezwungen, eine illegale Abschiebetaktik ohne juristischen Beistand. Dabei kommt es auch zu brutalen Prügel-Attacken, teilweise werden die Menschen bis auf die Unterhose nackt zurück in die Türkei geschickt, wie Zeugen in der Reportage berichten.

Welche Rolle spielt Frontex?

Die MONITOR-Reportage beweist auch, dass die EU-Agentur offenbar mit dieser Praxis verstrickt ist. Denn mehrfach filmten die Journalist*innen Frontex-Fahrzeuge in unmittelbarer Nähe der Geheimgefängnisse. Zudem zeigten interne Dokumente, dass an der bulgarischen Grenzstation zehn Frontex-Beamte stationiert waren. Die Agentur, die für die Grenz- und Küstenwache der Europäischen Union zuständig ist, ist bei Menschenrechtsorganisationen höchst umstritten. Immer wieder gibt es Vorwürfe gegen die Agentur wegen rechtswidrigen Verhaltens und sogenannten illegalen "Pushbacks" von Geflüchteten. Auf Anfrage des Reporterteams antwortete Frontex lapidar, die beschriebenen Zustände seien bei ihnen nicht registriert, heißt es in der Pressemitteilung.

Brutale Abschreckungspraxis der EU

Auch die bulgarische Regierung wollte sich nicht zu den geheimen Orten und den dortigen Zuständen äußern. Dabei ist Bulgarien keineswegs das einzige EU-Land, in dem der widerrechtliche Umgang mit Geflüchteten nachgewiesen werden konnte. Auch in Ungarn dokumentierte das MONITOR-Team ähnliche Zustände. Videos von Geflüchteten dokumentierten die illegalen "Pushbacks", die auch von der NGO "Ärzte ohne Grenzen" dokukmentiert wurden. Auch aus Ungarn hieß es lediglich, man halte sich an EU-Recht.

Der Direktor von Human Rights Watch Deutschland, Wenzel Michalski, fällt angesichts der Recherche-Erkenntnisse ein hartes Urteil gegenüber der EU-Grenzpolitik. "Man möchte anscheinend, dass die Behandlung der Migrantinnen und Migranten an den Außengrenzen so abschreckend ist, dass die Menschen erst gar nicht auf die Idee kommen, nach Europa zu kommen. Die Menschenverachtung, die uns da ins Gesicht schreit, ist enorm," sagt Michalski im Interview.

Von Seiten der EU hieß es auf Anfrage von MONITOR, man nehme "Fehlverhalten an den EU-Außengrenzen" sehr ernst, verantwortlich seien aber die jeweiligen Staaten. Die werden nun offenbar für das harte Vorgehen belohnt. Denn Bulgarien soll nach Kroatien gemeinsam mit Rumänien künftig in den Schengen-Raum aufgenommen werden, geht es nach der EU-Kommission.

Im Video: Illegale Pushbacks in Ägäis: Vorwürfe gegen Frontex werden konkreter