Höchste Alarmstufe - „Klade Ib“: Warum die WHO jetzt vor der neuen Mpox-Variante warnt
Die WHO versetzt die Welt wegen einer neuen Mpox-Variante in Alarmbereitschaft. In Afrika befeuert sie seit Anfang des Jahres das Infektionsgeschehen, der Kongo meldete seither rund 16.000 Fälle. Wie gefährlich die Variante wirklich ist.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ruft die höchste Alarmstufe aus, eine neue Virus-Variante bildet sich, Europa vermeldet den ersten Infektionsfall – es ist eine Situation, die viele Menschen düster an den Beginn der Corona-Pandemie erinnern dürfte. Doch tatsächlich lässt derzeit nicht Sars-CoV-2 die Alarmglocken schrillen, sondern ein neuerlicher Ausbruch von Mpox (früher Affenpocken genannt) in Afrika.
Dieser ist auf eine neue Variante zurückzuführen: Klade Ib. In der Demokratischen Republik Kongo befeuert sie aktuell das Infektionsgeschehen. Seit Anfang des Jahres hat es dort rund 16.000 Infektionsfälle sowie mehr als 500 Sterbefälle gegeben. Nach Angaben der WHO ist Klade Ib mittlerweile auch in Kenia, Ruanda und Uganda bestätigt worden.
Doch wie gefährlich ist die neue Variante? Und warum ruft die WHO ihretwegen die weltweit höchste Alarmstufe aus, wenn es in Europa bis auf einen einzigen Fall in Schweden keine registrierten Klade-Ib-Infektionen gibt?
Mpox der Klade Ib: Wie gefährlich ist die neue Subvariante?
Mpox-Viren haben zwei unterschiedliche genetische Kladen: I und II. Letztere war 2022 für den globalen Mpox-Ausbruch verantwortlich. Klade Ib ist derweil eine Variante der Klade I, die als ansteckender gilt und schwerere Verläufe verursacht, erklärt U.S. Centers for Disease Control and Prevention. Neben Klade Ib gibt es auch die Klade Ia.
Klade Ib trat vermutlich erstmals im September 2023 in dem kongolesischen Bergbauprovinz Sud-Kivu auf. Wissenschaftler hatten zwischen Oktober 2023 und Januar 2024 Abstriche von Infizierten aus der Region untersucht und dabei die neue Variante entdeckt.
„Der Unterschied zu Klade II wurde molekulargenetisch identifiziert und betrifft eine spezielle Mutation im so genannten APOBEC3-vermittelten Cytosin – Deaminations-Gen“, sagt Johannes Bogner, Internist und Leiter des Interdisziplinären Zentrums Klinische Infektiologie (KLIK) am LMU Klinikum München in einer Pressemitteilung. Die Mutation weise laut WHO darauf hin, dass sich das Virus wegen der Zirkulation unter Menschen an diesen Wirt angepasst habe. Auch Sequenzdaten würden auf eine anhaltende Übertragung zwischen Menschen schließen lassen.
Inwiefern diese Variante zu mehr Infektionen führt – darüber sind sich die Experten allerdings uneinig. Bogner argumentiert: „Diese Mutation führt dazu, dass die Übertragung von Mensch zu Mensch leichter ermöglicht wird als bei den bisherigen Wildtyp-Varianten“. Die WHO gibt sich indes zurückhaltender: „Es ist nicht bekannt, ob diese Variante ansteckender ist oder zu schwereren Erkrankungen führt als die anderen Virusstämme, die im Land [Kongo, Anm. d. Red.] zirkulieren.“
„Erhebliche Unsicherheiten über die Übertragbarkeit und den Schweregrad“
Auch das European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) erklärte in einer Pressemitteilung am Freitag: „Bis heute bestehen erhebliche Unsicherheiten über die Hauptübertragungswege, Übertragbarkeit, den Schweregrad und natürlichen Krankheitsverlauf und darüber, ob sich diese zwischen den beiden zirkulierenden Subkladen der Mpox-Viren der Klade I unterscheiden.“ Vorläufige Daten würden indes zeigen, dass sich insbesondere Erwachsene mit Klade Ib infizieren. Kinder stecken sich hingegen häufiger mit Klade Ia an.
Trotz der Unklarheiten mutmaßt das ECDC, dass der Schweregrad von Infektionen mit Klade I „gering“ ist. Dieser Einschätzung schließt sich Bogner an: „Ich möchte noch darauf hinweisen, dass Mpox keine hoch kontagiöse oder gefährliche Krankheit ist. Es ist auf keinen Fall mit Ebola oder hämorrhagischen [Blutungen auslösenend, d. Red.] Fieber-Krankheiten vergleichbar.“
Nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Associated Press soll Klade Ib sogar mildere Symptome und Pocken verursachen. Das könne jedoch das Erkennen der Viruserkrankung erschweren, sodass Infizierte unwissentlich auch andere Personen anstecken können.
Warum die WHO weltweit die höchste Alarmstufe ausruft
Wenn die neue Variante zum jetzigen Zeitpunkt allerdings als eher ungefährlich erscheint – wieso ruft die WHO dann weltweit eine Alarmstufe aus?
Die WHO hatte im Juli 2022 bereits einmal eine Notlage wegen Mpox ausgerufen. Es hatte Klade-IIb-Fälle in dutzenden Ländern gegeben, auch in Deutschland. Die Notlage wurde im Mai 2023 aufgehoben, weil die Ausbrüche in den meisten Ländern – auch dank Impfungen – unter Kontrolle gebracht wurden.
Faktisch will sie mit diesem Schritt Behörden in aller Welt zu erhöhter Wachsamkeit bringen. Sie hofft zudem auf mehr finanzielle Unterstützung von Eindämmungsmaßnahmen in Afrika, da die Gesundheitssysteme in vielen Ländern wie dem Kongo schlecht ausgebaut sind und Betroffene kaum Zugang zu Krankenhäusern haben.
„Die Ressourcen in den betroffenen Ländern sind sehr begrenzt. Wir müssen dringend das Monitoring verbessern, Laborsysteme aufbauen, um so viele Fälle wie möglich frühzeitig zu erkennen“, sagt Ngashi Ngongo, Arzt und Stabschef und Leiter des Exekutivbüros der afrikanischen Gesundheitsbehörde African Centres for Disease Control and Prevention, im Gespräch mit „Spiegel“.
Dafür brauche es die Hilfe des globalen Nordens – ebenso wie beim Beschaffen von Impfstoff. „Millionen Dosen“ würden laut Ngongo in Afrika fehlen. „Wir brauchen diese Impfstoffe sofort, um Leben zu retten.“