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Hamburger Datenschützer erwägt Bußgeldverfahren gegen Facebook

Heute soll Facebook-Cheflobbyist Joel Kaplan im Bundestag zum Datenskandal Rede und Antwort stehen. Datenschützer prüfen derweil Strafmaßnahmen.

Im Zusammenhang mit dem jüngsten Datenskandal gerät Facebook in Deutschland stärker unter Druck. „Derzeit prüfen wir die Einleitung eines Bußgeldverfahrens gegen Facebook“, sagte der bundesweit für das weltgrößte Internet-Netzwerk zuständige Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar dem Handelsblatt.

„Es geht dabei insbesondere um das unzulässige Bereithalten von personenbezogenen Daten zum Abruf mittels automatisierter Verfahren. Hintergrund ist die massenweise Zugriffsmöglichkeit, die App-Entwickler auf Daten Dritter bis etwa Mitte 2015 auf der Plattform gewährt wurde.“

Ein Bußgeldverfahren hatte jüngst schon der CDU-Digitalpolitiker Thomas Jarzombek ins Spiel gebracht. „Dass deutsche Nutzer nicht bereits 2015 informiert wurden, ist ein klarer Verstoß gegen unser Datenschutzgesetz und muss nun deutliche Konsequenzen haben“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem Handelsblatt. Das Bundesdatenschutzgesetz sieht für solche Fälle Bußgelder von bis zu 300.000 Euro vor.

Der derzeitige finanzielle Strafrahmen sei zwar bis zum Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Mai nicht besonders hoch, sagte Jarzombek. „Aber die Öffentlichkeitswirkung des Verfahrens ist auch im Hinblick auf den neuen Strafrahmen eher relevant, auch für die Investoren von Facebook.“

Die EU kann vom 25. Mai an bei gravierenden Verstößen bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens als Bußgeld verhängen. Das wären bei Facebook, das 2017 über 40,6 Milliarden Dollar umsetzte, rund 1,6 Milliarden Dollar.

Angesichts dieser Summe werde sich das Unternehmen gut überlegen, ob es die geltenden Regeln einhalte, erklärte Justizministerin Katarina Barley (SPD) am Dienstag bei einer Veranstaltung in Berlin. Die von Cambridge Analytica betriebene politische Manipulation mit persönlichen Facebook-Nutzerdaten sei eine „gefährliche Situation“. „Am Ende muss man die Leute, den Konzern an den Hammelbeinen greifen, da wo es wehtut“, so Barley. Und das seien die in der Datenschutzgrundverordnung vorgesehenen Bußgelder.

Laut Caspar wurde zudem ein „Verwaltungsverfahren nach dem Transparenzgesetz“ gegen das Online-Netzwerk eingeleitet. „Danach prüfen wir, ob einem Antragsteller ein Anspruch nach Maßgabe des Hamburgischen Transparenzgesetzes auf Herausgabe von Facebooks Antworten auf Fragen der Aufsichtsbehörden zukommt.“ Oder ob die Antworten, wie der Datenschutzbeauftragte hinzufügte, „Facebooks Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen, was einer Herausgabe entgegenstehen könnte“.

Die Grünen-Verbraucherpolitikerin Tabea Rößner lobte das Vorgehen. „Ich bin froh, dass immerhin der Datenschutzbeauftragte Caspar wirklich alle Register zieht, um Licht in den Facebook-Skandal zu bringen und für Konsequenzen für das Unternehmen zu sorgen“, sagte Rößner dem Handelsblatt. Denn auf EU-Ebene werde es von Seiten der irischen Behörde wohl keine derartigen Maßnahmen geben. „Es ist bedenklich, dass die Hoffnungen der deutschen Bürgerinnen und Bürger also auf den Schultern eines engagierten Datenschutzbeauftragten liegen, während die Bundesregierung sie im Regen stehen lässt.“

Die britische Firma Cambridge Analytica hatte Daten von bis 87 Millionen Facebook-Nutzern abgegriffen, um den Wahlkampf von US-Präsident Donald Trump zu unterstützen. In Deutschland waren die Daten von 65 Nutzern und potentiell die von knapp 310.000 Freunden dieser Nutzer betroffen.

Am Freitag soll der Facebook-Cheflobbyist Joel Kaplan vor Mitgliedern des Rechts- und Digitalausschusses im Bundestag zum Missbrauch von Daten der Facebook-Kunden und weiterer Internet-Nutzer Rede und Antwort stehen.

Der innen- und rechtspolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Volker Ullrich, erwartet von Kaplan „umfassende Aufklärung“ über den Datenmissbrauch. „Ich gehe auch davon aus, dass Facebook Vorkehrungen treffen und deren Wirkung nachvollziehbar darlegen wird, um solche Vorfälle künftig zu verhindern“, sagte Ullrich.

Ullrich fordert von Facebook zudem, sich dazu zu bekennen, das hohe Schutzniveau der im Mai in Kraft tretenden EU-Datenschutzgrundverordnung zu garantieren. „Wenn Facebook nun erklärt, von einer weltweiten Anwendung der umfassenden EU-Datenschutzregeln absehen zu wollen, trägt das nicht dazu bei, das Vertrauen der Nutzer wiederherzustellen, dass ihre Daten nur für die vorgesehenen Zwecke verwendet werden“, sagte der CSU-Politiker.

Wie würden denn die Daten von Nutzern hinreichend geschützt, wenn sie mit anderen Nutzern kommunizieren, für die weniger Datenschutz gelte? Auf diese und andere Fragen seien Antworten notwendig.

Facebook hatte zuvor erklärt, von einer weltweiten Anwendung der neuen umfassenden EU-Datenschutzregeln abzusehen. Dafür sei die Zuordnung eines Großteils der mehr als zwei Milliarden weltweiten Nutzer verändert worden, bestätigte der US-Konzern der Nachrichtenagentur Reuters sein Vorhaben.

Bisher galten für alle Mitglieder außerhalb der USA und Kanada die Nutzungsbedingungen der internationalen Zentrale in Irland. Ab Mai wird sich das ändern. Dann werden nur noch die 370 Millionen Nutzer in Europa Irland zugeordnet und fallen damit unter die strengeren EU-Datenschutzvorgaben. Mit dem Schritt verhindert Facebook, dass auch die rund 1,5 Milliarden Mitglieder in Afrika, Asien, Australien und Lateinamerika besser geschützt werden.

Vor allem dürfte es dem weltgrößten Internet-Netzwerk bei der Neuaufteilung darum gehen, mögliche Strafzahlungen so klein wie möglich zu halten.

Firmenchef Mark Zuckerberg hatte bereits erklärt, Facebook wolle grundsätzlich die Privatsphäre der Nutzer weltweit garantieren, allerdings mit Ausnahmen. Details nannte er nicht.

Technologieberater Michael Veale vom University College London sagte, Facebook stelle mit der Neuaufteilung sicher, dass ein Großteil der den Dienst nutzenden Personen unter die milderen US-Datenschutzgesetze fielen. So würden bei der DSGVO Suchanfragen zu den persönlichen Daten zählen, während dies in den USA nicht der Fall sei.

Der Union im Bundestag geht es nicht nur um die Einhaltung von Datenschutzregeln. „Ich erhoffe mir auch mehr Transparenz bei der Datenverarbeitung und hinsichtlich der verwendeten Algorithmen“, sagte der CSU-Rechtspolitiker Ullrich. „Die Frage, wie und nach welchen Kriterien Nachrichten angezeigt werden oder wie Facebook sortiert, ist für die Beeinflussung politischer Kommunikation und für die Geltung der Meinungsfreiheit von großem Belang.“

Auch die künftige e-Privacy-Verordnung der EU für einen besseren Schutz von Kommunikationsdaten „sollte ein Instrument werden, den Datenschutz von Nutzern sozialer Netzwerke noch stärker zu präzisieren“.