„Mit großer Sorge“ - Wegen Syrien-Flüchtlingen: Polizei-Gewerkschaft warnt Faeser in Brandbrief

Die Polizei greift immer wieder syrische Flüchtlinge auf - in diesem Fall im Frühjahr 2024<span class="copyright">Bernd Wüstneck/dpa</span>
Die Polizei greift immer wieder syrische Flüchtlinge auf - in diesem Fall im Frühjahr 2024Bernd Wüstneck/dpa

Islamistische Rebellen haben in den vergangenen Tagen überraschend schnell Gebiete in Syrien eingenommen. Auch Europa schaut gebannnt nach Syrien. Droht eine neue Flüchtlingswelle? Genau das fürchtet die Polizeigewerkschaft DPolG und warnt Innenministerin Faeser.

Es sind besorgniserregende Nachrichten aus einem von jahrelangem Bürgerkrieg geschundenen Land:   In Syrien ist es einer von der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) geführtes Bündnis gelungen, syrische Regierungstruppen in kürzester Zeit aus Aleppo, der zweitgrößten Stadt des Landes, zu verdrängen und am Wochenende die Kontrolle über die Stadt zu übernehmen. Syriens Machthaber Baschar al-Assad hat eine Gegenoffensive angekündigt. Bei den jüngsten Kämpfen wurden nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte innerhalb von fünf Tagen mehr als 440 Menschen getötet, die meisten davon Rebellen und Regierungskräfte.

In Europa wächst die Sorge, dass der wieder aufgeflammte innersyrische Konflikt, der seit 2011 besteht, zu einer erneuten Flüchtlingswelle führen könnte. In diesem Zusammenhang wendet sich Heiko Teggatz, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft DPolG, an Innenministerin Nancy Faser (SPD). Hier sein Schreiben im Wortlaut:

Brandbrief von Polizeigewerkschaft an Faeser

„Sehr geehrte Frau Bundesinnenministerin,

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Mit großer Sorge blicke ich auf die erneute   Eskalation der Sicherheitslage in Syrien. Sollte sich dieser Konflikt weiter verschärfen, könnte es zu weiteren massiven Migrationsbewegungen nach Europa und Deutschland kommen. Der anhaltende Krieg in der Ukraine, die unklare Sicherheitslage in Nahost und weitere Krisenherde in Afrika und Asien sorgen dafür, dass sich immer mehr Menschen auf den Weg nach Europa und insbesondere Deutschland machen.

Auch innerhalb der Europäischen Union haben mehrere Staaten wie beispielsweise Dänemark, Italien, Polen und Ungarn ihre nationalen Vorschriften in Bezug auf die Unterbringung und Versorgung der Schutzsuchenden verändert und so genannte „Pull-Faktoren“ reduziert .Am Beispiel Dänemark waren die Auswirkungen für Deutschland deutlich spürbar.

Die Anzahl der Feststellungen unerlaubter Einreisen im Jahr 2017 und der damit einhergehende Anzahl an Asylanträgen an der dänischen Grenze hatten einen historischen Höchststand erreicht. Ein ähnliches Szenario droht ab Januar 2025 auch an der niederländischen Grenze. Ab 2025 greift auch in den Niederlanden eine Reform des Asylrechts, welches unter anderem eine drastische Reduzierung der Leistungen gegenüber Schutzsuchenden vorsieht.

“Erster sicherheitspolitischer Erfolg"

Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass zahlreiche Schutzsuchende aus den Niederlanden den Weg nach Deutschland suchen werden. Mit der Einführung flächendeckender, temporärer Grenzkontrollen sind Sie einen ersten wichtigen und richtigen Schritt gegangen. Die Statistiken der Bundespolizei und des BAMF belegen den Rückgang der unerlaubten Einreisen nach Deutschland und damit einen ersten sicherheitspolitischen Erfolg. Für Ihre Entscheidung bin ich Ihnen sehr dankbar.

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Um diesem Phänomen jedoch dauerhaft begegnen zu können, müssen weitere Schritte unternommen werden. Die Bundespolizei braucht dringend eine Befugnis, Menschen, die über einen sicheren EU-Staat nach Deutschland einreisen wollen, an den Grenzen zurückweisen zu dürfen. Dieses selbstverständlich unabhängig davon, ob ein Schutzantrag gestellt wird oder nicht. Ein entsprechendes Schutzersuchen kann auch bei unseren Nachbarstaaten gestellt werden.

„Würden den Migrationsdruck weiter deutlich reduzieren“

Das Bundesverfassungsgericht hat für in Deutschland lebende Menschen ein Existenzminimum definiert. Daran kann und darf auch in Zukunft nicht gerüttelt werden. Durch ein solches Existenzminimum garantiert der Staat ein „warmes“ Dach über dem Kopf und ausreichend Lebensmittel. Unsere Sozialsysteme garantieren darüber hinaus unter anderem eine medizinische Versorgung.

Ob dieses Existenzminimum jedoch vollständig oder teilweise in Form von Sachleistungen garantiert wird, obliegt dem jeweiligen Gesetzgeber.Das OVG Münster hat in seinem so genannten „Bett, Brot und Seife“ Urteil eine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung Schutzsuchender definiert. Diese weiteren Schritte würden den Migrationsdruck nach Deutschland und Europa weiter deutlich reduzieren und dadurch die Bundespolizei erheblich entlasten. Dessen bin ich mir sehr sicher.

Ich wäre Ihnen dankbar, dieses Thema auch in diesen politisch schwierigen Zeiten anzugehen. Meine Kolleginnen und Kollegen in der Bundespolizei wären sehr dankbar.

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie eine besinnliche Vorweihnachtszeit und ein gesegnetes Weihnachtsfest.

Mit freundlichen Grüßen

Heiko Teggatz"