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Gentleman mit neuem Album zurück: "Ich musste meinen Kopf sortieren"

Gentleman hat seine neue Platte "Mad World" auf den Markt gebracht. (Bild: Christina Gotz)
Gentleman hat seine neue Platte "Mad World" auf den Markt gebracht. (Bild: Christina Gotz)

Gentleman (48) ist zurück: Der deutsche Reggae-Musiker veröffentlicht am 2. Dezember sein neues Album "Mad World". Der Albumtitel beschreibt den immer chaotischeren Zustand unserer Gesellschaft. Für den Titelsong hat Gentleman den Tears for Fears Klassiker "Mad World" eigens interpretiert. "Ich habe noch nie einen Coversong gemacht. Ich hatte tierischen Respekt davor und viele Zweifel", erklärt der Musiker im Interview mit spot on news über die Arbeit an der Neuinterpretation des populären Songs, zu dem Michael Andrews und Gary Jules 2003 bereits eine Coverversion veröffentlichten. "Ich mochte den Song aber schon immer und er begleitet mich schon lange", sagt Gentleman weiter. "Ich fand den Gedanken attraktiv, dass man nur ein bestimmtes Element herausgreift und einen eigenen Song daraus macht. Ich habe zum Beispiel zwei Strophen dazugeschrieben und einen One-Drop-Reggae draufgelegt." Als er den Song aufgenommen habe, "hatte ich sofort Gänsehaut", beschreibt der Musiker. "Das ist immer ein gutes Zeichen."

Nach seinem Werk "Blaue Stunde" (2020) kehrt er dieses Mal wieder zur englischen Sprache zurück. "Schon im Prozess des deutschen Albums war klar, dass ich jetzt nicht anfangen werde, auf Deutsch zu singen", erzählt Tilmann Otto, so sein bürgerlicher Name. "Ich wollte mir damit einen Herzenswunsch erfüllen und ich liebe dieses Album. Aber ich habe eben auch Fans in Costa Rica oder der Karibik, die zwar den Vibe der deutschen Songs spüren konnten, aber nicht viel mit ihnen anfangen konnten. Die Lyrics sind schließlich ein wesentlicher Bestandteil."

Auf Mallorca die Gedanken sammeln

Das Album "Blaue Stunde" ist auf Teneriffa entstanden, "Mad World" nun auf Mallorca. "Bei allen Alben habe ich mir einen Ort gesucht, wo ich meine ersten Gedanken sammeln konnte und nicht abgelenkt wurde. Die Schnelligkeit der Stadt passt da nicht dazu", erzählt Gentleman. "Auf Mallorca haben wir diese Finca in den Bergen gefunden, wo wir ein Studio reingebaut haben und uns ein paar Wochen eingeschlossen haben. Um uns herum waren nur Schafe und Ziegen und über uns ein wahnsinniger Sternenhimmel jeden Abend." Auch ein gesunder Lebensstil und ein verringerter Medienkonsum habe ihm in dieser Phase geholfen. "Gerade in der Zeit jetzt, in der man das Gefühl hat, wir schlittern von einer Krise in die nächste, musste ich meinen Kopf sortieren. Sich den Raum geben, zu reflektieren, ist die Voraussetzung, um kreativ zu sein. Der Drang, meine Gefühle und Gedanken in Musik zu manifestieren, kam dann automatisch."

Mit dem Album verbreitet Gentleman die Botschaft: "Egal, wie sehr alles aus den Fugen scheint, glaube an dich, an das Gute und gehe weiter deinen Weg". Als Optimist glaube er "an eine Balance und dass es ein Gegengewicht zu einer bestimmten Strömung gibt. Wir leben in Zyklen, durchleben Veränderungen und sind variable Wesen", sagt der Musiker. "Meine Generation war es gewöhnt, fast sorgenfrei aufzuwachsen, nie im Krieg gewesen zu sein und bislang nie extreme Krisen erlebt zu haben. Jetzt ist das erste Mal dieses Gefühl da, das wir so noch nicht kennen in dieser Geballtheit. Aber ich glaube immer, dass darin auch eine Chance liegt. Und dass wir erkennen, dass so wie wir gelebt haben, nicht mehr weiterleben können und ein Umbruch stattfindet. Da gibt es auf jeden Fall noch mehr Fragen als Antworten."

Gentleman ist "nicht im WM-Fieber"

Gentleman will als Künstler nicht neutral oder unpolitisch sein. Er sieht es als seine Aufgabe an, Probleme zu benennen und Auswege zu bieten. "Ich glaube, in dem Moment, wo man nicht über einen Baum singt oder die Liebe zu seiner Frau, sondern eine gewisse Haltung oder Meinung zeigt, ist das politisch", so der Sänger. Gleichzeitig könne das Wort "eine unglaubliche Kraft" haben. "Das ist mir bewusst. Man denkt heute schon viermal darüber nach, bevor man was sagt. Das merke ich auch in meinem Umfeld. Ich habe das Gefühl, die Menschen werden vorsichtiger."

Doch man stehe in der Verantwortung, besonders in dem Moment, "wo ganz viele Menschen wie bei einer WM zugucken und du sie erreichen kannst, du eine Möglichkeit hast, eine wichtige Message zu verbreiten. Warum sollte man das dann nicht tun. Für mich ist das ein Muss", sagt der Musiker. "Auch wenn es in der richtigen Dosierung und ausgewählt und nicht willkürlich passieren sollte. Der Sport sollte immer noch im Vordergrund stehen."

Im Hinblick auf das Für und Wider eines Boykotts der gerade stattfindenden Fußball-Weltmeisterschaft in Katar ist Gentleman als bekennender Fußballfan bis heute unentschlossen und konnte sich "selber noch keine richtige Meinung bilden. Für mich hat diese WM aber definitiv keinen Spirit. Ich bin jetzt nicht im WM-Fieber wie sonst immer. Das hat mich dieses Mal nicht gepackt, alleine dass sie im Winter ist und wie die Vergabe ablief." Und wie wird er die kommende Zeit füllen, wenn nicht mit Fußballgucken? Den Rest des Jahres werde er ruhig, aber auch musikalisch ausklingen lassen, verrät Gentleman. "Am 19. Dezember ist noch ein Konzert in Köln und dann feiere ich Weihnachten mit meiner Familie."