Grimmwelt in Kassel wird eröffnet

Die farbig angemalten Wurzeln hat Ai Weiwei exklusiv für die Grimmwelt geschaffen. Foto: Swen Pförtner

Einen ersten Eindruck vom Umfang des Werkes der Brüder Grimm bekommen die Besucher schon im Eingangsfoyer: In grünen Lettern auf schwarzem Grund strahlt bei der neuen Grimmwelt in Kassel ein Projektor einige der insgesamt 318 000 Einträge des Deutschen Wörterbuches von Jacob und Wilhelm Grimm auf eine Wand.

Jeder Begriff ist nur kurz zu sehen - dennoch dauert es dem Künstler Ecke Bonk zufolge gut 100 Tage, bis alle Wörter in alphabetischer Reihenfolge über die Wand geflimmert sind.

Die Projektion ist Teil von Bonks Installation «Buch der Wörter/book of words: random reading», die 2002 auf der Weltkunstausstellung documenta zu sehen war und nun ihren Platz in dem Neubau auf dem Kasseler Weinberg gefunden hat.

Die Grimmwelt-Kuratorinnen Annemarie Hürlimann und Nicola Lepp haben sich ebenfalls vom Wörterbuch des berühmten Bruderpaars inspirieren lassen. Über jedem der 26 Ausstellungsräume prangt ein in Neonlicht leuchtender Buchstabe, der wiederum für einen Bucheintrag steht - von A wie Ärschlein bis Z wie Zettel. Unter F wie «Froteufel» - dem letzten Eintrag, den Jacob Grimm vor seinem Tod vollendete - erfährt der Besucher alles über die Entstehungsgeschichte des Wörterbuches. Bei J wie «Ja-Wort» ist ein Puppen-Theaterstück zu sehen, das die Situation im Haushalt der heiratsunwilligen Grimms parodiert.

Die Verantwortlichen setzen gezielt auf unterschiedliche Medien und Exponate: Original-Dokumente und ein Schrank aus dem Nachlass der Grimms sind ebenso zu sehen wie weitere Werke von documenta-Künstlern; darunter auch ein exklusiv gefertigtes Werk des chinesischen Künstlers Ai Weiwei: Fünf riesige, farbig angemalte Wurzeln mit dem Titel «Colored Roots 2009-2015». Ein Höhepunkt ist auch eine originale Handausgabe der Grimmschen «Kinder- und Hausmärchen», die zum Unesco-Weltdokumentenerbe gehört.

Ein Dornenwald aus grünen Kunststoffwalzen und die dazugehörige Soundinstallation lädt Kinder zum Verirren und Lauschen ein. Ein Spiegel beantwortet dem Betrachter die Frage: «Wer ist die Schönste im ganzen Land?».

«Die Grimms waren einerseits Märchensammler und andererseits akribische Wissenschaftler. Die Grimmwelt soll den Besuchern die Vielschichtigkeit ihres Werkes nahebringen», sagt Geschäftsführerin Susanne Völker. Besucher «können sich in zauberhafte Märchenwelten begeben, in die Welt der Sprache eintauchen und anhand wertvoller Objekte, interaktiver Angebote und vielfältiger Kunstwerke die gesamte Bandbreite des Grimmschen Schaffens erleben». Wilhelm und Jacob Grimm lebten mit Unterbrechungen zwischen 1798 und 1841 in Kassel. Dort sammelten sie Kinder- und Hausmärchen und begannen die Arbeit an ihrem Wörterbuch.

Der insgesamt 20 Millionen Euro teure Neubau entstand mitten in einem beliebten Kasseler Park. Die Bürger sollten nicht das Gefühl haben, dass ihnen ein Stück davon weggenommen wird, sagt Architekt Kilian Kalda. Das begehbare Dach, von dem Besucher über die Stadt blicken können, sei daher zentraler Bestandteil des Entwurfs.

Die insgesamt 1600 Quadratmeter Ausstellungsfläche stehen maximal 400 Besuchern gleichzeitig offen. Tickets zur Eröffnung werden deshalb verlost. Pro Jahr werden dann 80 000 Besucher erwartet. Eine ambitionierte aber machbare Zahl, meint Stadtsprecherin Petra Bohnenkamp.

Grimmwelt Kassel