TV-Showdown mit Trump - und Taylor Swifts Segen für Harris
Philadelphia/Washington (dpa) - Die demokratische US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris hat sich mit ihrem Kontrahenten Donald Trump eine hitzige TV-Debatte geliefert und im Anschluss überraschend die Unterstützung von US-Superstar Taylor Swift gesichert. Harris und Trump überzogen sich bei ihrem ersten Duell gegenseitig mit scharfen Angriffen. Sie warfen einander vor, das Land heruntergewirtschaftet zu haben, keinen Plan für die drängenden Probleme zu haben und Lügen zu verbreiten. Swifts Unterstützung für Harris unmittelbar im Anschluss stellte die Debatte aber in den Schatten, denn der Einfluss der Sängerin in den USA ist immens und dürfte den Wahlkampf merklich beeinflussen.
Erstes Aufeinandertreffen der beiden
Es war überhaupt das erste Mal, dass sich die amtierende Vizepräsidentin Harris und der frühere Präsident Trump von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden - und das gleich zum vermutlich wichtigsten Showdown vor der Wahl am 5. November. Bei ihrem ersten Aufeinandertreffen auf der Bühne schüttelten die beiden einander die Hand. Die Demokratin ging auf den Republikaner zu und stellte sich in der Veranstaltungshalle in Philadelphia als «Kamala Harris» vor. Danach gingen beide sofort in den Angriffsmodus über.
Trump bezeichnete Harris wiederkehrend als «radikale Linke». Die Demokratin wiederum sagte mehrfach, ihrem Kontrahenten seien die Bedürfnisse der Bürger egal, ihm gehe es nur darum, andere herunterzumachen.
Klagen über Zerstörung und Chaos
Harris beklagte, Trump habe das Land 2021 in einem desaströsen Zustand hinterlassen - mit der höchsten Arbeitslosigkeit seit der Großen Depression, der schlimmste Epidemie im Gesundheitswesen seit einem Jahrhundert und mit dem schlimmsten Angriff auf die amerikanische Demokratie seit dem Bürgerkrieg. «Und was wir getan haben, ist Donald Trumps Chaos aufzuräumen.»
Trump wiederum beklagte, Harris und US-Präsident Joe Biden hätten das Land während ihrer Amtszeit in den Abgrund gestürzt. «Wir haben eine Nation, die im Sterben liegt», sagte er. Bei diversen Fragen brachte der Republikaner das Thema Migration auf und beschuldigte Harris und Biden, sie hätten Abermillionen Migranten und Kriminelle unkontrolliert ins Land gelassen. «Sie haben die Struktur unseres Landes zerstört.»
Trump unterstellte Migranten sogar, sie würden Haustiere essen. «In Springfield essen sie die Hunde - die Leute, die hierhergekommen sind - sie essen die Katzen. Sie essen die Haustiere der Menschen, die dort leben», behauptete er ohne jeden Beleg.
Ein ungewöhnlicher Vorschlag
Harris beschuldigte Trump, er wolle Steuersenkungen für Reiche, die einfachen Amerikaner interessierten ihn nicht. Sie appellierte an Bürger, sich bei einem seiner Wahlkampfauftritte selbst ein Bild davon zu machen. «Ich werde etwas wirklich Ungewöhnliches tun und Sie aufrufen, eine von Donald Trumps Kundgebungen zu besuchen», sagte die Demokratin an die Zuschauer gewandt. Trump verbreite dort absurde Behauptungen wie jene, dass Windkraftanlagen Krebs verursachten. «Das Einzige, worüber Sie ihn nicht reden hören werden, sind Sie.» Trump habe keinen Plan für die Menschen im Land. Trump entgegnete pikiert, Menschen gingen erst gar nicht zu Harris' Wahlkampfveranstaltungen.
Trump warf seiner Kontrahentin vor, keinen Plan für die Wirtschaftspolitik zu haben und eine Marxistin zu sein. «Sie hat unser Land mit einer Politik zerstört, die wahnsinnig ist», sagte der frühere US-Präsident. Harris wiederum sagte, sie sei als Vizepräsidentin um die Welt gereist, und die führenden Politiker der Welt lachten über Trump. Sie habe auch mit führenden Militärs gesprochen, von denen einige mit dem Republikaner gearbeitet hätten. «Und sie sagen: Sie sind eine Schande.»
Ein Neuanfang mit einer alten Bekannten?
Die beiden warfen einander auch mehrfach vor zu lügen. Harris beklagte, Trump hantiere mit dem gleichen alten abgedroschene Drehbuch und verbreite einen «Haufen Lügen, Beschwerden und Beschimpfungen». Die Amerikaner seien das leid. Mehrfach rief sie das Land dazu auf, ein neues Kapitel aufzuschlagen, nach vorne zu schauen und sich den Bedürfnissen des amerikanischen Volkes zuzuwenden.
Auch in ihrem Abschlussstatement warb Harris für einen «neuen Weg nach vorne» und für Zusammenhalt statt Spaltung. Die Amerikaner hätten so viel mehr gemeinsam als das, was sie trenne. Dass Harris einen Neuanfang verspricht, obwohl sie seit dreieinhalb Jahren mit regiert, ist ein wunder Punkt ihrer Kampagne. Trump zielte genau darauf und warf zum Abschluss der Debatte mehrfach die Frage auf, warum Harris während ihrer bisherigen Regierungszeit nicht all das umgesetzt habe, was sie nun verspreche. Sie sei die «schlechteste Vizepräsidentin in der Geschichte» des Landes.
Wichtiger Zuspruch für Harris nach Bewährungsprobe
Das Duell, das der Sender ABC ausrichtete, war vor allem für Harris eine Bewährungsprobe - Trump dagegen hat schon diverse Fernsehdebatten bestritten, auch in seinen früheren Wahlkämpfen 2016 und 2020. Aus seinem jüngsten TV-Duell Ende Juni war der 78-Jährige als klarer Sieger hervorgegangen. In der Folge hatte die 59-jährige Harris Präsident Biden als Kandidatin der Demokraten abgelöst - das war erst vor wenigen Wochen. Bislang zeigte sie sich überwiegend bei streng choreografierten Wahlkampfauftritten, bei denen ihr Team alles unter Kontrolle hatte. Bei der Debatte gegen Trump musste sie sich nun ohne Skript beweisen.
Überraschend meldete sich wenige Minuten nach Ende der Debatte mit Taylor Swift eine einflussreiche US-Persönlichkeit zu Wort und gab Harris ihren Segen: Sie werde bei der Präsidentenwahl für Harris und deren Vizepräsidenten Tim Walz stimmen, kündigte die Sängerin in einem Beitrag auf Instagram an. Swift hat bei ihren Fans enormen Einfluss - vor allem bei jungen Frauen, einer wichtigen Wählergruppe - und auf der Plattform Instagram rund 283 Millionen Follower.
In dem Beitrag schrieb sie, die Fernsehdebatte verfolgt zu haben. Es sei ein guter Zeitpunkt, sich über die jeweiligen Positionen der Kandidaten zu informieren. Mit Blick auf Harris schrieb Swift: «Ich halte sie für eine besonnene, begabte Führungspersönlichkeit und glaube, dass wir in diesem Land so viel mehr erreichen können, wenn wir von Ruhe und nicht von Chaos geleitet werden.»
Kopf-an-Kopf-Rennen
Harris und Trump liegen in Umfragen in etwa gleichauf. Beide wollen vor allem unentschlossene Wählerinnen und Wähler für sich gewinnen. Einer aktuellen Umfrage zufolge sind Harris' Positionen vielen Menschen wenig bekannt. Sie bemühte sich daher bei der Debatte, ihre inhaltlichen Ziele auszubreiten - unter anderem bei ihrem Paradethema Abtreibung. Auch diverse außenpolitische Themen - Nahost, Ukraine, China, Afghanistan - kamen zur Sprache. Hier wiederholten die beiden vor allem bekannte Positionen.
Das einzige TV-Duell der beiden?
Vorab hatte es langes Gezerre um den Termin für die Fernsehdebatte gegeben. Unmittelbar nach dem Duell erklärte sich Harris' Team umgehend zu einer zweiten Debatte im Oktober bereit. Bislang ist allerdings noch kein Termin für ein weiteres Duell vereinbart. Als Nächstes sind die Vizekandidaten an der Reihe: Tim Walz und J.D. Vance treffen sich am 1. Oktober (Ortszeit) zum Schlagabtausch.