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Guzmán: «Vertrauen in Argentinien ist beschädigt»

Inmitten einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise setzt Argentinien auf einen neuen Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Inmitten einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise setzt Argentinien auf einen neuen Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Der zweitgrößten Volkswirtschaft Südamerikas stand das Wasser schon bis zum Hals, dann wurde sie von der Corona-Pandemie erwischt. Ein Schuldenschnitt soll nun zum Befreiungsschlag werden - sonst droht die neunte Staatspleite.

Buenos Aires (dpa) - Inmitten einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise setzt Argentinien auf einen neuen Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF). «Wir arbeiten sehr konstruktiv mit dem IWF zusammen», sagte Wirtschaftsminister Martín Guzmán im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur und weiteren europäischen Nachrichtenagenturen in Buenos Aires.

«Argentinien setzt auf ein neues Programm.» Der IWF hat Argentinien bereits den größten Kredit seiner Geschichte über 57 Milliarden US-Dollar gewährt. Allerdings ist der Fonds in Argentinien äußerst unpopulär. Viele Menschen machen ihn für die sozialen Härten nach der jüngsten Staatspleite 2001 verantwortlich.

Das südamerikanische Land blickt auf eine wechselvolle Wirtschaftsgeschichte zurück. Einst eines der reichsten Länder der Welt litt es zuletzt immer wieder unter extremer Inflation, Kapitalflucht und einem ständigen Wechsel der Wirtschaftspolitik mit jeder neuen Regierung. «Das Vertrauen in Argentinien ist beschädigt», räumte Guzmán ein. «Wir brauchen wirtschaftliche Kontinuität.»

Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas steckt in einer schweren Krise. Die Inflationsrate betrug zuletzt mehr als 50 Prozent, für das laufende Jahr wird mit einem Rückgang der Wirtschaftskraft von 5,7 Prozent gerechnet. Das Land leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht. Der IWF hatte die Schulden Argentiniens zuletzt als nicht tragfähig bezeichnet.

Derzeit verhandelt die Regierung mit den privaten Gläubigern über einen Schuldenschnitt. «Wir sitzen alle am Verhandlungstisch, aber es fehlt noch eine gute Wegstrecke», sagte Wirtschaftsminister Guzmán im Interview. «Wir brauchen eine nachhaltige Lösung, die den beschränkten Möglichkeiten Argentiniens Rechnung trägt. Wir wollen nur Versprechen geben, die wir auch halten können.»

Insgesamt will die argentinische Regierung nach ausländischem Recht ausgegebene Staatsanleihen im Wert von rund 66 Milliarden US-Dollar umschulden. Sie hat ein Zahlungsmoratorium bis 2023, eine kräftige Kürzung der Zinszahlungen und einen geringfügigen Schuldenschnitt angeboten. Die Gläubiger, zu denen große Investmentgesellschaften wie Blackrock, Fidelity, Greylock Capital und Ashmore zählen, lehnen die Offerte bislang ab. «Wir sind flexibel bei der Kombination der verschiedenen Parameter, aber das Ergebnis muss für Argentinien bezahlbar sein.» Sollte keine Einigung gelingen, steuert Argentinien auf die neunte Staatspleite seiner Geschichte zu.

Zu dem langfristigen Plan des Wirtschaftsministers, der als Zögling von Nobelpreisträger Joseph Stiglitz gilt, gehört die Stärkung des Exports. «Wirtschaftswachstum, Produktion für den Binnenmarkt und Exporte müssen Hand in Hand gehen, damit das Gleichgewicht gewahrt bleibt», sagte Guzmán.

Das umstrittene Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Wirtschaftsbund Mercosur sieht er allerdings auch kritisch: «Die Gesellschaft ist zu wenig einbezogen worden, auf beiden Kontinenten. Das macht es schwer, einen solchen Vertrag zu legitimieren.»