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Lage in den Katastrophengebieten bleibt angespannt

In Gemünd in Nordrhein-Westfalen wird Schutt aus den Häusern geräumt.
In Gemünd in Nordrhein-Westfalen wird Schutt aus den Häusern geräumt.

Nach der Flutkatastrophe in der vergangenen Woche laufen in den betroffenen Regionen in Westdeutschland die Aufräumarbeiten. Nun könnte es in NRW und Rheinland-Pfalz erneut heftig regnen.

Berlin (dpa) - Nach der Flutkatastrophe drohen den Menschen im Westen Deutschlands erneut Gewitter und Starkregen - wenn auch regional begrenzt. Helfer und Helferinnen wappneten sich für die möglichen Unwetter.

Unterdessen sind die Rettungs- und Aufräummaßnahmen weiter in vollem Gange, auch wenn sie sich teils sehr schwierig gestalten. Die Deutsche Bahn zieht eine erste Bilanz über die Schäden.

Der Deutsche Wetterdienst rechnet am Samstag in den Hochwasser-Katastrophengebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz erneut mit Gewittern. Allerdings bleibe die Regenmenge wohl meist unterhalb der Warnschwelle, wie der Wetterdienst (DWD) am Freitag berichtete. Für präzisere Aussagen über betroffene Orte und die Intensität sei es noch zu früh.

Klar ist: In der Südwesthälfte kann es zu Schauern und Gewittern kommen, «die auch Unwetterpotenzial haben», wie Martin Jonas aus der Wettervorhersagezentrale in Offenbach sagte. Auch die vom Hochwasser verwüsteten Gebiete könnten erneut betroffen sein. Es gelte, die Situation «weder zu verharmlosen noch zu dramatisieren.» Für die Katastrophenregionen seien «zwei Aussagen von zentraler Bedeutung: Es werden in der Region Gewitter auftreten - aber nicht überall».

Zwar hätten die Gewitter bezüglich Starkregens Unwetterpotenzial, «aber Regenmengen bis in den Unwetterbereich werden allenfalls regional eng begrenzt auftreten - meist handelt es sich um nicht warnwürdige Niederschlagsmengen.» Heftiger als im Westen könnte es in Bayern werden. Lokal könnten Sturmböen und Hagel dabei sein. In Baden-Württemberg müssen sich die Menschen ebenfalls auf Unwetter mit heftigem Starkregen einstellen.

Vorige Woche hatte ein solches Unwetter eine verheerende Flut in Rheinland-Pfalz und NRW ausgelöst. Bei der Hochwasserkatastrophe kamen mindestens 179 Menschen ums Leben. Einige Gegenden sind immer noch ohne Strom und Trinkwasser.

In den betroffenen Regionen in Rheinland-Pfalz und NRW bereitete man sich auf die Situation am Wochenende vor. Per Erlass des NRW-Innenministeriums würden die Leitstellen von Feuerwehr und Polizei nochmals besonders für die Wetterlage sensibilisiert, teilte ein Ministeriumssprecher der Deutschen Presse-Agentur mit. Die Behörden seien gebeten, die lokale Wetterentwicklung aufmerksam zu beobachten, um passgenau auf mögliche Gefahren reagieren zu können. Mit dem DWD seien Telefonkonferenzen vereinbart.

Die Feuerwehr der Stadt Hagen in NRW gab am Freitag nach Angaben einer Stadtsprecherin erste Informationen über die Warn-App NINA an die Bevölkerung. Feuerwehr und Krisenstab seien in erhöhter Alarmbereitschaft, sagte eine Sprecherin.

Das Umweltministerium von NRW unterstützt die von Unwetter betroffenen Kommunen und Krisenstäbe bei der Organisation der Abfallentsorgung. Dazu sei jetzt eine eigene Koordinierungsstelle eingerichtet worden, hieß es. Das Bundesamt für Güterverkehr in Köln entschied, Lastwagen mit Sachspenden für die Hochwassergebiete unter bestimmten Bedingungen von der Lkw-Maut zu befreien.

Im Eifelkreis Bitburg-Prüm in Rheinland-Pfalz traf der Katastrophenschutz nach Angaben der Kreisverwaltung in Abstimmung mit den Feuerwehren Vorkehrungen, insbesondere wurden Sandsäcke vorbereitet. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, sich über «zuverlässige Quellen» in Radio, Fernsehen und Internet oder entsprechende Warn-Apps auf dem Laufenden zu halten.

Im Ahrtal bestehe den Vorhersagen nach «keine richtige Hochwassergefahr», sagte der Leiter des Krisenstabes, Thomas Linnertz. Es könne aber sein, dass wegen erwarteter lokal begrenzter Starkregenereignisse ab Samstagnachmittag in manchen Gebieten die Menschen aufgefordert werden müssten, ihre Häuser zu verlassen, sagte Linnertz. Denn es gebe ein Problem mit dem Oberflächenwasser, das wegen zerstörter oder verstopfter Kanäle möglicherweise dann nicht abfließen könne. Man versuche, noch Teile freizubekommen.

Die genauen Bereiche, wo das Oberflächenwasser zum Problem werden könne, sollten noch am Freitag definiert werden. Die Bevölkerung solle dann in den wohl «sehr begrenzten Gebieten» mit Lautsprecherdurchsagen gewarnt werden. Es wurde eine weitere Notunterkunft vorbereitet. Der Transport mit Bussen sei vorgeplant. Die Versorgung der Bevölkerung hat sich nach Angaben des Krisenstabes unterdessen weiter stabilisiert.

Als Zeichen der Solidarität und im Gedenken an die Opfer der Flutkatastrophe sollten am Freitagabend (18.00 Uhr) bundesweit in vielen Kirchen die Glocken läuten. Die evangelischen Landeskirchen haben gemeinsam mit katholischen Bistümern zum Geläut mit anschließender Andacht aufgerufen.

Rund 500 Teilnehmer und Teilnehmerinnen gingen in Hamburg zu einer Solidaritätsdemonstration der Klimabewegung Fridays for Future auf die Straße, darunter auch Klima-Aktivistin Luisa Neubauer. Die Bewegung forderte mehr Entschlossenheit im Kampf gegen die Klimakrise ein und gedachte gleichzeitig der Opfer der Fluten. Zudem wurden Spenden für die Betroffenen des Hochwassers gesammelt.

Das Deutsche Psychotherapeuten-Netzwerk (DPNW) stellt 100 Therapieplätze für die Akutbehandlung von Betroffenen der Flutkatastrophe zur Verfügung. «Wir rechnen mit einer Welle traumatisierter Menschen», teilte der Vorsitzende Dieter Adler mit. «Diese wird kommen, wenn das Adrenalin gesunken ist und die Betroffenen sich der mittelbaren Schäden bewusst werden.»

Die Deutsche Bahn zeigte sich am Freitag zuversichtlich, dass bis Ende des Jahres die größten Schäden in den von der Flutkatastrophe betroffenen Gebieten behoben werden können und der Verkehr wieder weitgehend normal läuft. In manchen Regionen, vor allem in Rheinland-Pfalz, könnte es hingegen länger dauern. Die Bahn schätzt die Schäden an Strecken, Bahnhöfen und Fahrzeugen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen auf insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro. 600 Kilometer Gleise seien betroffen sowie 50 Brücken und Dutzende Stationen und Haltepunkte.