Hart aber fair: AfD-Gründer Bernd Lucke verteidigt Migranten

Bernd Lucke
Parteigründer Bernd Lucke distanziert sich deutlich von der AfD von heute (Foto: WDR/Dirk Borm)

Die EU wird 60 – die Feierstimmung bleibt aus. Frank Plasberg und seine Gäste unterziehen die EU dem “Bürgercheck”. Das Ergebnis: Edmund Stoiber rastet aus. Und Bernd Lucke stellt sich gegen jene Partei, die er gegründet hat.

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Solidarität ist keine Wurst. Das lehrte uns gestern Abend Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Sie lässt sich nicht in Scheiben schneiden. “Es will mir nicht in meinen kleinen Kopf, dass Länder die fünf, sechs, sieben Millionen Einwohner haben, nicht 2000, 3000, 4000 Menschen aufnehmen können, Menschen, die vor dem Krieg fliehen.” Gerade jene mangelnde Bereitschaft zur Solidarität, das ist für ihn der Nährboden der Krise, in der sich die EU momentan befindet.

Großes Thema gestern bei Frank Plasberg: Der Zusammenhalt und Zerfall Europas. “Feiern gegen die Krise?”, fragt sich Plasberg und unterzieht in “Hart aber fair” Europa einem knallharten “Bürgercheck”.

Katerstimmung zum 60.

Die Europäische Union wird 60. Und feiert die Römischen Verträge. Doch irgendwie fühlt sich dieser Geburtstag so an, als wäre der Kuchen längst abgeräumt, der Rausch der Gäste Katerstimmung gewichen. Bürokratiemonster, Flüchtlingsstreit, Brexit, Erdogan, Putin, Trump. Überraschungen? Fehlanzeige. Die Auswahl der Fragen der Bürger war zu erwartbar. Europa, das ist mehr als Flüchtlingspolitik. Doch wesentlich davon weg bewegte sich die Diskussion gestern nicht.

Das war vor allem einem geschuldet, dem Rumpelstilzchen der Runde: Edmund Stoiber, der immer wieder japste, dass sich 2015 nicht wiederholen dürfe, nicht wenige EU-Länder sämtliche Flüchtlinge aufnehmen müssten, die Verteilung gescheitert sei. Regelrecht in Rage redete sich der langjährige Bürokratieabbaubeauftragte der EU. Nur Plasbergs beruhigende Worte, so der Eindruck, bewahrten ihn schließlich vor dem Herzkasper.

Lucke kanzelt Populismus ab

Und dann war da noch Bernd Lucke: Ein Lucke, der sich von der AfD, die er mitbegründet hat, überraschend deutlich distanzierte. Ein Lucke, der sich vor Flüchtlinge stellte. Der niederländische Premier Mark Rutte hatte mit einem offenen Brief Migranten und Flüchtlinge aufgefordert, keinen Müll auf die Straßen zu werfen: “Benimm dich normal – oder geh weg.”

“Völliger Populismus”, kanzelte Lucke die Worte ab. “Das war meines Erachtens unredlich. Die meisten Flüchtlinge benehmen sich ordentlich und versuchen, sich zu integrieren”, sagte Lucke, mittlerweile Vorsitzender der Partei Liberal-Konservative Reformer, früher: Alfa. Weg mit den Vorurteilen. Angesprochen auf die Positionen der AfD, sagte der Europapolitiker nur: “Ich habe so etwas nie gefordert.“

Zu viel Geschwafel – nicht nur in der EU

Das Grundproblem der Sendung ist möglicherweise auch das Grundproblem der EU – jedenfalls ihrer Außenwahrnehmung bei der Bürgern: Es wird zu viel geschwafelt, sich im Kleinklein verloren, über mehr Unsinn als Sinn gesprochen. Statt über die großen Errungenschaften Europas, den Frieden, zu diskutieren, ging es schließlich um die Fön-Verordnungen. Und die Frage, warum die EU kleinere Löcher in der Dusche fordert, um Wasser zu sparen.

“Europa muss für das Große zuständig sein”, forderte dann auch Stoiber. Und zeigte gleich, wer nach Meinung des CSU-Ehrenvorsitzenden das Sagen haben sollte: “Angela Merkel ist die erste, die eine Lead-Funktion in Europa hat. Wenn Deutschland die Führungsrolle nicht übernimmt, wird es mit Europa nicht weitergehen!“ Hört, hört. Vielleicht ist es auch genau jener Größenwahn einiger Länder, der dazu führt, dass sich andere zunehmend ausgeschlossen fühlen.

“Wenn wir zwei Sachen beachten – nämlich Solidarität und Rechtsstaatlichkeit – ist Europa eine Erbschaft, die uns durch das 21. Jahrhundert führen wird”, erinnert Asselborn. Also weg mit den Wurstscheiben, her mit der Geburtstagstorte. Sein versöhnliches Plädoyer: “Ohne die EU wäre alles viel schlimmer.” Wenn das Grund zum Feiern ist.

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