Es geht um „Spalter“-Vorwürfe - „Woke Ideologie“: Ex-Grüner Boris Palmer nimmt Journalistin auseinander

Die deutsch-iranische Autorin Gilda Sahebi wirft dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer vor, Deutschland zu spalten und äußert Unverständnis über dessen Wahlerfolge. Palmer kontert. Er wirft ihr eine „woke Weltsicht“ vor. Sie selbst sei eine Spalterin.

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer liefert sich in den sozialen Medien gerade einen heftigen Schlagabtausch mit der deutsch-iranischen Journalistin und Buchautorin Gilda Sahebi. Die 1984 im Iran geborene Publizistin mit Schwerpunktthemen Rassismus und Frauenrechte hatte Palmer vor wenigen Tagen scharf angegriffen.

Bei einer Lesung zu ihrem Buch „Wie wir uns Rassismus beibringen“ in Tübingen warf sie ihm vor, er sei „einer der größten Vertreter der spaltenden Narrative“ in Deutschland. „Ich verstehe nicht, dass die Hälfte der Stadt ihn wählt“, so die Journalistin, die unter anderem für die linke „taz“, den „Spiegel“ und die ARD arbeitete.

Der frühere Grünen-Politiker Palmer, der die Partei 2023 im Streit verließ, reagierte auf die Anschuldigungen gegen ihn in gewohnter Manier: Auf Facebook legte er seine Sicht der Dinge dar und sparte dabei nicht an Verbalattacken auf seine Kritikerin.

Boris Palmer reagiert auf „Spalter“-Vorwurf einer Autorin

„Eine Autorin versteht nicht, warum die Hälfte der Stadt mich wählt. Sie behauptet, ich sei einer der größten Vertreter der spaltenden Narrative im Land. Damit meint sie offenbar einfach, dass ich Probleme im Zusammenhang mit unkontrollierter Migration nicht bagatellisiere oder verschweige, sondern klar benenne“, schreibt Palmer.

„Man erkennt das recht gut daran, dass sie die Probleme im Bildungssystem zugibt, aber der Meinung ist, man dürfe das nicht in Zusammenhang mit einer steigenden Zahl von Kindern bringen, die kaum Deutsch sprechen und daher nur schwer beschult werden können“, so der Ex-Grüne.

„Auch der Mangel an bezahlbaren Wohnungen ist für sie nur ein Ressourcenproblem und steht nicht im Zusammenhang mit der Aufnahme hunderttausender Menschen ohne Asylanspruch. Dass die Ressourcen gar nicht vorhanden sind, um immer noch mehr dieser Aufgaben zu lösen, kann in dieser Weltsicht gar nicht sein.“

Boris Palmer weiter: „Ein spaltendes Narrativ ist in der woken Weltsicht daher jede Beschreibung der Wirklichkeit, die deren Illusionen offenlegt. Das darf nicht passieren. Das spaltet.“

Der Tübinger Oberbürgermeister betont, die offene Gesellschaft zeichne sich gerade dadurch aus, „dass man andere Meinungen vortragen kann, ja dass diese sogar geschützt sind. Sogar zu den Problemen unkontrollierter Migration“.

Doch die „woke Ideologie versucht zu verhindern, dass wir die Probleme mit ungeordneter Migration ansprechen. Daher waren sie lange Zeit kaum diskutierbar und deshalb auch nicht lösbar“, erklärt Palmer.

Lob für Cem Özdemirs Schildungen über Migranten-Vorfälle

Am stärksten seien davon diejenigen betroffen, „die außer einer etwas dunkleren Hautfarbe überhaupt nichts mit denen gemeinsam haben, die den Großteil der Probleme mit Migration machen“. Der grüne Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, der 2026 Ministerpräsident in Baden-Württemberg werden will, habe dies „dankenswerterweise mit den Erfahrungen seiner Tochter beschrieben“, so Palmer.

Özdemir hatte kürzlich in einem FAZ-Gastbeitrag öffentlich über seine Tochter gesprochen, die im nächsten Jahr Abitur macht. „Wenn sie in der Stadt unterwegs ist, kommt es häufiger vor, dass sie oder ihre Freundinnen von Männern mit Migrationshintergrund unangenehm begafft oder sexualisiert werden“, schrieb er.

Gegen solche Übergriffe habe sie sich zwar ein „dickes Fell“ zugelegt. „Doch ich spüre, wie sie das umtreibt“, so Özdemir. „Und wie enttäuscht sie ist, dass nicht offensiver thematisiert wird, was dahintersteckt: die patriarchalen Strukturen und die Rolle der Frau in vielen islamisch geprägten Ländern.“

Am Schluss seines Facebook-Posts gibt Boris Palmer seiner Widersacherin einen Rat: „Also, Frau Sahebi, wenn Sie keine Spaltung der Gesellschaft wollen, versuchen sie zu verstehen, wie die Mehrheit der Menschen in diesem Land denkt, statt ihr vorzuwerfen, wie sie wählt. Das spaltet nämlich.“

Gilda Sahebi: „Damit kann ich leider nichts anfangen"

Die Autorin Gilda Sahebi nahm Palmers Aussagen offenbar zerknirscht zur Kenntnis. Auf Instagram wetterte sie, der Politiker habe „einen seiner berüchtigten Facebook-Einträge über mich gemacht“. Darin behaupte er, sie sei „woke“, wolle Probleme „verschweigen“ – „und eigentlich sei ich es, die spalten wolle“.

Die Deutsch-Iranerin nennt Palmers Reaktion typisch. „So ist es natürlich nicht notwendig, eigene Erzählungen anzuschauen oder gar, sich zu hinterfragen – was meiner Wahrnehmung nach aber auch nicht die stärkste Eigenschaft von Boris Palmer ist“, meint Sahebi. „Woke“ sei auch keine Kritik, es sei Projektion. „Damit kann ich leider nichts anfangen.“

Es klingt, als wolle sie damit einen Schlussstrich unter den Disput mit Palmer ziehen. Ob das letzte Wort in dem Streit damit wirklich gesprochen ist, bleibt abzuwarten.