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Ich habe den Körperscanner von H&M getestet, mit dem ihr digital Kleidung anprobieren könnt — und war von meinem Avatar enttäuscht

Man erkennt grob, dass der Avatar unsere Autorin darstellen soll – wirklich mit der digitalen Doppelgängerin identifizieren kann sie sich jedoch nicht.
Man erkennt grob, dass der Avatar unsere Autorin darstellen soll – wirklich mit der digitalen Doppelgängerin identifizieren kann sie sich jedoch nicht.

Nie wieder Klamotten in stickigen Umkleidekabinen anprobieren – das klingt für mich traumhaft. Ich bin ein großer Fan des Onlineshoppings: mehr Auswahl, eine gezieltere Suche und es ist gleich ersichtlich, ob mein Lieblingsteil in meiner Größe verfügbar ist. Ein weiteres Plus: Ich kann mir alles bequem vom Sofa aus per Klick aussuchen. Wenn ich vom Sofa aus auch noch die Kleidung digital anprobieren könnte, umso besser.

Genau diese Wunschvorstellung vieler Shopper versucht nun der Moderiese H&M umzusetzen. In Kooperation mit dem Virtual-Reality-Startup Nexr Technologies SE entwickelt H&M eine Art digitale Umkleidekabine, in der Kundinnen und Kunden einen digitalen Avatar bekommen, mit dem sie per App Kleidung passgenau anprobieren können sollen. Dies soll bei der Kaufentscheidung helfen und gleichzeitig die Retourenquote beim Onlineshopping senken.

Vom 14. Oktober bis 6. November können H&M-Kundinnen und Kunden die „digitale Umkleidekabinen“ in zwei Flagship-Stores in Berlin und einem H&M-Geschäft in Hamburg testen und ihren eigenen Avatar erstellen lassen. Anprobieren können sie in der App zunächst ausgewählte Artikel der aktuellen Kollektion der Divided-Reihe von H&M, die sich eher an eine jüngere Zielgruppe, die Generation Z, richtet. Zunächst ist das Projekt nur ein Testpilot. Wird die Idee jedoch gut angenommen, kann man sich bei H&M potenziell vorstellen, die Kooperation mit Nexr und der digitalen Umkleidekabine noch auszuweiten.

So sieht die App nach den offiziellen Pressebildern aus.
So sieht die App nach den offiziellen Pressebildern aus.

Ich fühlte mich wie im Körperscanner am Flughafen

Könnte das die Zukunft des Shoppings sein? Praktisch klingt es auf jeden Fall. Deshalb haben wir die digitale Umkleide für euch getestet.

In der Filiale am Berliner Kurfürstendamm habe ich mich also scannen lassen. Im ersten Obergeschoss des großflächigen Geschäfts steht das Gerät von Nexr, das von außen wie eine große, grün bedruckte Umkleidekabine aussieht und von innen so, wie ich mir einen Teleporter vorstelle: Man steht in einer weißen, engen, vertikalen Röhre mit gleißend hellem Licht. Dabei positioniert man sich ähnlich unnatürlich, wie in einem Körperscanner am Flughafen: Arme vom Körper ausgestreckt und Beine breit aufgestellt. "Klar, dass man so nicht gut aussehen kann", denke ich noch.

So sieht der Scanner von außen aus
So sieht der Scanner von außen aus
So sieht der Körperscanner von innen aus
So sieht der Körperscanner von innen aus

Es empfiehlt sich, den Körper mit kurzer, enger Kleidung ausmessen zu lassen, damit die Figur so gut wie möglich nachgebaut werden kann. Das Gerät erfasst die Körperdaten über unzählige kleine Sensoren und Kameras und erstellt dann anschließend einen digitalen Avatar, den ich dann in der dazugehörigen "Avatar Cloud App" sehen und damit Kleidung anprobieren kann.

Nachdem ich wieder aus der Kabine trete, dauert es bei mir mindestens 30 Minuten, bis meine digitale Doppelgängerin fertig ist. Theoretisch soll dies künftig schneller funktionieren. Nachdem ich das Geschäft verlassen habe, kriege ich eine Push-Nachricht von der App: "Dein Avatar ist fertig!" Gespannt öffne ich die App und muss erst einmal lachen. Mein Avatar sieht eher lustig aus, als dass er mir ähneln würde. Meine Augen-Nasen-Partie sieht entstellt aus, mein Dutt wurde abgeschnitten und auch mit der abgebildeten Körperform kann ich mich nicht wirklich identifizieren. Naja.

Der Avatar ähnelt unserer Autorin nur bedingt.
Der Avatar ähnelt unserer Autorin nur bedingt.

Zunächst funktioniert die Schnittstelle zur H&M-Kollektion mit der App auch noch nicht richtig auf iPhone-Geräten, wie mir Oliver Lange erzählt. Er ist Deutschland-Chef von H&M Beyond, dem Innovationslabor der Textilkette, das hinter diesem Pilotprojekt steckt. Solche Fehler sind bei Pilotprojekten relativ normal, erst wenige Tage vor Einsatz in den Filialen war die Betaversion der nötigen Software fertig. Der Bug wird jedoch innerhalb von zwei Tagen behoben. Zwei Tage später kann ich also die H&M-Klamotten in der App anprobieren.

Die Divided-Kollektion ist nicht mein Stil, fast alle Kleidungsstücke sind sehr weit, sehr bunt und auffällig und im Baggy-Style gehalten. Gen Z halt. Ich fühle mich dafür zu alt, ziehe meinem Avatar aber doch ein paar Outfits an. Nichts sieht gut aus. Schade.

Größen scheinen nicht richtig erkannt zu werden

Ich probiere die Looks in verschiedenen Größen. Tatsächlich scheinen meinem Avatar in der App allerdings alle Größen zu passen, ich sehe in der virtuellen Anprobe keinen Unterschied zwischen einer XXS (die mir eigentlich nicht passen dürfte) und einer M, lediglich bei den größeren Größen werden die Ärmel und Hosenbeine länger und weiter. Dabei sollte es doch eigentlich auch Sinn der Sache sein, die richtige Größe virtuell vor der Bestellung herausfinden zu können, damit man keine "Auswahlbestellungen" machen muss und die Retourenquote sinkt.

Der Avatar unserer Reporterin bei der Anprobe.
Der Avatar unserer Reporterin bei der Anprobe.

Die Idee, passgenaue Looks einer Kollektion auch virtuell von zu Hause und außerhalb der Ladenöffnungszeiten anzuprobieren, hat mich im Vorfeld sehr gereizt.

Mein Fazit, nachdem ich es ausprobiert habe: In der Praxis hakt es noch an der Umsetzung, dem Endergebnis und der User Experience. Wenn ich mich so gar nicht mit meinem Avatar identifizieren kann und mich darauf nicht attraktiv finde, werde ich an diesem auch keine Kleidung schön finden und bestellen. Auch funktioniert die Größenabbildung scheinbar noch nicht so ganz.

Jedoch steckt die Idee und das Produkt noch in den Kinderschuhen. Händler beginnen jetzt erst, mit Virtual Reality in der Anprobe zu arbeiten und Wirtschafts- und Zukunftsforscher prophezeien, dass wir in den kommenden zehn Jahren vermehrt so einkaufen werden. H&M ist mit dem Pilotprojekt vielleicht also einfach etwas früh dran, die Software sowie die Hardware werden über die Zeit besser, das Körperscannen vermutlich in der breiten Masse akzeptiert. Ich bin gespannt, wie meine virtuelle Doppelgängerin in ein paar Jahren aussehen wird.