Gewalt gegen Kommunalpolitiker: Basierte der ZDF-Film "Die Bürgermeisterin" auf einem wahren Fall?

Gewalt gegen eine Kommunalpolitikerin im ZDF-Film "Die Bürgermeisterin": Claudia Voss (Anna Schudt) steht vor dem beschmierten Transporter der Familien-Schreinerei. (Bild: ZDF / Martin Valentin Menke)
Gewalt gegen eine Kommunalpolitikerin im ZDF-Film "Die Bürgermeisterin": Claudia Voss (Anna Schudt) steht vor dem beschmierten Transporter der Familien-Schreinerei. (Bild: ZDF / Martin Valentin Menke)

Im ZDF-Film "Die Bürgermeisterin" erlebte Ex-"Tatort"-Kommissarin Anna Schudt als Ortsbürgermeisterin, wie sich ihr beschauliches Kleinstadtleben in ein Horror-Szenario verwandelte. "Schuld" war eine geplante Unterkunft für Geflüchtete, gegen die Rechte mobil machten - mit heute "gängigen" Mitteln.

Mit 4,2 Millionen linear Zuschauenden sorgte das ZDF-Drama "Die Bürgermeisterin" am Montagabend für einen Marktanteil von 15,5 Prozent und damit für die größte Reichweite eines Programmes zur Primetime. Offenbar "zog" das Thema Gewalt gegen Personen in öffentlichen Ämtern, die in Deutschland mittlerweile traurige Realität ist. Aber basierte der Fall im Film auf einer wahren Geschichte? Und was wollten Hauptdarstellerin und Filmemacher mit "Die Bürgermeisterin" erreichen?

Claudia Voss (Anna Schudt), ehrenamtliche Ortsbürgermeisterin einer kleinen Gemeinde, gerät ins Visier der rechten Szene. Das präzise beobachtete ZDF-Drama "Die Bürgermeisterin" erzählt vom Hass in der Gesellschaft sowie den Gefahren des öffentlichen Amts. (Bild: ZDF / Martin Rottenkolber)
Claudia Voss (Anna Schudt), ehrenamtliche Ortsbürgermeisterin einer kleinen Gemeinde, gerät ins Visier der rechten Szene. Das präzise beobachtete ZDF-Drama "Die Bürgermeisterin" erzählt vom Hass in der Gesellschaft sowie den Gefahren des öffentlichen Amts. (Bild: ZDF / Martin Rottenkolber)

Worum ging es im Film?

Claudia Voss (Anna Schudt) ist ehrenamtliche Ortsbürgermeisterin einer kleinen Gemeinde irgendwo in Deutschland. Der Job ist fordernd, denn jeder kennt Claudia im fiktiven Neustadt-Linden. Die Mutter einer Teenager-Tochter wird auf Schritt und Tritt angesprochen. Mal ist es "nur" ein Mülleimer, der abgerissen ist. Manchmal geht es aber auch um größere Themen, wie den geplanten Bau eines Heimes für Geflüchtete just in ihrem Stadtteil. Claudia will das Beste aus der Situation machen, doch die Pläne für die Gemeinschaftsunterkunft stoßen schnell auf Widerstand - der vom Unternehmer Veith Landauer (Alexander Beyer) angeführt wird.

Landauer, das wird bereits bei der ersten Sitzung des Ortsgemeinderates deutlich, vertritt klassische rechte Positionen und nutzt das Bauprojekt als Chance, in der Bevölkerung Stimmung zu erzeugen: persönliche Social-Media-Kampagnen unter der Gürtellinie, aufwiegelnde Reden auf dem zentralen Platz der Gemeinde, irgendwann auch "Spaziergänge" zum Haus der Bürgermeisterin. Das gesamte, auch aus der Realität bekannte Arsenal rechtspopulistischer Einschüchterungen wird aufgefahren, um Claudia und ihre Familie (Felix Klare als Ehemann, Jule Hermann als Tochter) zu bedrohen.

Kommunalpolitiker Veith Landauer (Alexander Beyer) wiegelt die Bürger von Neustadt-Linden gegen den Bau einer Geflüchtetenunterkunft in ihrer Gemeinde auf. (Bild: ZDF / Martin Rottenkolber)
Kommunalpolitiker Veith Landauer (Alexander Beyer) wiegelt die Bürger von Neustadt-Linden gegen den Bau einer Geflüchtetenunterkunft in ihrer Gemeinde auf. (Bild: ZDF / Martin Rottenkolber)

War diese Geschichte wahr?

Der Fall im Drehbuch des vielfach prämierten Autors Magnus Vattrodt ("Unterleuten - Das zerrissene Dorf") war fiktiv, aber in den geschilderten Bedrohungs-Szenarien von vielen wahren Fällen inspiriert. Mehr als jeder zweite Amtsträger in Deutschland erlebte in seiner Arbeit bereits verbale oder körperliche Gewalt. Dramaturgisch verschärfte Konflikte oder Szenarien musste Vattrodt nicht herbeischreiben, denn die Wirklichkeit ist bereits schlimm genug.

"Oft genug endet dies mit psychischen oder sogar körperlichen Schäden und dem Rückzug aus der politischen Arbeit", berichtet Vattrodt von der Beschädigung der Menschen hinter dem Amt. "Ein Fall, der genau diesem Muster folgt, ist der des zurückgetretenen Ortsbürgermeisters Markus Nierth, aber auch der Fall des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat diese Eskalationsstufen durchlaufen - bis hin zu seiner Ermordung." In der nachfolgenden Dokumentation "Engagiert und attackiert - Wenn Politiker zur Zielscheibe werden" (ZDF Mediathek) wurden solche wahren Fälle auch noch einmal dokumentiert.

Gerhard Zöllner (Uwe Preuss, links) war früher durchaus ambitioniert in der Kommunalpolitik unterwegs und sieht Claudia (Anna Schudt) als seine Nachfolgerin. Er möchte, dass sie fürs Bürgermeisterinnen-Amt kandidiert. Ehemann Peter (Felix Klare) sieht dies eher skeptisch. (Bild: ZDF / Martin Valentin Menke)
Gerhard Zöllner (Uwe Preuss, links) war früher durchaus ambitioniert in der Kommunalpolitik unterwegs und sieht Claudia (Anna Schudt) als seine Nachfolgerin. Er möchte, dass sie fürs Bürgermeisterinnen-Amt kandidiert. Ehemann Peter (Felix Klare) sieht dies eher skeptisch. (Bild: ZDF / Martin Valentin Menke)

Wie eskaliert der Fall der Bürgermeisterin im Film?

Bald muss das Haus der Familie Voss unter Polizeischutz gestellt werden. Der Geburtstag von Tochter Leonie findet in Anwesenheit von Personenschützern statt. Claudia, eine überzeugte Demokratin, sucht den Dialog mit den Rechten, doch die lassen Claudia in Person ihres Anführers knallhart auflaufen. Auf beängstigende Weise wird klar: Diese Menschen wollen keinen Ausgleich, keinen Kompromiss, keinen Dialog. Sie wollen die demokratische Gesellschaft kaputtmachen.

Während Claudia zur öffentlichen Zielscheibe wird, gerät ihre Kleinfamilie auch im Inneren unter Druck. Die Ehrenamtliche muss sich vor Mann und Tochter erklären, warum sie sich überhaupt noch politisch engagiert. Was nützt das Ganze, wenn man dadurch nicht mehr zufrieden und sicher in seiner Heimat leben kann? Regisseurin Christiane Balthasar hat sich bewusst für eine unprätentiöse, eher nüchterne Verfilmung eines gesellschaftlichen Phänomens entschieden - ihr Film wirkt deshalb umso realistischer und beklemmender.

Tochter Leonie (Jule Hermann, zweite von links) hat Geburtstag. Ihre Eltern Peter (Felix Klare, links) und Claudia (Anna Schudt) gratulieren. Auch der Personenschutz muss anwesend sein - zwei Polizisten sorgen für Wunderkerze und Ständchen. (Bild: ZDF / Martin Valentin Menke)
Tochter Leonie (Jule Hermann, zweite von links) hat Geburtstag. Ihre Eltern Peter (Felix Klare, links) und Claudia (Anna Schudt) gratulieren. Auch der Personenschutz muss anwesend sein - zwei Polizisten sorgen für Wunderkerze und Ständchen. (Bild: ZDF / Martin Valentin Menke)

Wie hat sich Anna Schudt auf die Rolle vorbereitet?

Im Interview mit der Agentur teleschau beschreibt Anna Schudt, dass ihr bei der Vorbereitung auf die Rolle das Buch "Brandgefährlich" von Markus Nierth sehr geholfen hat. Der frühere Ortsbürgermeister von Tröglitz in Sachsen-Anhalt trat 2015 zurück, weil er sich von der NPD bedroht fühlte. Darüber hat er ein sehr persönliches, auch von Kritikern gelobtes Buch geschrieben.

Über den Grund für das Phänomen der Gewalt gegen Politiker und Amtsinhaber sagt Anna Schudt im Interview: "Ich glaube, wir haben mittlerweile ein Problem mit Gemeinschaft an sich. Kommunalpolitik spiegelt wider, wie unsere Gesellschaft in kleineren Gruppen funktioniert oder funktionieren sollte. Jeder sollte ein bisschen was zur Gemeinschaft beitragen, und ein gewählter Vertreter oder ein Gremium bestimmt. Das ist die Idee von Demokratie. Was wir heute aber vorfinden, ist ein Denken im Sinne von "die" und "wir". Dann funktioniert es nicht mehr."

Tochter Leonie (Jule Hermann, links) wird 16 Jahre alt, doch der Geburtstagsausflug von Mutter und Tochter endet in Panik: Claudia (Anna Schudt) und Leonie müssen fliehen, als auf der anderen Seeseite eine Gruppe von jungen Männern hinter ihnen her zu sein scheint. (Bild: ZDF / Martin Valentin Menke)
Tochter Leonie (Jule Hermann, links) wird 16 Jahre alt, doch der Geburtstagsausflug von Mutter und Tochter endet in Panik: Claudia (Anna Schudt) und Leonie müssen fliehen, als auf der anderen Seeseite eine Gruppe von jungen Männern hinter ihnen her zu sein scheint. (Bild: ZDF / Martin Valentin Menke)