Grüner Wasserstoff bei Politik beliebt - bei Investoren weniger
(Bloomberg) -- Europas Ausstiegspläne aus fossilen Energieträgern basieren auf der als saubere Alternative geförderten Wasserstoff-Technik. In den vergangenen Jahren wurden von den Regierungen hunderte Projekte ins Leben gerufen. Laut von Bloomberg New Energy Finance zusammengestellten Daten steht indessen bei nur 7% davon die Finanzierung, so dass die Umsetzung beginnen kann. Dies verdeutlicht die vorherrschende Skepsis hinsichtlich der Fähigkeit, große Mengen Wasserstoff wirtschaftlich zu produzieren.
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Zur Herstellung des Gases wird Wasser mit Hilfe von Strom gespalten. Der entstehende Wasserstoff kann zur Energieerzeugung genutzt werden, ohne dass Kohlendioxid freigesetzt wird. Dabei setzt die Politik darauf, das bestehende Gasleitungsnetz auf den Energieträger umzurüsten, um so ressourcensparend die Energiewende für die Heizung von Wohnungen auf den Weg zu bringen.
“Der derzeitige Hype um den Wasserstoffsektor ist groß”, erklärt Adithya Bhashyam, Wasserstoffanalyst bei BloombergNEF. “Es gibt viele Projektankündigungen, aber nur sehr wenig wird tatsächlich gebaut.”
Energieunternehmen sehen bislang nicht annähernd genug geeignete Infrastruktur, um Wasserstoff als Brennstoff für Kraftwerke zu nutzen oder ihn zu den Endverbrauchern zu transportieren — was die Planung von Investitionen in großem Maßstab erschwert. Selbst die Hunderte von vorgeschlagenen Projekten indessen reichen nur aus, um etwa 3,5% des für 2030 prognostizierten Energiebedarfs der Europäischen Union zu decken.
Wasserstoff soll fossile Brennstoffe dort ersetzen, wo erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie nicht geeignet sind, etwa weil sich bestimmte industrielle Prozesse nicht ohne weiteres elektrifizieren lassen. Ein weiterer Vorteil von Wasserstoff besteht darin, dass man durch seine Produktion überschüssigen Strom aus Windkraftanlagen auf dem Meer und Solarparks in fernen Wüsten für eine spätere Nutzung speichern kann.
Großbritanniens Energieminister Grant Shapps gab das Ziel aus, bis 2030 so viel Wasserstoff zu produzieren, dass London ein Jahr lang mit Strom versorgt werden kann. Die Unternehmen des europäischen Energiesektors indessen sind der Meinung, dass eine derart rasche Expansion mehr Klarheit bei den Rechtsvorschriften erfordert — sowie staatliche Finanzierung.
Die gesetzgeberischen Details seien noch nicht klar, sagt Marco Alvera, Chef des belgischen Wasserstoffprojekt-Spezialisten Tree Energy Solutions. Seiner Meinung nach sollten die Behörden die Herstellung von Elektrolyseanlagen unterstützen und Verträge abschließen, die Anreize für den Einsatz erneuerbarer Energien zu deren Betrieb schaffen.
Einige Fördermaßnahmen laufen bereits, darunter ein 3 Milliarden Euro schweres Investitionsinstrument für den Aufbau eines Zukunftsmarkts für Wasserstoff. Die EU-Vorschriften für die Produktion werden jedoch erst 2028 vollständig in Kraft treten.
Ein weiteres Problem ist das frühe Entwicklungsstadium der Technologie. Selbst der Versorger EnBW Energie Baden-Württemberg AG, bei dem die Pläne für die Umstellung von Gaskraftwerken auf Wasserstoff hierzulande am Weitesten fortgeschritten sind, hat immer noch Zweifel an den Aussichten.
“Es gibt noch viel zu lernen und es wird noch eine Weile dauern, bis wir hier wirklich über Wirtschaftlichkeit sprechen können”, erklärte EnBW-Finanzvorstand Thomas Kusterer unlängst in einer Telefonkonferenz mit Analysten.
Einige Gasnetze können zum Transport von Wasserstoff genutzt werden. Viele der bestehenden Rohrsysteme sind dafür jedoch nicht dicht genug, zumal das Gas extrem explosiv ist. EnBW könnte seine Gaskraftwerke nach eigenen Angaben zwar zu 75% mit Wasserstoff betreiben. Das derzeitige Leitungsnetz in Deutschland kann laut Kusterer jedoch nur 20% transportieren.
Die EU-Pläne, bis 2030 10 Millionen Tonnen Wasserstoff sowohl zu produzieren als auch zu importieren, erscheinen bislang als entfernte Vision.
Politisches Gerangel verzögert Fortschritte bei einer milliardenschweren Pipeline, die Wasserstoff von Barcelona über Marseille nach Berlin pumpen soll. Indessen dürfte sich auch die Umrüstung von Flüssigerdgas-Terminals — wie den zuletzt in Rekordtempo in Deutschland errichteten — für die Einfuhr per Schiff als kostspielig erweisen.
Sorgen bereitet den Unternehmen zudem die Frage, wer den Wasserstoff letztlich kaufen wird.
“Es hat keinen Sinn, riesige Mengen Wasserstoff zu produzieren, wenn es keine Abnehmer gibt, die bereit sind, den Wasserstoff tatsächlich zu nutzen”, sagte Brett Ryan, Leiter der Abteilung Politik und Analyse beim Branchenverband Hydrogen UK.
Überschrift des Artikels im Original:Europe’s Hydrogen Push is Failing to Attract Investor Cash
--Mit Hilfe von Will Mathis.
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