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Geschrieben, um zu bleiben: Die besten Songs in der Corona-Krise

Die Stones veröffentlichten einen geistreichen Song in der Corona-Krise: "Living in a Ghost Town". (Bild: Everett Collection/shutterstock.com)
Die Stones veröffentlichten einen geistreichen Song in der Corona-Krise: "Living in a Ghost Town". (Bild: Everett Collection/shutterstock.com)

Abgesagte Konzerte und Festivals, verschobene Albumveröffentlichungen - die Musikindustrie ist in der Corona-Krise nahezu vollständig zum Erliegen gekommen, die Musik verstummt. Ganze Existenzen aus der Branche sind bedroht, wenn nicht sogar bereits ausgelöscht. Dass zumindest die Künstler-Oberschicht aus der Not eine Tugend machen würde, war nur eine Frage der Zeit. So haben in den vergangenen Wochen bekannte Bands und Musiker Songs veröffentlicht, um sich über die missliche Lage künstlerisch zu äußern oder der Gesellschaft etwas zum Festhalten in Zeiten wie diesen zu geben. Zwar steht so etwas wie die inoffizielle Hymne der Krise noch aus, jedoch haben einige Künstler - abseits der unzähligen Ulk-Nummern und Corona-Cover im Radio und Internet - Bemerkenswertes hervorgebracht. Die fünf bislang besten Songs, die bleiben, auch wenn die Krise wieder vorbei ist.

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"Living in a Ghost Town" - The Rolling Stones

Wie bei ihrem Track "Gimme Shelter", einer apokalyptischen Verheißung, die im Altamont Free Concert 1969 ihren tragischen Höhepunkt fand, liegt auch beim Stones-Song "Living in a Ghost Town" eine gewisse Endzeitstimmung in der Luft. Das Stück sei zwar schon vor dem Lockdown entstanden, halle aber laut Mick Jagger (76) besonders wider "in der Zeit, in der wir uns gerade befinden". Im dazugehörigen Video, das innerhalb kürzester Zeit Millionen Klicks auf YouTube sammeln konnte, sind im Zeitraffer menschenleeren Orte, die einst von Trompeten und Saxofonen beschallt wurden, zu sehen. In zehn Minuten hätten Jagger und Richards den Song geschrieben - und doch bringen es die Rolling Stones perfekt auf den Punkt, wenn sie darin klagen: "Life was so beautiful / Then we all got locked down."

"Saviours of the City" - Jake Bugg

Bis kurz vor dem Lockdown in Großbritannien spielte sich Jake Bugg (26) für sein kommendes Album noch warm auf der Insel, doch dann war auch in England Schluss mit Live-Musik. Der Wunderknabe aus Nottingham hatte aber noch ein Ass im Ärmel für die Zeit in der Krise. "Ich habe es letztes Jahr mit meinem Kumpel Robert geschrieben. Es ist ein Song, dessen Veröffentlichung ich nicht geplant hatte, aber es scheint bei dem, was gerade vor sich geht, mitzuschwingen", so Bugg über das bereits existierende "Saviours Of The City" und seine emotionale Verbindung zur Krise. Eine feine Akustik-Ballade, die das Gefühl der Einsamkeit in der Isolation treffend umkreist.

BERLIN, GERMANY - JUNE 09: Rick McPhail of German band Tocotronic performs live on stage in support of Beatsteaks during a concert at Waldbuehne Berlin on June 9, 2018 in Berlin, Germany. (Photo by Andrea Friedrich/Redferns)
Rick McPhail von Tocotronic. (Bild: Getty Images)

"Murder Most Foul" - Bob Dylan

Natürlich war der Meister selbst in der Vergangenheit stets zur Stelle, wenn man ihn brauchte. Nur ist das eben schon sehr lange her, dass Bob Dylan (78) seine geistigen Ergüsse zum aktuellen Zeitgeschehen mit der Welt teilte. Sein Spätwerk "Tempest" ist fast acht Jahre alt, bei seinen jüngsten Alben interpretierte er sich durch das Great American Songbook. Aber Dylan wäre nicht ebender, wenn er nicht gerade dann eine Antwort parat hätte, würde man am wenigsten damit rechnen. Jetzt also doch: "Rough And Rowdy Ways", das neue Album von Bob Dylan - mit eigenen Stücken. Nachdem der Songwriter aus Minnesota das ausgehungerte Folk (Wortspiel!) kürzlich mit kleinen Song-Häppchen daraus köderte, wurde deutlich: Da kommt etwas Großes auf uns zu. Neben den beiden Songs "I Contain Multitudes" und "False Prophet" veröffentlichte Dylan vorher noch "Murder Most Foul", einen knapp 17-minütigen musikalischen Niedergang, der sich von der Ermordung Kennedys 1963 bis hin zur Amerika-Apokalypse unter Donald Trump (73) vorarbeitet und keinen Zweifel daran lässt, dass sich die Zeiten wieder ändern: "Don't worry, Mr. President / Help's on the way" - der Song zur Lage der Nation.

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"Hoffnung" - Tocotronic

"Ein kleines Stück Lyrics and Music / Gegen die Vereinzelung" - man könnte Tocotronic prophetische Fähigkeiten attestieren, denn "Hoffnung" gab es bereits vor der Krise. Über ein Jahr ist der Song alt und doch ist er die passende Bestandsaufnahme zur aktuellen Situation. Aber mit Themen wie diesen kennt sich die Band aus Hamburg eben bestens aus. Bereits auf "Sag alles ab" von ihrem Klassiker "Kapitulation" (2007) besang Dirk von Lowtzow (49) die Isolation und kehrt 13 Jahre später unfreiwillig zu ihr zurück. Tocotronic sind also gewissermaßen musikalische Meister der Abkapselung und spüren, wenn und wann etwas gesagt werden muss. Auch dieses vermeintlich schwere Lied, in dem Sänger und Songwriter von Lowtzow mantraartig predigt, spendet Trost - "In jedem Ton liegt eine Hoffnung".

"Don't Stop" - Oasis

Wenn Noel Gallagher (52) in den verstaubten CD-Kartons auf seinem Dachboden wühlt, stößt er auf Gold. In diesem Fall war es das verschollen geglaubte Oasis-Demo zu "Don't Stop", das bei einem Soundcheck der Band in Hongkong vor ungefähr 15 Jahren aufgenommen wurde. Weil das Mastermind "in letzter Zeit unendlich viel Zeit totzuschlagen hatte", grub er diesen Track aus und stellte ihn prompt ins Netz. "Ich weiß, dass einige von euch diesen Song lieben werden, daher dachten wir uns, dass wir ihn einfach veröffentlichen, damit ihr ihn genießen/darüber streiten könnt." Damit sollte Gallagher Recht behalten: "Don't Stop" ist ein optimistischer Schimmer, mit dem uns der Songwriter zur richtigen Zeit durch die Dunkelheit führt. "Don't stop being happy / Don't stop your clapping / Don't stop your laughing / Take a piece of life, it's alright / To hold back the night."

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