Gendern: Anne Will stößt Diskussion um Corona-Plakat an

Moderatorin Anne Will wendet in ihrer Talkshow "Anne Will" schon seit Langem sehr konsequent gendergerechte Sprache an. Das sorgte von Beginn an neben viel Lob auch für Irritationen, insbesondere bei Kritikern des von ihr gesprochenen Gendergaps. Nun wies die Moderatorin auf Twitter auf ein Plakat hin, das auf gendergerechte Sprache verzichtete.

Anne Will, Journalistin, Deutschland, Berlin, Politik und Medien trifft sich beim ARD-Hauptstadttreff 2017, 23.11.2017   (Photo by Popow/ullstein bild via Getty Images)
ARD-Moderatorin Anne Will (Bild: Getty Images)

Das Plakat wendet sich an "Berliner", zusammenzuhalten und die geltenden Corona-Regeln einzuhalten. Gendergerecht, also alle Geschlechter mit einbeziehend, müsste das Plakat aber beispielsweise von "Berliner_innen" sprechen.

Gesellschaft für deutsche Sprache: Sie lehnt das Gendersternchen ab

In ihrem Tweet zu dem Plakat erklärt Anne Will, dass sie sich bei dem Aufruf "mit gemeint" fühlt – und weist damit auf die Verwendung des generischen Maskulinums (hier: "Berliner") hin, das Frauen eben "mit meint" und schon lange kritisiert wird.

In der Online-Version des Duden gab es kürzlich eine Neuerung, die mit dem generischen Maskulinum quasi Schluss machte. Laut der Online-Version des Wörterbuchs kann nun mit "Mieter" nur noch ein Mann gemeint sein – und keine Frau mehr "mit gemeint" werden. Diese ist nur mehr als "Mieterin" konkret bezeichnet.

Keine einheitlichen Vorgaben

Die Diskussion über gendergerechte Sprache wird seit geraumer Zeit von Befürwortern und Kritikern intensiv und leidenschaftlich geführt. Vor allem, wenn es um gesprochene Sprache beispielsweise in Fernsehsendungen geht, wie zum Beispiel die Anwendung des Gendergap. Dabei wird beim Sprechen eine kurze Lücke zwischen dem maskulinen Wortstamm und der femininen Nachsilbe des Begriffs gelassen, um so das männliche und weibliche sowie alle anderen Geschlechter einzubeziehen, wie bei "Mieter_in".

Verbindliche Vorgaben gibt es nicht. Selbst innerhalb der ARD, wo Anne Will mit ihrer Talkshow "Anne Will" am Sonntagabend beheimatet ist, gibt es keine einheitliche Linie. Ihr Kollege Frank Plasberg, dessen Talkshow am Montag in der ARD läuft, sorgte im Dezember 2020 sogar für einen regelrechten Shitstorm, als er der gendergerechten Sprache von Anne Will einen klaren Seitenhieb verpasste.

ZDF: Reaktion auf Kritik am gesprochenen Gendersternchen

Auch beim ZDF sucht man einheitliche Vorgaben zur gendergerechten Sprache vergeblich. "heute journal"-Moderator Claus Kleber wendet gendergerechte Ausdrücke an, ebenso wie Kollegin Petra Gerster. Kritiker stören sich meist an deren ungewohntem Klang.

So sagte Petra Gerster in einem Interview mit dem "Tagesspiegel" Anfang 2021: "Nach meiner ersten Sendung mit Gendersternchen, im Oktober, haben sich um die 60 Leute beschwert. Das ist schon sehr viel". Doch schon wenige Monate später hatte sich die Lage beruhigt: "Mittlerweile sind die Beschwerden pro Sendung nur noch im einstelligen Bereich, es setzt also eine Gewöhnung ein", so die Journalistin.

Auch im Netz ist die Meinung zu dem Thema weiterhin gespalten

Die Reaktionen auf Anne Wills Tweet fallen sehr unterschiedlich aus. Manche stimmen der Moderatorin zu in ihrem Bemühen, die gendergerechte Sprache stärker im Bewusstsein zu verankern:

Es gibt aber auch die Bitte, die Entscheidung über das "Gendern" jedem Einzelnen zu überlassen. Andere User machen deutlich, dass sie mit der Anwendung von gendergerechter Sprache wenig anfangen können, sie als "Gender-Wahn" werten und von derartigen Hinweisen genervt sind:

Wieder andere wollten die Moderatorin davon überzeugen, dass sich nicht die Sprache ändern müsse, sondern ihre Einstellung dazu.

Vielfalt der Geschlechter kenntlich machen

Ob nun Gendersternchen oder Gendergap (Teilnehmer_innen), Beidnennung (Teilnehmerinnen und Teilnehmer) oder aber geschlechtsneutral (Teilnehmende): Auf "genderleicht.de" kann man sich über die aktuell möglichen Formen informieren, um die Vielfalt der Geschlechter in der Sprache kenntlich zu machen. Das Projekt des Journalistinnenbundes setzt sich für eine geschlechtergerechte Sprache in deutschen Medien ein.

Gegenüber dem RND sagte Projektleiterin Christine Olderdissen, dass der Sprachwandel nicht aufzuhalten sei: "Er kommt aus der Mitte der Gesellschaft und wird insbesondere von jungen Menschen vorangetrieben. Wir im Journalismus gehören zu denen, die sich der Schönheit der Sprache verpflichtet fühlen und die Regeln der Rechtschreibung einhalten. Diese sind jedoch dehnbar und passen sich dem Sprachwandel an.”

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