Gesundheitstalk bei „Hart aber fair”: CDU-Minister Spahn verteilte nur Placebos

CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn bei “Hart aber fair”. (Foto: ARD)
CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn bei “Hart aber fair”. (Foto: ARD)

In den vergangenen Tagen hatte sich Jens Spahn, seit einer Woche CDU-Gesundheitsminister, vor allem zu Themen geäußert, die nichts mit seinem neuen Geschäftsbereich zu tun hatten. So lies er Hartz-IV-Empfänger wissen, dass sie überhaupt nicht arm seien. Am Montagabend bekam Spahn nun die Chance, seine Vorstellungen in der Gesundheitspolitik zu erläutern.

In der ARD-Talkshow „Hart aber fair” fragte Moderator Frank Plasberg: „Warten zweiter Klasse – was bessert sich für die Kassenpatienten?” Kein kleines Problem. Viele, der 72 Millionen Kassenpatienten hierzulande beklagen, dass sie auf einen Facharzttermin deutlich länger warten müssen, als privat Versicherte. Für Minister Spahn bietet sich also ein weites Feld, auf dem er in den kommenden Jahren für mehr Gerechtigkeit sorgen kann. Leider verteilte er an die leidgeprüften Patienten nur einige Placebos. Doch zunächst zu den anderen Gästen.

Zweiklassen-Medizin nur „ein gefühltes Problem”?

Andreas Gassen, Orthopäde und Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, bestritt, dass es ein Problem gibt. Die Zweiklassenbehandlung beim Arzt sei vor allem „eine gefühlte”. Es handele sich lediglich um ein „Komfortproblem”, behauptete der Ärzte-Lobbyist. Gassen sagte: „Wir behandeln alle gleich gut und auf einem sehr hohen Niveau”. In Deutschland gebe es eine freie Arztwahl, was kein anderes europäisches Land zu bieten habe. Was eine freie Arztwahl nützt, wenn man monatelang auf eine Behandlung warte, wie eine Mutter von drei Kindern eindrucksvoll schilderte, erklärte Gassen nicht.

Die Journalistin Anette Dowideit („Die Welt”) berichtete, dass Ärzte einigen gesetzlich versicherten Patienten aus ihrem Bekanntenkreis schnellere Termine angeboten hätten – gegen zusätzliches Honorar. „Bezahlen Sie 150 Euro, dann kommen Sie schon morgen dran”, habe ein Mediziner gesagt, so Dowideit.

Der Gesundheitswissenschaftler Gerd Glaeske, Professor an der Uni Bremen, hält das für einen Skandal. Glaeske erzählte, dass Mediziner ihre Praxen viel lieber in Bezirken wie Berlin-Mitte eröffneten, wo besser betuchte Privatpatienten wohnen. In Problemvierteln oder auf dem Lande mangele es dagegen an Ärzten.

Dass es auch anders geht, bewies Christoph Lanzendörfer. Der Facharzt für Innere Medizin betonte, Privat- und Kassenpatienten immer gleich zu behandeln. „Privatpatienten müssen bei mir genau gleich lang auf einen Termin warten. Alles andere wäre ja unethisch”, so Lanzendörfer.

Minister ohne Lösungen

Welche Pläne hat Jens Spahn? Zunächst einmal stellte der CDU-Politiker klar, dass er am Zwei-Klassen-System nichts ändern werde. „Wenn wir das Privatsystem abschaffen, dann warten alle länger“, sagte Spahn. Nachdem er wohldosiert die üblichen Phrasen verabreicht hatte („Wir könnten ja auch mal stolz sein auf unser Gesundheitssystem.”), äußerte er sich am Ende der Sendung doch noch zu den langen Wartezeiten für Kassenpatienten. „Ich habe da so’n paar Ideen rund um die Terminservicestellen” verriet Spahn nebulös.

Diese Terminservicestellen existieren allerdings seit 2016 und sollen dabei helfen, dass gesetzlich versicherte Patienten innerhalb von vier Wochen einen Facharzttermin bekommen. Bislang scheint das System allerdings nicht richtig zu funktionieren. Was genau Spahn künftig daran ändern will, lies er offen. Dafür sagte er, was nicht geht: Eine vollständige Angleichung der Wartezeiten in den kommenden dreieinhalb Jahren sei „eher unwahrscheinlich”. Dafür versprach er: „Wir werden es besser machen.” Wie – das behielt er für sich.

Dem Facharzt Lanzendörfer platzte irgendwann der Kragen. „Gesundbeterei qualifiziert eigentlich keinen Gesundheitsminister“, kritisierte er Spahn. Mehr als diese zutreffende Diagnose bekamen die Zuschauer nicht am Montagabend.