Großer Überblick - Volkswagen in der Klemme - was das für Kunden, Mitarbeiter, Städte bedeutet
Das Herz der deutschen Wirtschaft schlägt nicht mehr mit der gewohnten Kraft. Volkswagen steckt tief in der Krise. Die Umsätze brechen weg, der Konzern will sparen. Dazu sollen Stellen wegfallen und Werke schließen. FOCUS online sagt, was das für Kunden, Mitarbeiter und Städte bedeutet.
Volkswagen beschäftigt in Deutschland rund 300.000 Mitarbeitende und betreibt zehn Werke, davon sechs in Niedersachsen, drei in Sachsen und eines in Hessen. Die mögliche Schließung von Standorten stellt eine erhebliche Gefahr für die deutsche Industrielandschaft dar. Darüber hinaus sind auch Lohn- und Gehaltskürzungen geplant.
Daniela Cavallo, Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats bei Volkswagen könnten die betroffenen Regionen durch diese Maßnahmen stark in Mitleidenschaft gezogen werden und wirtschaftlich „ausbluten“. Doch was genau droht Mitarbeiter, Kunden und auch Städte von dem Kahlschlag?
Wie viele Werke will Volkswagen schließen?
Der Konzern plant, drei Werke zu schließen , doch nach den Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat könnten es am Ende nur zwei sein. Diese Taktik ist ein gängiges Mittel von Arbeitgebern, um sich in Verhandlungen Flexibilität zu verschaffen.
Besonders betroffen sind die Standorte in Emden und Osnabrück, die von Cavallo als besonders gefährdet eingestuft wurden. Der Grund dafür liegt in den anhaltenden Produktionsproblemen an beiden Standorten, wo es wiederholt zu Kurzarbeit und Entlassungen kam.
Ein langjähriger Fließbandangestellter aus dem Hauptwerk in Wolfsburg: „Sie werden unser Werk nicht schließen, aber vielen kündigen. Das macht mir Sorgen.“ Erst vor zwei Jahren hatte er ein Einfamilienhaus gekauft. „Was passiert, wenn ich die Rate nicht mehr zahlen kann?“
Die schlechte Stimmung könnte zu einem hohen Krankenstand führen, der über mehrere Wochen und Monate anhalten könnte. Er könnte für Werksleiter zum Problem werden.
FOCUS online rät: Fühlen sich Mitarbeiter unsicher oder unter Druck, ist es ratsam sich Hilfe zu holen. Viele Betriebe haben einen psychologischen Dienst. Außerdem kann auch die Telefonseelsorge unter der Rufnummer 0800 1110111 oder 0800 1110222 helfen.
„Es ist wichtig, dass man da eine Gegenstabilität sucht“, sagt Wirtschaftspsychologe Andreas Hemsing. Wenn es im Job nicht läuft, helfen Erfolgserlebnisse neben der Arbeit. Darunter etwa beim Sport oder mit Freunden und Familie. Auch ein Hobby kann helfen, so Hemsing.
Wie verteilen sich die Mitarbeiter von Volkswagen?
Grundsätzlich gilt: Die Stimmung bei der Belegschaft an allen Standorten von Volkswagen ist schlecht.
Die Beschäftigten in Deutschland verteilen sich in Deutschland wie folgt:
Braunschweig : Älteste VW-Fabrik, stellt Komponenten für E-Autos her, 7200 Mitarbeiter.
Chemnitz : Produziert Verbrennermotoren, 690.000 Motoren im vergangenen Jahr. Beschäftigt 1800 Menschen.
Dresden : „Gläserne Manufaktur“, montiert den ID.3, Zukunft ungewiss, möglicherweise Umwandlung in Auslieferungszentrum. 360 Mitarbeiter.
Emden : Ehemals Passat-Produktion, umgestellt auf Elektrofahrzeuge. Rund 8600 Mitarbeiter, Produktion zeitweise gestoppt.
Hannover : Bekannt für die Herstellung des VW-Transporters, beschäftigt 14.700 Mitarbeiter, kontinuierlicher Stellenabbau.
Kassel (Baunatal): Größtes Komponentenwerk, produziert Getriebe und E-Motoren, 16.800 Mitarbeiter.
Osnabrück : Traditionelle Autobau-Tradition, fokussiert auf Fahrzeuge für Porsche, letztes VW-Cabrio läuft 2025 aus. Gut 2500 Mitarbeiter.
Salzgitter : Baut eine Batteriezellfabrik, früher Motorenwerk, Transformationsprozess zur E-Mobilität. VW beschäftigt hier 7500 Mitarbeiter.
Wolfsburg : Größte Autofabrik der Welt, gegründet 1938, produziert Modelle wie Golf, Tiguan und Touran mit etwa 62.000 Mitarbeitern.
Zwickau : Erstes komplett auf Elektro umgestelltes Werk, leidet unter schwacher Nachfrage. Das Fahrzeugwerk besteht aus den klassischen Fertigungsbereichen Karosseriebau, Lackiererei und Fahrzeugendmontage. Früher über 12.000 Mitarbeiter, mittlerweile 8000.
Steigen die Preise für Volkswagen-Autos?
Unwahrscheinlich. Die Lage ist angespannt, das Geld sitzt bei vielen Menschen in Deutschland nicht locker. Das weiß auch das Management bei Volkswagen. Vielmehr könnte Volkswagen nun versuchen Anreize zu schaffen, um Kunden zum Kauf eines VW-Fahrzeugs zu bewegen.
Besonders im Fokus stehen dabei die E-Autos. Denn der Konkurrenzkampf aus Fernost nimmt zu, das könnte sich auch auf etwaige Rabatte auswirken.
Baut Volkswagen dann schlechtere Autos?
Das lässt sich so pauschal nicht sagen. In einem Fünf-Punkte-Plan der Unternehmensleitung heißt es, der Anspruch von Volkswagen bleibe es, qualitativ hochwertige Fahrzeuge anzubieten. Gleichzeitig müssen Kunden wohl oder übel in den sauren Apfel beißen, wenn VW an Kulanzregelungen und Garantien spart. So hatten Mitbewerber beispielsweise bei der Garantieverlängerung die Preise abgehoben oder auch Dienstleistungen zurückgefahren. Besonders dann, wenn sie stark ins Geld gehen.
Steigen die Reparatur-Kosten für Volkswagen-Autos?
Grundsätzlich gilt: Die Reparatur-Kosten sind in den vergangenen Jahren für viele Fahrzeugmodelle gestiegen. Das hat aber weniger mit Volkswagen zu tun, sondern mit der allgemeinen wirtschaftlichen Situation. Steigende Rohstoffpreise und die allgemeine Inflation haben beispielsweise dazu geführt, dass Ersatzteile teurer werden. Volkswagen, wie viele andere Autohersteller, muss diese erhöhten Kosten an die Kunden weitergeben.
Moderne Fahrzeuge sind außerdem technologisch fortschrittlicher als ältere Modelle. Die Integration von mehr Elektronik, Sensoren und Assistenzsystemen führt zu höheren Reparaturkosten, da spezialisierte Werkzeuge und technisches Know-how erforderlich sind.
Die Löhne für Fachkräfte in der Automobilbranche sind gestiegen, was sich ebenfalls in den Endpreisen für Wartung und Reparatur niederschlägt. Zudem wollen immer weniger Menschen den Job machen, der Fachkräftemangel ist groß. Hohe Nachfrage, niedriges Angebot: In freien Werkstätten kommt es deshalb vor, dass Mitarbeiter Stundenlöhne von über 200 Euro aufrufen.
Was bedeutet die Werkschließung für Städte?
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt nach drohenden Werkschließungen vor Folgen der Krise bei Volkswagen. „Die Nachrichten, dass VW einen massiven Stellenabbau plant und Werke in Deutschland schließen wird, sind nicht nur für die Standortkommunen bei möglichen Werkschließungen drastisch, sondern auch für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland ein Alarmsignal“, sagte Hauptgeschäftsführer, André Berghegger der Deutschen Presseagentur.
Die möglichen Werkschließungen könnten ernste Konsequenzen für die betroffenen Kommunen nach sich ziehen. „Es drohen massive Ausfälle bei der Gewerbesteuer sowie eine immense Schwächung des Standortes. Es drohen ein Dominoeffekt bei den Kommunalfinanzen und weitere Folgen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“