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Was Hänschen nicht lernt - Viertklässler immer schwächer

Berlin (dpa) - Grundschulkinder in Deutschland haben zunehmend Mathe- und Deutschprobleme und sind im Zehn-Jahres-Vergleich in ihren Kompetenzen deutlich zurückgefallen. Das zeigt eine am Freitag von der Kultusministerkonferenz (KMK) vorgestellte Studie, die im Abstand von fünf Jahren den Stand bei Viertklässlern repräsentativ untersucht. Geschlossene Schulen in der Corona-Pandemie sind nach Ansicht der KMK mitverantwortlich. Experten sehen aber auch andere Gründe.

An fast 1500 Schulen in ganz Deutschland wurden zwischen April und August 2021 etwa 27.000 Viertklässler getestet - in den Bereichen Lesen, Zuhören, Rechtschreibung und Mathematik. Im Vergleich zur letzten Erhebung 2016 entsprachen die Kompetenzrückgänge der Studie zufolge im Lesen etwa einem Drittel, in Rechtschreibung und Mathematik einem Viertel eines Schuljahres. Verglichen mit 2011 liegen die Rückstände sogar bei rund einem halben Schuljahr.

Jeder Dritte kann nicht korrekt schreiben

Überall haben sich die Ergebnisse verschlechtert. Besonders auffällig ist es bei der Rechtschreibung: Weniger als die Hälfte der Viertklässler (44 Prozent) erreichte hier den «Regelstandard», also das, was im Schnitt von Schülerinnen und Schülern in diesem Alter erwartet wird und fast ein Drittel (30 Prozent) verfehlte den «Mindeststandard» - heißt: Fast jeder dritte Grundschüler in der vierten Klasse macht so viele Rechtschreibfehler, dass er die definierten Mindestanforderungen nicht erreicht. Beim Lesen, Zuhören und in Mathe erreichte etwa jeder Fünfte nicht die Mindeststandards.

Alles wegen Corona?

Die KMK sieht sich bestätigt: «Die Schulschließungen und Unterrichtseinschränkungen in der Corona-Zeit haben die Schülerinnen und Schüler in Deutschland in ihrer sozialen Entwicklung und in ihrem Lernerfolg erheblich zurückgeworfen.» KMK-Präsidentin Karin Prien (CDU) wies darauf hin, dass die Tests direkt nach dem langen Schullockdown im vergangenen Frühjahr und Sommer gemacht wurden. Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) sprach von einer Ohrfeige für diejenigen, die sich «so lebhaft» für Schulschließungen eingesetzt hätten.

Die Autoren der Studie vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) gehen davon, dass die Corona-Einschränkungen «zumindest teilweise» für die Ergebnisse verantwortlich sind. Sie schreiben aber auch, die «ungünstigen» Entwicklungen ließen sich nicht eindeutig darauf zurückführen, da es auch schon zwischen 2011 und 2016 einen negativen Trend gab. Als mögliche Ursachen neben Corona werden Veränderungen in der Zusammensetzung der Schülerschaft, neue schulische Vorgaben und organisatorische Veränderungen in den Schulen genannt.

Zuwanderung und soziale Zusammenhänge

Die Studie bestätigt nicht nur, dass Erfolg in der Schule stark vom Elternhaus abhängt, sondern kommt zu dem Ergebnis, dass der Zusammenhang zwischen Kompetenzen und «sozioökonomischem Status» der Familie sogar in allen Bereichen «signifikant» zugenommen hat. Verwiesen wird auch darauf, dass sich die «zuwanderungsbezogene Heterogenität» der Schülerschaft zwischen 2016 und 2021 weiter erhöht habe. Die stärksten Kompetenzrückgänge seien fast durchgängig für Schüler zu verzeichnen, die im Ausland geboren sind. Bei Schülern ohne Zuwanderungshintergrund fielen sie geringer aus.

«Miserables Zeugnis» für die Bildungspolitik

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sagte, die Studie stelle der Bildungspolitik in Deutschland ein «miserables Zeugnis» aus. «Wenn, wie festgestellt, in den beiden zentralen Grundschulfächern Deutsch und Mathematik nur jeweils die Hälfte der Kinder die Regelstandards erreicht und ein Fünftel sogar die Mindeststandards verfehlt, kommt man nicht um die Feststellung herum, dass die Bildungspolitik ihre in den Bildungsstandards selbst formulierten Ziele in zunehmendem Maße haushoch verfehlt.»

Besorgniserregend sind sie Ergebnisse auch, weil in der Grundschule die Fundamente für den weiteren Bildungserfolg gelegt werden. Da kommt das alte Sprichwort «was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr» in den Sinn. Die wissenschaftliche Leiterin des IQB, Petra Stanat, sagte: «Fast 20 Prozent Kinder, die nicht gut lesen können, das ist ein Problem und das wird auch schwierig, das aufzuholen.» Es bedürfe dann großer Kraftanstrengungen in den weiterführenden Schulen.