Politikberater bei „Hart aber Fair“: „Die CDU bekommt ein massives AKK-Problem“
Ein grüner Bundeskanzler in Deutschland? Welche Folgen die Europawahl auf die deutsche Politik hat, wurde am Montag bei „Hart aber fair“ diskutiert. Harsche Worte gibt es für CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.
Das Ergebnis der Europawahl ist ein herber Schlag für Deutschlands Volksparteien: Die Sozialdemokraten und konservative Europäische Volkspartei haben erstmals seit Jahrzehnten die absolute Mehrheit im EU-Parlament verloren. Als „niederschmetternd“ bezeichnet das Ergebnis SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, der am Montag bei „Hart aber fair“ zu Gast war. Wie ein begossener Pudel sitzt er zusammen mit Mike Mohring von der CDU bei „Hart aber fair“ und rechtfertigt sich für seine Partei zum Thema:
„Europa hat gewählt: Wer ist bei uns angezählt?“
Die Gäste bei Frank Plasberg:
Markus Feldenkirchen: SPIEGEL-Journalist
Lars Klingbeil: SPD-Generalsekretär
Ricarda Lang: Grüne-Jugendbundessprecherin
Mike Mohring: CDU-Landesvorsitzender in Thüringen
Michael Spreng: Journalist und Politikberater
Verlierer des Abends: CDU hat auf YouTuber Rezo falsch reagiert
Mike Mohring hätte in vielen Situationen anders gehandelt als die CDU-Parteispitze. Kein Wunder, dass Journalist Markus Feldenkirchen fragt: „Hört man nicht auf Sie in der Parteizentrale?“ Kritisch empfindet Mohring vor allen Dingen die Reaktion auf das Video des YouTube-Stars Rezo, der in einem Video vor der Wahl dazu aufgerufen hat, nicht die Union, SPD und AFD zu wählen: „Das war eine riesen Chance auf junge Leute zuzugehen. Weil sie tagelang rumgezögert haben, ist natürlich die Tür zugegangen.“
Annegret Kramp-Karrenbauer hatte sich am Montag erneut zu Rezo geäußert und fordert eine offensive Debatte über Meinungsmache im Internet. Es klingt, als wolle sie Meinungen in Wahlkampfzeiten regulieren. Mohring stellt sich gegen AKKs Äußerung: „Meinungsmache ist nicht regulierbar, ganz einfach.“ Jeder dürfe Wahlaufrufe machen – egal ob Journalist oder YouTuber.
Kritik des Abends: „Die Frau wirft die CDU zurück“
Die härteste Kritik des Abends kommt von Michael Spreng. Der Journalist und ehemalige Wahlkampfberater von Edmund Stoiber versteht nicht, dass sich die CDU nach der Wahlniederlage erneut im Ton vergreift: „In der CDU haben einige den Knall noch nicht gehört“, sagt Spreng und wendet sich an Mohring: „Sie wissen es noch nicht oder wollen es nicht wahrhaben, aber die CDU bekommt ein massives AKK-Problem. Sie war bei dieser Wahl kein Bonus, sie war ein Malus. Die Frau wirft die CDU zurück.“
Einsicht des Abends: SPD muss sichtbarer werden
Selbstkritisch gegenüber seiner Partei ist Lars Klingbeil: „Ich habe leider auch in meiner Partei viel zu oft erlebt, dass 'Fridays for Future' oder die Proteste gegen Uploadfilter belächelt und abgetan wurden. Beim Thema Klimaschutz war die SPD nicht auf dem Platz, da hatten wir kein Angebot.“ Die SPD müsse in Klimafragen sichtbarer werden. Er glaubt jedoch nicht, dass eine Personaldebatte die SPD nach vorne bringen wird. Dennoch: Parteichefin Andrea Nahles will kommende Woche in der Bundestagsfraktion die Vertrauensfrage stellen und die Fraktionswahl, die eigentlich für September vorgesehen war, vorziehen.
Gewinner des Abends: Junge Generation will Veränderung
Die Grünen sind zweitstärkste Kraft bei der Europawahl und mit einigem Abstand vor der SPD. Bei Plasberg macht deren Jugendbundessprecherin Ricarda Lang einen vielversprechenden Eindruck. Mit 25 Jahren ist sie eloquent genug, um Mike Mohring Parole zu bieten. Auch sie kritisiert AKKs Statement gegenüber Rezo: „Sie hat abwertend, arrogant und undemokratisch reagiert.“ Mohring versucht Lang belehrend zurechtzuweisen: „Es ist nicht undemokratisch, nur weil es nicht die Meinung der Grünen ist.“ Lang sieht das Wahlergebnis als „Weckruf“: Die junge Generation habe eine klare Absage an die Politik des Verwaltens und des Stillstands erteilt und gezeigt, dass eine Veränderung will. Kilmaschutz müsse Priorität haben, das sei die neue politische Realität.
Frage des Abends: Stellen Grüne bald neuen Bundeskanzler?
Abschließend stellt Moderator Frank Plasberg eine spannende Frage: „Wird es in den nächsten zehn Jahren einen Grünen-Bundeskanzler geben?“
Politikberater Michael Spreng kann sich vorstellen, dass die Grünen die stärkste Partei werden: „Bei SPD und CDU sterben ältere Wähler weg, die ihr Stammklientel sind. Die ´Friday for Future´-Jugend kommt ins Wahlalter und das wird weiter die Entwicklung verändern.“
Journalist Markus Feldenkirchen: „Wenn die drei links von der Mitte stehende Parteien ihre Zwistigkeiten der letzten 15 Jahre aufgeben und eine linke Mehrheit gemeinsam anspringen, dann wir der Grüne der Bundeskanzler und nicht der Sozialdemokrat.“
Ricarda Lang von den Grünen: „Es wäre meine Hoffnung.“
CDU-Mann Mike Mohring: „Wenn die alte Volkspartei SPD zu ihrer Stärke zurückfindet, dann wird es keinen grünen Bundeskanzler geben.“
Lars Klingbeil hält sich kurz: „Mein Anspruch ist, dass das nicht passiert.“ Mike Mohring dreht sich zu Klingbeil: „Siehste, da sind wir uns doch einig.“