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Grünenchef Habeck: Müssen erkennbare Machtoption schaffen

Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, im Juli in Rheinland-Pfalz. Foto: Andreas Arnold
Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, im Juli in Rheinland-Pfalz. Foto: Andreas Arnold

Eine große Verantwortung bürdet Parteichef Habeck seinen Grünen auf. Sie sollen entscheidend dazu beitragen, dass Gesellschaft und Politik nicht nach Rechts abdriften. Der SPD traut er das momentan nicht zu.

Kiel (dpa) - Knapp ein Jahr nach der Bundestagswahl stehen die Grünen nach Ansicht ihres Bundesvorsitzenden Robert Habeck vor einer strategischen Herausforderung: «Wir müssen das politische Spektrum in die liberale, demokratische Mitte zurückkämpfen.»

«Wir müssen eine erkennbare Machtoption schaffen, die nicht national oder antieuropäisch ist», sagte der scheidende schleswig-holsteinische Umweltminister der Deutschen Presse-Agentur in Kiel.

Für ein Jamaika-Bündnis mit Union und FDP sieht er derzeit keine Chance, da die CSU in ihrem jetzigen Zustand kein Koalitionspartner sein könne. «Mit Ansagen wie «Wir brauchen ein Germany first und weniger Europa» und «Wir wollen AfD-Politik selber machen» ist das ausgeschlossen.»

Er gehe derzeit aber auch davon aus, dass die Koalition aus Union und SPD bis 2021 durchhält, sagte Habeck. «Weil Ertrinkende sich aneinander klammern.» Bei Neuwahlen hätten die Koalitionsparteien so viel zu verlieren, dass sie diese vermeiden wollen.

Das anhaltende Umfragehoch für die Grünen ist für Habeck zuallererst einen Arbeitsauftrag. «Es geht darum, Vertrauen in die Politik neu zu begründen. Wir brauchen als Gesellschaft Kraft für die Veränderungen, die auf uns zukommen: Digitalisierung, Globalisierung, Klimakrise und wo weiter.»

Das Regierungsbündnis mit CDU und FDP im Norden und ein verantwortungsvolles Verhandeln über Jamaika im Bund habe den Grünen Zuspruch gebracht, sagte Habeck. Offenkundig gebe es in der Bevölkerung nicht mehr die Erwartung, man müsse im eigenen Lager handeln oder man handle falsch. «Es gibt zwar eine inhaltliche Nähe zur SPD», sagte Habeck. Aber vor allem sei es Aufgabe der Grünen, für eine progressive, liberale und ökologische Politik Mehrheiten herzustellen. «Und wenn es mit der SPD nicht reicht, oder die SPD nicht Teil davon sein kann oder will, dann muss es eben anders gehen.»

Er habe hohen Respekt davor, dass die SPD nach den vielen Jahren große Koalition nicht wieder in die Regierung wollte und auch davor, dass sie es nach dem Scheitern von Jamaika dann doch tat, sagte Habeck. «Aber die Aufgabe besteht jetzt darin, eine neue Leidenschaft für eine offene, mutige, inklusive Gesellschaft zu entfachen, die sich Wandlungsprozesse zutraut, sich nicht verschanzt, Leute einbezieht und ihnen Anerkennung gibt.» Da sehe er im Moment einfach nicht, wie die SPD diese Leidenschaft aufbringen könne.» Das sei die Aufgabe der Grünen.

Politischer Hauptgegner seiner Partei sei ganz klar die AfD, sagte er. Eine große Schwäche der Volksparteien könne sich eigentlich keiner wünschen. «Wir brauchen eine starke Sozialdemokratie, und wir brauchen eine sortierte konservative Kraft, die sich klar in der Mitte vom Nationalismus abgrenzt. Aber die meisten Parteien wirken gerade sehr unsortiert.» Das liege im Kern an einer Achsenverschiebung in der politischen Debatte: «Im Mittelpunkt steht jetzt weniger die Frage wie wirtschaftsliberal und wie sozial Politik ist, sondern wie proeuropäisch, wie nationalistisch, wie liberal oder autoritär.» Das zerreiße fast alle Parteien. «Man sieht es bei der Linken, bei SPD und Union, und die FDP eiert da auch.»

Deswegen formiere sich das Parteiensystem gerade neu, sagte Habeck. Deutschland erlebe eine Prüfung seiner Demokratie. «Welche Parteien am Ende wo stehen werden, das weiß jetzt noch niemand. Aber es gilt jetzt, mit aller politischen Kraft dafür zu kämpfen, dass die Prinzipien dieser Republik diese Phase überstehen.»