Goldene Palme für eine "Aufmüpfige" und einen wahrhaft europäischen Film

Zwei Jahre nach Julia Ducournau für "Titane" geht die Goldene Palme erneut an eine französische Filmemacherin, Justine Triet.

Ihr Drama "Anatomie eines Falls" erkundet die Abgründe eines Paares. Dabei spielt ein großer Teil der Handlung vor Gericht. Die Ehefrau, gespielt von der Deutschen Sandra Hüller, wird beschuldigt ihren Gatten ermordet zu haben.

"Die Sprache war ein sehr wichtiges Thema und stand im Mittelpunkt des Projekts."

Doch eindeutig ist der Fall nicht und Zeugen gibt es keine. Vor Gericht werden sogar Sandras Romane als Beweismittel angeführt. In den Medien wird der Fall seziert. Das Paar hat einen blinden Jungen, der zur Zeit des Vorfalls mutmaßlich außer Haus war. Auch er muss vor Gericht erscheinen und seine eigene Version der Geschehnisse präsentieren.

Das Ganze übrigens auf drei Sprachen: Englisch, Französisch und Deutsch. "Von Anfang an war die Sprache ein sehr wichtiges Thema und stand im Mittelpunkt des Projekts", erklärt Justine Triet. "Und es stimmt, es war auch sehr schön, das gemeinsam zu erleben."

Sandra Hüller, "extrem offen für alles"

Über ihre Hauptdarstellerin sagt Triet: "Sie ist extrem offen für alles, was am Set passiert." Man habe nicht viel proben müssen. Sandra Hüller schaffe es, so zugänglich offen zu sein.

Hüller selbst spricht lieber von Teamarbeit. "Es ist immer besser zusammenzuarbeiten, als dass eine Person die Entscheidung trifft und den anderen sagt, was sie tun sollen. Eben das tut sie nicht, sondern sie diskutiert wirklich mit allen und versucht, gemeinsam das Richtige zu finden. Und das macht es so freudvoll und erfüllend."

Hüller spielt eine undurchsichtige Frau, die die Zuschauer bis zum Schluss über ihre Beweggründe rätseln lässt.

Der Film analysiert wortwörtlich den tödlichen Sturz eines Mannes, um herauszufinden, ob es sich um einen Unfall handelt oder nicht. Der Prozess vor Gericht wird zeigen, dass die Wahrheit oft weit vom Schein entfernt liegt.

Euronews-Reporter Fred Ponsard sagt: "Obwohl der Film zu den Favoriten gehörte, hat die Jury doch eine gewagte Wahl getroffen und eine junge französische Regisseurin für einen zutiefst europäischen Film geehrt. Mit einer sehr engagierten politischen Aussage verteidigt Justine Triet auch die Idee eines bestimmten Kinos, das der Autoren und der Differenz."