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Ein geopolitisches Erdbeben namens Trump

Die bisherige Weltordnung schwankt. „Die Fundamente erscheinen besorgniserregend schwach“, sagte John Chipman, Direktor des International Institute for Strategic Studies (IISS) bei der Vorstellung des „Strategic Survey 2016“ in London. Nach Meinung der britischen Forscher haben der wachsende Populismus im Westen, der um sich greifende Nationalismus rund um den Globus sowie die aggressive Machtpolitik Russlands und Chinas die internationalen Institutionen und Normen der Nachkriegsordnung geschwächt. Der internationalen Gemeinschaft falle es deshalb immer schwerer, Konflikte zwischen Staaten zu dämpfen oder zu vermeiden.

Die Gründe für die neue Weltunordnung seien unter anderem der geplante Austritt der Briten aus der Europäischen Union (Brexit) und die Schwächung von Organisationen wie dem Golf-Kooperationsrat (GCC) und dem Verband Südostasiatischer Staaten (ASEAN). Gleichzeitig habe es im vergangenen Jahr einen Trend zu Versuchen gegeben, Konflikte im nationalen Alleingang zu lösen.

Dazu zählen die Experten das Eingreifen Russlands in Syrien, die Expansion Chinas im südchinesischen Meer und die Intervention Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate in den jemenitischen Bürgerkrieg. Auch die globale Wirtschaftsordnung steht an einem Scheideweg, so die Forscher. Der geplante EU-Austritt Großbritanniens, Versuche, den US-Dollar als wichtigste Reservewährung abzulösen und der Abschluss weitreichender Freihandelsabkommen stellten die bisherige Ordnung infrage.

„Eine Politik der Engstirnigkeit vermischt sich jetzt mit nationalistischen Instinkten und beides kollidiert mit einer kosmopolitischen Weltordnung, die von Technokraten so sorgfältig im späten 20. Jahrhundert errichtet wurde“, sagte IISS-Direktor Chipman. Die Londoner Denkfabrik führt zum Beispiel die Machtpolitik des russischen Präsidenten auf eine tiefe Verunsicherung der russischen Führung zurück.

Die militärische Unterlegenheit gegenüber den und das weite Vorrücken des Westens in Osteuropa hätten zu einer Gegenreaktion geführt. Putin wolle als gleichwertiger Partner auf Augenhöhe anerkannt werden. Auch deshalb habe er in Syrien interveniert und Russland im Mittleren Osten zu einem zentralen „Player“ gemacht, sagte IISS-Forscher Emile Hokayem.

Von einer neuen Achse Moskau-Peking wollte das Institut aber nicht sprechen. Zwar hätten Russland und China zum Teil ähnliche Interessen, was sich auch in gemeinsamen Vetos im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ausdrücke. Während jedoch Moskau am liebsten ein Bündnis mit China gegen die USA schmieden würde, sei Peking vielmehr an einzelnen gemeinsamen Projekten mit den Russen interessiert.

Eine Phase zusätzlicher Unsicherheit erwarten die Forscher bei einem Wahlsieg des amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. „Wir kennen nicht seine Berater und wissen nicht, welche Bedeutung die Außenpolitik in einer Trump-Administration haben würde“, sagte Matthew Harris. Zudem wechsle Trump häufig seine Positionen.

Der IISS-Experte wies darauf hin, dass der Republikaner gegenüber den amerikanischen Verbündeten viel stärker als „Geschäftsmann“ auftrete und auf eine finanzielle Lastenteilung poche. „Seine Wahl wäre ein großes geopolitisches Erdbeben und würde eine fundamentale Abkehr von der US-Außenpolitik der letzten 50 Jahre bedeuten.“

KONTEXT

Wer kämpft gegen wen in Syrien?

Regime

Anhänger von Präsident Baschar al-Assad kontrollieren weiter die meisten großen Städte wie Damaskus, Homs, Teile Aleppos sowie den Küstenstreifen am Mittelmeer. Syriens Armee hat allerdings viele Soldaten verloren und wird vor allem durch russische Kampfjets, iranische Kämpfer und die Schiitenmiliz Hisbollah unterstützt. Auch Verbände aus Afghanistan und dem Irak sollen aufseiten des Regimes kämpfen.

Islamischer Staat (IS)

Die Terrormiliz hat in den vergangenen Monaten große Teile ihres Gebietes verloren, herrscht aber immer noch in vielen Städten entlang des Euphrats und in Zentralsyrien.

Rebellen

Unzählige Rebellengruppen kämpfen in Syrien - von moderaten Gruppen, die vom Westen unterstützt werden, bis zu radikalen Islamisten, wie der früheren Nusra-Front. Immer wieder gehen die verschiedenen Truppen zeitweise Zweckbündnisse ein.

Kurden

Kurdische Streitkräfte beherrschen mittlerweile den größten Teil der Grenze zur Türkei. Sie sind ein wichtiger Partner des Westens im Kampf gegen den IS. Sie kämpfen teilweise mit Rebellen zusammen, kooperieren aber auch mit dem Regime in Damaskus.

Die USA und der Westen

Washington führt den Kampf gegen den IS an der Spitze einer internationalen Koalition. Kampfjets fliegen täglich Angriffe. Beteiligt sind unter anderem Frankreich und Großbritannien. Deutschland stellt unter anderem sechs Tornados für Aufklärungsflüge.

Russland

Seit einem Jahr fliegt Russlands Luftwaffe Angriffe in Syrien und steht an der Seite von Machthaber Assad. Russland bekämpft offiziell den IS, greift aber den Angaben zufolge immer wieder auch moderate Rebellengruppen an, die Seite an Seite mit Dschihadisten kämpfen.

Iran

Teheran ist der treueste Unterstützer des Assad-Regimes. Nach Angaben Teherans sind Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden als militärische Berater der syrischen Armee im Einsatz.

Saudi-Arabien und die Türkei

Riad und Ankara sind wichtige Unterstützer von Rebellen. Sie fordern den Sturz Assads. Saudi-Arabien geht es darum, den iranischen Einfluss zurückzudrängen. Der Iran ist der saudische Erzrivale im Nahen Osten. Die Türkei will eine größere Selbstbestimmung der Kurden in Nordsyrien verhindern.