"Hallo?!" - Im deutschen Medaillenregen wird ZDF-Mann von der Konkurrenz ausgebremst

"Juhu, hier bin ich!" Nach Yemisi Ogunleyes Gold im Kugelstoßen verlor ZDF-Mann Norbert König das Interview-Rennen gegen die Kollegen von Eurosport. (Bild: ZDF)
"Juhu, hier bin ich!" Nach Yemisi Ogunleyes Gold im Kugelstoßen verlor ZDF-Mann Norbert König das Interview-Rennen gegen die Kollegen von Eurosport. (Bild: ZDF)

"Unglaublich, unfassbar, sensationell, Wahnsinn." Den ZDF-Kommentatoren gingen die Superlative aus. Und zu Recht: Es regnete sieben Medaillen auf Team Deutschland hinab. Zwei komplette Medaillensets plus ein drittes Gold! Das gab es bei Olympia in Paris bislang noch nicht. Aber es war nichts für schwache Nerven.

Relaxen bei Olympia? Das geht irgendwie nicht. Team Deutschland polierte zwar die Medaillenbilanz kräftig auf, kratzte aber ebenso heftig die Nerven der mitfiebernden Fans an. Eigentlich gab es nur eine klare Geschichte: Die 17-jährige Darja Varfolomeev holte ungefährdet Gold im Vierkampf der rhythmischen Sportgymnastik. Es war die erste olympische Medaille, die Deutschland jemals in dieser Sportart holte.

Eine weitere hätte die in Russland geborene Ausnahmeathletin dafür verdient, dass sie die deutsche Nationalhymne bei der Siegerehrung inbrünstiger schmetterte als die Handball-Fans ihr "Oh, wie ist das schön" nach der - natürlich! - hochdramatischen Halbfinal-Sekundenschlacht gegen Spanien.

Dramatisch war es fast immer. Morgens bangten Andreas Kürten und Jan Frodeno mit Oliver Klemet. "Komm, Junge, komm!", feuerten sie den Freiwasserschwimmer an. Und erfolgreich: Klemet holte "sensationell" Silber, was Jochen Breyer direkt auf Experte Frodeno schob: "Den Frodeno kann man schicken. Beim Triathlon gab's Team-Gold, jetzt Silber." Es war, um 9.20 Uhr, ein silberner Weckruf in den 14. Olympia-Tag. Keiner konnte ahnen, was da an Medaillenflut noch kommen würde.

Katrin Müller-Hohenstein war begeistert über die historische Goldmedaille von Darja Varfolomeev im Vierkampf der rhythmischen Sportgymnastik. (Bild: ZDF)
Katrin Müller-Hohenstein war begeistert über die historische Goldmedaille von Darja Varfolomeev im Vierkampf der rhythmischen Sportgymnastik. (Bild: ZDF)

Kajak: Silber und Gold innerhalb von 13 Minuten

Das war dramatisch? Pff, höchstens ein Aufgalopp. Beim Kajak-Zweier der Damen (Paulina Paszek und Jule Marie Hake) bekam man laaaange Zeit, Fingernägel zu knabbern. Es dauerte lange, gefühlt eine Viertelstunde, bis das Zielfoto um Rang drei ausgewertet war. Kommentator Norbert Galeske verlor fast die Nerven: "Dann verleiht doch zweimal Bronze, meine Güte." Und genauso kam's.

Um 13.32 Uhr, 13 Minuten nach Damen-Bronze, war der erste Medaillensatz komplett: Der K2 der Männer mit Jacob Schopf und Max Lemke sprintete zu Gold. "Der Experte ist völlig fertig", meinte Kommentator Norbert Galeske, weil Experte Ronny Rauhe im Studio rumhüpfte vor Spannung.

"Mehr Rspekt für Trainer": Jacob Schopf und Max Lemke (rechts) huldigten im Siegerinterview mit Amelie Stiefvatter ihrem Coach Arndt Hanisch (Mitte). (Bild: ZDF)
"Mehr Rspekt für Trainer": Jacob Schopf und Max Lemke (rechts) huldigten im Siegerinterview mit Amelie Stiefvatter ihrem Coach Arndt Hanisch (Mitte). (Bild: ZDF)

Appell vom Goldjungen: "Mehr Respekt für unsere Trainer"

Im Siegerinterview rückte Jacob Schopf dann - höchst sympathisch und authentisch - seinen Trainer Arndt Hanisch in den Fokus. Den Mann, der den Silberlauf seines Gold-Vierers der Damen vor zwei Tagen vor lauter Nervosität nicht hatte mit anschauen können ("Das pack ich nicht"), habe "in den letzten Jahren Blut, Schweiß und schlaflose Nächte geopfert. Ich werde ihm noch Jahre dankbar sein." Max Lemke ergänzte: "Wichtig: mehr Respekt und Anerkennung für unsere Trainer." - "Und mehr Bezahlung", fügte Jochen Breyer, der Gerechte, im Studio bei.

Gutes Thema. Wiewohl der Coach der Fußball-Frauen, Horst Hrubesch, an allen Attributen keinen Mangel leiden muss. Dem einstigen "Kopfball-Ungeheuer" wird längst auch als Trainer gehuldigt. Und im kleinen Finale gegen Spanien war ihm ein Happy End vergönnt: Er darf sich mit der Bronze-Medaille (obwohl er als Coach haptisch gar keine bekommen wird) in den vorläufigen Ruhestand verabschieden. Die Girls kämpften Spanien 1:0 nieder - Revanche für das Männer-Viertelfinale geglückt!

Aber auch das war eine Nervenprobe.

Ann Kathrin Berger und Andreas Wolff: Torhüter werden zu Matchwinnern

Deutschland führte dank Giulia Gwinns cool verwandeltem Elfer, aber zehn Sekunden (!) vor Ende der siebenminütigen (!!) Nachspielzeit stolperte Janina Minge eine Spanierin nieder. Aber den fälligen Strafstoß parierte die coolste Socke der Spiele, Ann-Katrin Berger. Es war ihr dritter gehaltener Strafstoß im Turnier. Hinterher sagte sie ihrem Coach: "Horst, der letzte war für dich!" Gari Paubandt konnte es mit überschwappender Stimme kaum fassen: "Wie abgezockt ist die denn?" Und: "Was für eine Eingebung hat Hrubesch gehabt, als er Berger als Nummer eins ins Tor stellte?"

Und wo wir schon bei unüberwindbaren Torhütern sind: Andreas Wolff wurde (mal wieder) zum Helden eines Handballkrimis. 22 Paraden, 49 Prozent aller Bälle entschärft, und am Ende auch den entscheidenden. Er hielt, wie zuvor Berger, den Sieg fest. Und Spanien war schon wieder bezwungen: 25:24.

Darja Varfolomeev glänzt mit Leistung und Fairplay

Um 17.42 Uhr stand fest: Die Welt von Darja Varfolomeev glänzt golden. Was für eine souveräne Leistung in der Rhythmischen Sportgymnastik! Eine historische Leistung und großes Fairplay: Bevor sie richtig jubelte, umarmte sie alle Konkurrentinnen und tröstete vor allem ihre Teamgefährtin Margarita Kolosov, die hauchdünn an Bronze vorbeigeschrammt war. An dieser sportlichen Geste könnte sich so mancher Holländer eine Scheibe abschneiden, Stichwort: Hockey-Finale ...

Noch mal Herzklopfen, vor allem bei den Leichtathletik-Kommentatoren Fabian Meseberg und Marc Windgassen. Denn Alexandra Burghardt, Rebekka Haase, Gina Lückenkemper und Lisa Mayer sprinteten über 4x100 Meter völlig überraschend zur Bronzemedaille, der ersten Medaille seit 1988, der ersten Bronzenen seit 1928. Aber, oh Schreck, hatte es da einen Wechsel- und/oder einen Schrittfehler gegeben? Die Kommentatoren bangten minutenlang, zum Glück ohne Not.

ZDF-Mann Norbert König wird von Eurosport ausgebremst

Aber die völlig unerwartete Krönung des Abends folgte noch. Yemisi Ogunleye wurde die fünfte deutsche Kugelstoß-Olympiasiegerin. Und was war das für ein Zentimeter-Duell! Vor dem letzten Versuch fehlten ihr 13 Zentimeter zum Gold, dann knallte sie die Kugel auf exakt 20,00 Meter. Das reichte, um die Neuseeländerin Mesche zu knacken.

Danach durfte Yemisi die legendäre Siegerglocke mit fünf satten Schlägen läuten. Das passte, denn sie ruht im Glauben. Im Interview mit Norbert König, der sich zunächst von den Kollegen von Eurosport ein wenig ausgebremst fühlte ("Hallo, ich wink' jetzt einfach mal"), dankte sie neben vielen Freunden, Trainern und Unterstützern ("Die an mich glaubten, als ich es selbst nicht tat") auch Gott. "Ich bin ganz locker in den Ring. Ich dachte, 'Gott, das ist ein Moment, den du mir versprochen hast.'" Er hielt Wort.

"Wir erleben schon wieder großen Sport", meinte Katrin Müller-Hohenstein. Und hatte recht. Dafür kann man, wie einst Horst Hrubesch, zu allen Athleten, nur "ein" Wort sagen: "Vielen Dank."