Hamas gibt Verwaltung von Gaza an Abbas-Regierung ab

Der palästinensische Ministerpräsident Rami Hamdallah bei der Ankunft zur Kabinettssitzung in Gaza seit drei Jahren. Foto: Khalil Hamra
Der palästinensische Ministerpräsident Rami Hamdallah bei der Ankunft zur Kabinettssitzung in Gaza seit drei Jahren. Foto: Khalil Hamra

Seit zehn Jahren sind die Palästinenser in Hamas und Fatah gespalten. Nun übergibt die radikal-islamische Hamas die Verwaltung im Gazastreifen an die Regierung unter Präsident Abbas. Doch werden sich beide Seiten wirklich einigen?

Gaza (dpa) - Das palästinensische Kabinett von Ministerpräsident Rami Hamdallah ist zum ersten Mal seit drei Jahren in Gaza zusammengetreten, der Hochburg der rivalisierenden Hamas.

«Das Kabinett hat es sehr geschätzt, dass Hamas die Initiative von Präsident Mahmud Abbas akzeptiert hat, um die innere Teilung zu beenden», sagte Jussef al-Mahmud, Sprecher der Einheitsregierung.

Die radikal-islamische Palästinenserorganisation Hamas hat bereits den Großteil der Verwaltung im Gazastreifen an die Regierung unter Präsident Mahmud Abbas abgegeben. Die Hamas forderte Abbas auf, im Gegenzug seine Strafmaßnahmen für den Küstenstreifen aufzuheben.

Vor zwei Wochen hatte sich die Hamas bereit erklärt, die Verwaltung des Gazastreifens abzugeben und allgemeinen Wahlen zuzustimmen. Die Fatah-Partei von Abbas und die Vereinten Nationen begrüßten den Schritt. Seit 2006 gab es in den Palästinensergebieten keine Parlamentswahlen mehr. Fatah ist die größte und Hamas die zweitgrößte Palästinenserorganisation.

Die Hamas hatte 2007 im Jahr nach ihrem Wahlsieg im Gazastreifen gewaltsam die alleinige Macht an sich gerissen. Sie wird von der EU, den USA und Israel als Terrororganisation eingestuft.

Seither regierte Abbas mit seiner Fatah-Partei nur noch in dem von Israel besetzten Westjordanland. Einigungsversuche zwischen Fatah und Hamas scheiterten immer wieder.

Die Entscheidung der Hamas vor zwei Wochen kam überraschend. In einer Stellungnahme betonte die Organisation, dies sei das Ergebnis «großzügiger Bemühungen von Ägypten, eine palästinensische Versöhnung herbeizuführen». Die Hamas steht von Seiten der Bevölkerung unter Druck, weil sich die Lebensbedingungen in dem dicht besiedelten Küstenstreifen immer weiter verschlechtern.

UN-Generalsekretär António Guterres sprach während eines Besuchs Ende August von einer der dramatischsten humanitären Krisen, die er seit vielen Jahren gesehen habe. Die Bewohner leiden seit Jahren unter massiven Stromausfällen, im Durchschnitt hat jeder Haushalt pro Tag nur drei bis vier Stunden Strom. Außerdem ist laut UN der überwiegende Teil des Trinkwassers verschmutzt. In dem schmalen Küstenstreifen am Mittelmeer leben rund zwei Millionen Menschen.

Im Frühjahr verfügte die Palästinenserbehörde, nicht mehr für den Strom zu zahlen, den Israel bislang nach Gaza liefert. Israel reduzierte daraufhin die Lieferungen. Außerdem kürzte Abbas die Gehälter von Tausenden Fatah-Mitarbeitern im Gazastreifen.

Darüber hinaus trifft die Hamas die Ausgrenzung Katars, das als ihr größter Unterstützer galt. Im Juni hatten Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Ägypten, der Jemen, Mauretanien und Jordanien alle diplomatischen Beziehungen zu Katar abgebrochen. Bis vor kurzem diente Katar der Hamas-Führung als Exilsitz. Im Zuge der Krise mussten die ranghohen Funktionäre jedoch dort ihre Zelte abbrechen.

Israel hat vor rund zehn Jahren eine Blockade über den Gazastreifen verhängt, die mittlerweile von Ägypten mitgetragen wird. Die Staaten kontrollieren strikt die Grenzübergänge und begründen dies mit Sicherheitsinteressen. Israel und die Hamas haben in den vergangenen zehn Jahren drei Kriege gegeneinander geführt, die schwere Zerstörungen in dem Küstengebiet hinterlassen haben.

Unklar ist bisher, was mit dem militärischen Arm der Hamas passieren soll. Abbas betonte in einem Interview im ägyptischen Fernsehen, dass seine Regierung jegliche Kontrolle haben müsse. «Alles muss in den Händen der Palästinensischen Autonomiebehörde liegen», sagte der Präsident.

Die Hamas hat dagegen immer wieder deutlich gemacht, dass der bewaffnete Widerstand gegen Israel eine rote Linie für sie bedeute. In der kommenden Woche wollen sich Vertreter beider Seiten in Kairo treffen, um weiter zu beraten.

Ghassan Chatib, Politikprofessor von der Birseit-Universität, sieht Ägypten als entscheidenden Faktor für die Erfolgschancen des Versöhnungsversuchs. «Ägypten ist das einzige Land, das diesen Konflikt lösen kann, weil Ägypten das einzige arabische Land ist, dass einen echten Einfluss auf die Palästinensische Autonomiebehörde und die Hamas hat», sagte Chatib.

Die Palästinenser wollen einen unabhängigen Staat Palästina im Gazastreifen, dem Westjordanland und in Ost-Jerusalem ausrufen. Der Bruderzwist zwischen beiden Parteien gilt als ein Hindernis auf dem Weg dahin. Die rechts-religiöse Regierung von Benjamin Netanjahu betont immer wieder, es gebe auf der palästinensischen Seite keinen echten Partner für eine Friedenslösung.

Netanjahu äußerte sich am Dienstag kritisch. «Wir erwarten von jedem, der über einen Friedensprozess spricht, dass er Israel anerkennt, und natürlich einen jüdischen Staat anerkennt», sagte er. «Wir werden keine falschen Versöhnungen akzeptieren, bei denen sich die palästinensische Seite offenkundig auf unsere Kosten versöhnt.»

Der ultra-rechte Erziehungsminister Naftali Bennett forderte die israelische Regierung dazu auf, Steuerüberweisungen an die Palästinenser einzustellen. Israel hatte in der Vergangenheit wiederholt Steuern und Zölle, die den Palästinensern zustehen, als Strafmaßnahme vorübergehend einbehalten und diese dann später wieder ausgezahlt. «Israel muss aufhören, der Geldautomat des Terrors zu sein», sagte Bennett.