Genie im Vakuum: Zum Tod Stephen Hawkings

Stephen Hawking brachte unzähligen Menschen die Astrophysik näher (Bild: AP Foto/Matt Dunham)
Stephen Hawking brachte unzähligen Menschen die Astrophysik näher (Bild: AP Foto/Matt Dunham)

Der britische Astrophysiker Stephen Hawking war eine der größten Wissenschaftsikonen aller Zeiten. Am Mittwochmorgen starb der 76-Jährige nun friedlich in seinem Haus in Cambridge. Zurück bleibt das Vermächtnis eines genialen Physikers und Mathematikers, der nicht nur bahnbrechende Forschung betrieb, sondern in seinen Büchern und öffentlichen Auftritten vielen Menschen einen Zugang auf seine Wissenschaft ermöglichte.

Nicht erst seit der Hollywoodverfilmung „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ von 2014 war Hawking das Gesicht der Astrophysik. Er galt als legitimer Nachfolger Isaac Newtons und Albert Einsteins, an dessen Geburtstag er nun verstorben ist. Hawking war ein Visionär, auch mal ein Querdenker und Provokateur in seinen Theorien. Vor allem verstand er es aber, mit komplexesten Inhalten auch Laien zu erreichen und für Astrophysik zu begeistern. Sein 1988 erschienenes Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“ war ein weltweiter Bestseller, auch seine weiteren Bücher wie „Das Universum in der Nussschale“ erreichten ein Millionenpublikum. Gastauftritte bei Raumschiff Enterprise oder den Simpsons verstärkten die Reichweite dieses Wissenschaftspopstars sogar noch weiter. Das besondere war, dass Hawking zugleich auch in seinen Kreisen höchst angesehen war. Viele hofften sogar, dass er mit seiner Forschung und seinen Fähigkeiten die Brücke zwischen Einsteins Relativitätstheorie und der Quantenmechanik würde schlagen können.

Sein Anspruch war es, das Universum „ganz und gar zu verstehen“, wie er einmal in einem Interview sagte. Schon sein langes Leben widersprach eigentlich jeder Theorie, denn nach seiner Diagnose mit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) im Jahr 1963 wurde ihm eine restliche Lebensdauer von höchstens fünf Jahren diagnostiziert. Stattdessen wurden daraus über 50, auch wenn der Professor für Mathematik den Großteil davon im Rollstuhl verbringen musste und seit 1985 nicht mehr ohne Hilfe eines Computers sprechen konnte. Beim Umgang mit der Krankheit halfen ihm nicht nur die Unterstützung seiner beiden Ehefrauen und seiner drei Kinder, auch der ihm eigene Humor gab ihm die Kraft für sein produktives Leben. Oder wie Hawking es selbst formulierte: „Das Leben wäre tragisch, wenn es nicht so lustig wäre.“

Schwarze Löcher und Urknalltheorie

Der Brückenschlag zwischen Relativitätstheorie und Quantenmechanik gelang ihm nicht mehr, dennoch sind seine Verdienste um die Astrophysik unbestritten. Schon als Mathematikdoktorand gelang ihm 1965 gemeinsam mit dem britischen Kollegen Roger Penrose ein entscheidender mathematischer Beleg für die Theorie eines Urknalls. Zu dem Zeitpunkt nicht unumstritten, zumal es den ewigen Zwist zwischen Religion und Wissenschaft um die Schöpfung der Erde neue befeuerte. Hawking zeigte sogar auf, dass Einsteins Relativitätstheorie den Beginn eines Universums vorhersagte. Allerdings schränkte er später ein, dass ein Schöpfungsakt nicht zwingend ein singulärer Prozess sein müsse, sondern durchaus auch aus einer Reihe verschiedener Ereignisse bestehen könne.

Ein zweiter Schwerpunkt seiner Forschung waren Schwarze Löcher. Hawkings Theorie war, dass Schwarze Löcher kein absoluter Endpunkt seien. Sie erzeugen zwar eine dermaßen hohe Schwerkraft, dass alles in sie eingesogen wird und nicht einmal Licht sich dem entziehen kann, doch Hawking konnte zumindest in der Theorie mit Hilfe der Quantenphysik nachweisen, dass Schwarze Löcher auch einen langsamen Verdampfungsprozess durchlaufen, also keine ultimative Leere zur Folge haben. Die sogenannte Hawking-Strahlung konnte aufgrund der extrem langsamen Verdampfung allerdings bislang nicht nachgewiesen werden.

Mahner vor den Bedrohungen der Menschheit

Über 30 Jahre hielt er den renommierten Lucasischen Lehrstuhl an der Universität von Cambridge inne, in den Fußspuren Isaac Newtons. Doch er widmete seine Energie nicht nur der Leere und Forschung. In späten Jahren beschäftigte sich der berühmte Astrophysiker viel mit den Auswirkungen der Wissenschaft auf die Menschheit. Er sprach sich deutlich gegen die Gefahren für die Erde aus, die durch Viren, artifizielle Intelligenz, Klimaerwärmung oder Gentechnik entstehen könnten. Hawking arbeitete sogar an der physischen Erkundung des Weltalls durch Miniraumschiffe, da er sich sicher war, die Menschheit müsse früher oder später dort alternativen Lebensraum finden.

Der populäre US-Physiker Neil deGrasse Tyson widmete seinem Freund folgenden Nachruf auf Twitter: „Sein Tod hinterlässt ein intellektuelles Vakuum. Aber es ist nicht leer. Denkt es Euch als eine Vakuum-Energie, die gegen jede Messbarkeit das Gewebe der Raumzeit durchdringt.“ Soll heißen: Stephen Hawking mag nicht mehr auf dieser Erde weilen, seine Energie, sein Wesen und seine Ideen und Gedanken bleiben der Menschheit aber erhalten.