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Grüne Jugendorganisation kritisiert den Koalitionsvertrag, darum raten sie den Mitgliedern trotzdem zur Zustimmung

Die beiden Bundessprecher der Grünen Jugend, Sarah-Lee Heinrich und Timon Dzienus, nehmen an der Delegiertenkonferenz in Berlin teil. Die Grüne Jugend will eine Empfehlung für ihre Mitglieder für die Grünen-Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag verabschieden.
Die beiden Bundessprecher der Grünen Jugend, Sarah-Lee Heinrich und Timon Dzienus, nehmen an der Delegiertenkonferenz in Berlin teil. Die Grüne Jugend will eine Empfehlung für ihre Mitglieder für die Grünen-Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag verabschieden.

Trotz Vorbehalten insbesondere in der Sozial- und Klimapolitik empfiehlt die Grüne Jugend (GJ) ihren Mitgliedern die Zustimmung zum Koalitionsvertrag mit SPD und FDP. "Ampel-Euphorie gibt es bei uns nicht. Niemand steht hier mit ampelfarbenen Konfetti-Kanonen", sagte Grüne-Jugend-Chef Timon Dzienus am Samstag in Berlin bei einer Konferenz der Grünen-Nachwuchsorganisation mit etwa 50 Delegierten aus den Ländern. Er betonte aber auch: "Dieser Koalitionsvertrag eröffnet ein erstes Fenster für Verbesserungen."

In den vergangenen Tagen hatten die beiden Bundessprecher der GJ intensive Kritik an dem 177-seitigen Dokument geäußert. Doch letztendlich nahm der sogenannte Länderrat der Nachwuchspolitiker am Samstag einen Dringlichkeitsantrag des Vorstands mit kleineren Änderungen und großer Mehrheit an. "Wir als Grüne Jugend werden uns nicht gegen den Koalitionsvertrag stellen und empfehlen deswegen unseren Mitgliedern die Zustimmung zum Koalitionsvertrag. Davon bleibt unberührt, dass jedes Mitglied eine freie und selbstbestimmte Entscheidung unter Beachtung der erfolgten Auswertung treffen kann", heißt es dort.

Diese Stoßrichtung der jungen Grünen hatte Bundessprecherin Sarah-Lee Heinrich im Gespräch mit Business Insider bereits angedeutet. Sie warb trotz Vorbehalten für Zustimmung zu den Vereinbarungen mit SPD und FDP. "In diesem Koalitionsvertrag gibt es deutliche Verbesserungen in fast jedem Bereich", sagte sie. Dennoch mahnte sie: "Dieser Vertrag wird den gesellschaftlichen Notwendigkeiten nicht gerecht." Die sozialpolitischen Pläne der Ampel reichten nicht aus. Umso wichtiger sei es, gemeinsam mit Bewegungen und Verbänden weiter für linke Politik zu kämpfen. "Wir dürfen nicht in eine Schockstarre verfallen", appellierte Heinrich.

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Wenn sich herausstelle, dass die Fortschritte beim Klimaschutz nicht ausreichten, müsse die Ampel-Regierung nachbessern, sagte auch ihr Co-Sprecher Dzienus. "Das Pariser Klimaziel ist definitiv wichtiger als die Einhaltung des Koalitionsvertrags." Laut Pariser Klimaabkommen will die internationale Staatengemeinschaft die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter begrenzen.

"Wir müssen aus Scheiße Kompost machen."

Der Tenor bei den Delegierten, die für Redebeiträge ausgelost wurden, war ähnlich. Viel Lob gab es für gesellschaftliche Liberalisierungsprojekte, etwa im Abtreibungsrecht oder in der Gleichstellung queerer Familien. "Gesellschaftspolitisch fährt dieser Koalitionsvertrag auf der Überholspur Richtung Gegenwart", erklärte Kasimir Heldmann aus Berlin. Pia Scholten aus Niedersachsen sagte voraus: "Die Grünen haben vier massiv anstrengende Jahre vor der Brust." Die Fallhöhe sei hoch. "Aber wir wollen halt aus Scheiße Kompost machen."

125.000 Grünen-Mitglieder können in einer Urabstimmung noch bis zum 6. Dezember über den Koalitionsvertrag mit SPD und FDP entscheiden. Eine einfache Mehrheit genügt, ein Quorum gibt es nicht. Etwas mehr als zwei Drittel der rund 18.000 Mitglieder der Grünen Jugend, nämlich nach jüngsten Angaben 12.480, hat ein Parteibuch und darf also über den Ampelvertrag abstimmen. Damit machen Anhänger der Nachwuchsorganisation ungefähr ein Zehntel aller Grünen-Mitglieder aus. Die Möglichkeit, den Koalitionsvertrag zu verhindern, hätten die Nachwuchs-Grünen damit nicht.

mit dpa