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Hätte Deutschland besser auf die Coronavirus-Pandemie vorbereitet sein müssen?

Bereits im Jahr 2013 hat das Robert-Koch-Institut eine Risikoanalyse für eine fiktive Virus-Pandemie erstellt. Die enthält zahlreiche Parallelen zur heutigen Situation. Doch viele Lehren, die daraus gezogen wurden, blieben ohne Folgen.

Das Robert-Koch-Institut hat der Bundesregierung bereits im Jahr 2013 ein Virus-Szenario vorgestellt, das der aktuellen Pandemie sehr nahe kommt. (Foto: Carsten Koall / dpa +++ dpa-Bildfunk +++)
Das Robert-Koch-Institut hat der Bundesregierung bereits im Jahr 2013 ein Virus-Szenario vorgestellt, das der aktuellen Pandemie sehr nahe kommt. (Foto: Carsten Koall / dpa +++ dpa-Bildfunk +++)

Die Ausnahmesituation, die Deutschland durch das neuartige Coronavirus SARS-Cov-2 derzeit durchlebt, hat das Robert-Koch-Institut (RKI) bereits vor Jahren in einem Szenario skizziert. Ziel dieses „Nationalen Pandemieplans“, der stetig aktualisiert wird, war und ist es, für den Ernstfall gewappnet zu sein.

So haben beispielsweise unter der Führung des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) schon im Jahr 2007 rund 3000 Personen in sieben Bundesländern eine umfangreiche Übung durchgeführt. Die war damals vom RKI entwickelt worden und hieß: „weltweite Influenza-Pandemie“.

Risikoanalyse im Jahr 2013

Doch während damals nur grobe Annahmen zugrunde lagen – etwa eine fiktive Erkrankungsrate und die Zahlen der Krankenhauseinweisungen und der Todesfälle – hat das RKI im Jahr 2013 der Bundesregierung eine sehr viel detailliertere Risikoanalyse vorgestellt: „Pandemie durch Virus Modi-SARS“.

Tatsächlich enthalten die Prognosen und Annahmen, die auf 27 Seiten beschrieben werden, zahlreiche Parallelen zu den heutigen Entwicklungen. In dem Szenario steht:

„Der Erreger stammt aus Südostasien, wo der bei Wildtieren vorkommende Erreger über Märkte auf den Menschen übertragen wurde. Zwei der ersten Fälle, die nach Deutschland eingeschleppt werden, betreffen Personen, die sich im selben südostasiatischen Land angesteckt haben. Eine der Personen fliegt noch am selben Abend nach Deutschland, um bei einer Messe in einer norddeutschen Großstadt einen Stand zu betreuen, die andere Person fliegt einen Tag später nach Deutschland zurück, um nach einem Auslandssemester in China ihr Studium in einer süddeutschen Universitätsstadt wieder aufzunehmen.“

Viele Gegenmaßnahmen wurden erfolgreich umgesetzt

Im weiteren Verlauf verbreiten diese beiden „Index-Patienten“ durch zahlreiche Sozialkontakte das Virus, die Infektionen nehmen mit stetig steigender Geschwindigkeit zu, die Behörden reagieren darauf mit Anti-Seuchen-Maßnahmen wie Quarantäne – was den Pandemieverlauf aber nur abmildert, nicht stoppt. Dennoch könne dieser „Zeitgewinn durch anti-epidemische Maßnahmen“ sehr effizient genutzt werden, um „persönliche Schutzausrüstung herzustellen, zu verteilen und über korrekte Anwendung zu informieren“.

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Aber nicht nur private, sondern auch gesellschaftliche „Gegenmaßnahmen“ werden angesprochen: wie die Absage von Großveranstaltungen, die Schließung von Schulen und die generelle Verlangsamung des öffentlichen Lebens. Die Gegenwart zeigt: Vieles wurde in Deutschland erfolgreich umgesetzt.

Der Bund sagt: Die Länder sind zuständig

Im Vergleich zu anderen Ländern, das zeigt die Infektionskarte der Johns-Hopkins-Universität, gelingt es Deutschland bislang verhältnismäßig gut, die Pandemie zu bekämpfen.

Dennoch stellt sich die Frage, wieso viele Vorsorge-Empfehlungen des RKI aus dem Jahr 2013 nicht befolgt wurden: die Bevorratung von Atemschutzmasken, Schutzanzügen oder Desinfektionsmitteln in Krankenhäusern. Das hat der Rundfunk Berlin-Brandenburg (Rbb) vergangene Woche auch das Bundesinnenministerium gefragt und folgende Antwort erhalten: „Die Länder sind zuständig für den Katastrophenschutz. Sie müssen die hierfür erforderlichen personellen und auch materiellen Ressourcen vorhalten.“

Katastrophenschutz kostet Geld, das wollte niemand ausgeben

Der Katastrophenschutz-Experte Peer Rechenbach, er hat im Jahr 2012 am „Modi-SARS“-Bericht des RKI mitgearbeitet, erklärt im Gespräch mit dem Rbb, was hinter dieser Aussage steckt: Katastrophenschutz sei schon immer eine mühsame Angelegenheit, denn: „Viele Aktivitäten wurden schon deshalb eingestellt, weil eine Kostensteigerung im Gesundheitswesen befürchtet wurde. Dies hätte den Bemühungen der Kostenreduzierung im Gesundheitswesen widersprochen.“

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Aber nicht nur bei der Ausrüstung im Gesundheitssystem, auch beim Personal-Management sieht Rechenbach viele Fehler. Denn es müsse ja ebenfalls gewährleistet sein, dass „auch ausreichend qualifizierte Personen zur Verfügung stehen, die dann technische Ressourcen nutzen und bedienen können.“ Weil aber „zu wenig qualifizierte Akteure in der Exekutive vorhanden sind, die sich um die Entwicklung und Umsetzung von umfassenden Strategien zur Bewältigung von Großschadensereignissen bemühen“, sei da ebenfalls viel versäumt worden.

Gesundheitsexperte der SPD, Karl Lauterbach, schlug laut Watson kürzlich in der Talkshow Maybrit Illner in eine ähnliche Kerbe: Niemand habe sich für die Umsetzung der Vorsorge-Empfehlungen zuständig gefühlt, „im Kompetenz-Wirrwarr des deutschen Gesundheitssystems ist das irgendwo versandet.“

Das fiktive Virus war noch gefährlicher

Trotz der Versäumnisse, das macht der grüne Innenexperte Kostantin von Notz im Rbb klar, sei jetzt nicht die Zeit zurückzuschauen. Zuerst müsse die Krise bewältigt werden. „Aber wenn das gelungen ist, müssen wir einen Blick zurück werfen, damit wir zukünftig nicht noch einmal so auf dem falschen Bein erwischt werden.“

Trotz allem: Mut macht, dass das RKI in seinem Szenario aus dem Jahr 2013 bei entscheidenden Einschätzungen zu schwarzgemalt hat. Der Sars-CoV-2-Erreger ist lange nicht so tödlich wie das angenommene Virus und es gibt bei der Krankheit Covid-19 viel mehr milde Verläufe. Und: Ein Impfstoff könnte aller Wahrscheinlichkeit nach deutlich schneller verfügbar sein als in dem Szenario von damals, das eine dreijährige Entwicklungszeit schätzte. Momentan gehen viele Experten und Expertinnen davon aus, dass in rund einem Jahr flächendeckende Impfungen möglich sein könnten.

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