Neuers Wettlauf gegen die Zeit: Reicht es noch für die WM?

Manuel Neuer bestritt in dieser Saison nur vier Pflichtspiele

Am 15. Mai schlägt die Stunde der Wahrheit.

Gerade einmal acht Wochen sind es noch, bis Joachim Löw seinen vorläufigen WM-Kader bekanntgibt, knapp drei Wochen später muss das endgültige 23er-Aufgebot bei der FIFA gemeldet werden.

Bekommt 2014er-Held Mario Götze einen Platz? Verspielt Sebastian Rudy als Bayern-Reservist seine Chance? Und vor allem: Ist Manuel Neuer bis dahin so fit, dass Löw fest mit ihm plant?

Am Freitag (ab 20.15 Uhr im LIVETICKER) gegen Spanien und am kommenden Dienstag (ab 20.15 Uhr im LIVETICKER) gegen Brasilien stehen für das DFB-Team die letzten Länderspiele vor der Kadernominierung an.

Neuer Anfang April im Training?

Ohne Neuer. Schlimmer noch: Die etatmäßige Nummer eins hat seit dem Mittelfußbruch im September noch nicht einmal ein Mannschaftstraining beim FC Bayern absolviert.

Die Frage wird also immer drängender: Wird Neuer rechtzeitig zur WM in Russland fit?

"Er macht weiter sein Fitnessprogramm und ist jetzt bei 80 Prozent. Man wird sehen, ob er Anfang April auf dem Trainingsplatz steht", sagte Bayern-Coach Jupp Heynckes vor zehn Tagen.

Ist das nun Grund zur Hoffnung? Oder neuer Anlass zur Sorge?

Schwer zu sagen - aber nach Plan lief bei Neuers Verletzung bisher so gut wie nichts.

Rummenigge, Löw und Ulreich irren

"Manuel wird uns im Januar in alter Stärke wieder zur Verfügung stehen", hatte Bayerns Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge unmittelbar nach der Verletzung im September gesagt.

Kurz vor Weihnachten meinte Löw bei B5 aktuell: "Der Plan ist, dass er irgendwann im Februar, März wieder vollumfänglich trainieren kann."

Und Mitte Januar prophezeite Vertreter Sven Ulreich, es werde "natürlich noch zwei, drei Wochen dauern, bis er dann wirklich wieder auf dem Platz richtig trainieren kann".

Keine einzige dieser Prognosen stellte sich als zutreffend heraus.

Ulreich: Neuer "macht große Fortschritte"

Insofern scheint es äußerst fraglich, ob Neuer wie zwischenzeitlich angedacht schon im Champions-League-Viertelfinale gegen den FC Sevilla am 3. und 11. April zwischen den Pfosten stehen kann.

"Das weiß ich jetzt auch noch nicht. Da müssen wir die nächsten zwei, drei Wochen abwarten, wie es mit Manu weitergeht", sagte Ulreich vergangene Woche zu SPORT1, betonte aber: "Er macht große Fortschritte."

Die sah Neuer selbst schon Ende Januar, als er bei fcb.tv erklärte, er habe "keine Schmerzen" und sei "auf einem sehr guten Weg. Ich bin guter Dinge und weiß, dass ich in der Rückrunde auf jeden Fall noch spielen werde."

Der letzte Bundesliga-Spieltag steigt für die Münchner am 12. Mai gegen Stuttgart, ein mögliches Pokalfinale wäre am 19. Mai, das Champions-League-Finale noch eine Woche später.

Und zwischendrin fällt Löw die Entscheidung über seinen WM-Kader.

Ter Stegen überzeugt beim FC Barcelona

Zur Erinnerung: 2014 ging Neuer ebenfalls angeschlagen in die Vorbereitung auf das Turnier in Brasilien, nachdem er sich im Pokalfinale gegen Dortmund an der Schulter verletzt hatte.

Der kleine, aber feine Unterschied: Damals hatte er vorher eine komplette Saison absolviert. In dieser Spielzeit stehen für den 31-Jährigen nur vier Pflichtspiele zu Buche, das letzte davon Mitte September.

Und - bei allem Respekt: 2014 hießen die ersten Alternativen als Nummer eins im deutschen WM-Tor Roman Weidenfeller und Ron-Robert Zieler.

Diesmal aber lauert hinter Neuer ein bärenstarker Marc-Andre ter Stegen mit der Empfehlung als unumstrittener Stammtorhüter beim großen FC Barcelona.

Löw betont Bedeutung von Neuer

"Die Konkurrenz schläft nicht", sagte Ex-Nationalkeeper Oliver Kahn daher schon Anfang Dezember: "Das sieht man am Beispiel Marc-Andre ter Stegen, der auch problemlos eine Weltmeisterschaft für Deutschland spielen kann."

Kann er es nur oder sollte er es nicht sogar?

Selbst wenn Neuer-Berater Thomas Kroth kürzlich bei SPORT1 betonte, es gebe "keinen Grund zur Sorge", bleibt die Frage, auf welchem Fitnesslevel und mit wie viel Spielpraxis der Bayern-Keeper zur WM kommen könnte.

"Wir werden dem Manu natürlich alle Möglichkeiten offen halten", sagte Bundestrainer Löw schon Ende des vergangenen Jahres. Neuer sei "der beste Torhüter der Welt, unser Kapitän, und mit seiner Ausstrahlung brauchen wir ihn unbedingt".

Vorläufige Nominierung am 15. Mai

Dass er bis zur letzten Minute auf verdiente Führungsspieler wartet, zeigte Löw schon vor dem Titelgewinn 2014: Damals nominierte er Sami Khedira für das Turnier in Brasilien, obwohl dieser nach einem Kreuzbandriss bis zur Bekanntgabe des vorläufigen Kaders noch kein einziges Pflichtspiel absolviert hatte.

Im Fall Neuer droht nun ein ähnliches Szenario - in dem Löw dank ter Stegen aber mehr als nur eine Notlösung in der Hinterhand hat.

Wie sich das auf Neuers Chancen auswirkt, zur WM zu fahren? Und auf seine Aussichten, dort die uneingeschränkte Nummer eins zu sein?

Am 15. Mai schlägt die Stunde der Wahrheit.