"Hart aber fair" über arabische Clans: "Inwieweit ist diese Debatte rassistisch?"

In der Runde um Moderator Frank Plasberg waren viele Meinungen vertreten, zu richtigen Erkenntnissen führte das trotzdem nicht. Foto: WDR / Dirk Born

Die Politik holt gerade Luft, deshalb bekommen auch die deutschen Polit-Talkshows eine Verschnaufpause: keine Koalitionsgespräche, Debatten über Sinn und Unsinn von Volksparteien oder über die CDU-Nachfolge. In der Themenwoche “Gerechtigkeit” in der ARD geht es bei “hart aber fair” um “Das kriminelle Netz der arabischen Clans – Sind Justiz und Polizei machtlos?”

Frank Plasberg hat sich genau die Menschen ins Studio geholt, die sich mit dem Thema auskennen. Zwar ist hier keiner aus einem arabischen Clan – hat man die überhaupt angefragt? Jedoch sitzen an diesem Montagabend kaum Politiker auf der Bank. Auch mal ein angenehmer Zustand. Stattdessen ist beispielsweise Michael Kuhr geladen, der eine Sicherheitsfirma in Berlin hat und damit zahlreiche Poker-Turniere und Clubs betreut. Er weiß, wie sich in den vergangenen 30 Jahren die Machtverhältnisse auf den Straßen verschoben haben.

Unter den Gästen ist auch Olaf Sundermeyer – der Journalist hat viele Gespräche mit Mitgliedern einer arabischen Großfamilie geführt, sich so deren Vertrauen erarbeitet und eine Dokumentation über sie gemacht. Auch Petra Leister kennt sich im Milieu aus. Sie ist Oberstaatsanwältin in Berlin für organisierte Kriminalität und führt zahlreiche Verfahren gegen die kriminellen Mitglieder dieser Clans. Auf der Gegenseite steht der Strafverteidiger Burkhard Benecken. Er verteidigt die Clan-Mitglieder vor Gericht.

In der Politik angestellt ist lediglich der Innenminister von Nordrhein-Westfalen Herbert Reul, der bei mancher Razzia schon zugegen war, und der grüne Stadtrat in Essen Ahmad Omeirat, der sich dagegen wehrt, dass aus diesem Problem ein ethnisches gemacht wird.

Wer gehört denn überhaupt in diese Kategorie “arabische Großfamilie”, fragt Frank Plasberg zu Beginn seiner Sendung Petra Leister. Sie sagt: “Es handelt sich hier um Personen, natürlich nicht alle, die in den 70er Jahren gekommen sind, in erster Generation, die sich wenig bis gar nicht integriert haben. Die zweite Generation sind die, die schon staatenlos geblieben sind und sehr stark aufgefallen sind mit Straftaten. Und die dritte Generation haben wir jetzt, da stellt man fest, dass einige die deutsche Staatsangehörigkeit haben, aber trotzdem in dieses Milieu hinein gewachsen sind. Da hat sich also nicht so etwas entwickelt wie die Anpassung an die deutsche Gesellschaft, das Streben nach vernünftiger Bildung oder Erlangung von Konsumgütern auf legale Weise.”

Auch Deutschland hat Schuld an fehlgeschlagener Integration

Im Libanon brach 1975 der Bürgerkrieg aus. Viele Menschen flohen aus ihrem Heimatland nach Deutschland. Doch Deutschland verstand damals überhaupt nichts von “Integration”. Ein Recht auf Asyl gab es ebenso wenig, wie die Erlaubnis zu arbeiten oder die Kinder in die Schule zu schicken. Deshalb kann man nicht allein den Geflüchteten die Schuld für ihre verfehlte Integration in die Schuhe schieben. In Deutschland waren keineswegs die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass diese gelingen konnte. Also blieben sie unter sich. Um Geld zu beschaffen, gingen sie in die Kriminalität. “Der Staat hat versagt”, gibt auch Herbert Reul zu.

Doch auch heute verdingen sich viele Kinder von Bürgerkriegsflüchtlingen mit Kriminalität. Einem Geschäftszweig, der durch die Familien erst möglich gemacht wird. Michael Kuhr hat das beobachtet: “Die arabische Community hält eng zusammen. Ich bin seit 1982 im Geschäft und habe mitbekommen, wie sie sich entwickelt haben – mit äußerster Brutalität. Da haben sie die Deutschen vom Markt gedrängt und haben die Drogengeschäfte übernommen und die anderen Geschäfte wie das Rotlicht-Milieu haben sie auch übernommen, weil sie eben brutaler sind als die Deutschen. Die Araber waren bereit zu schießen und die Deutschen waren nicht unbedingt bereit. Die halten viel enger zusammen. Die rufen an und dann kommen 20, 30 Leute.” Er betont allerdings auch mehrfach, dass es sich hierbei nicht nur um arabische Kriminelle handelt, sondern auch um andere Nationalitäten.

Warum die Clans sich überhaupt bereit erklärt haben, mit dem Journalisten Sundermeyer ein Gespräch zu führen, erklärt er so. “Man muss sehr viel Geduld haben, aber vor allem geht es den Menschen um Anerkennung, und die bekommen sie, indem sie spektakuläre Überfälle begehen, wie den aufs KdW mitten im Weihnachtsgeschäft, aber auch im Fernsehen.”

Die Presse sorge für “Generalverdacht”

Einer, der das nicht auf sich beruhen lassen kann, ist der Strafverteidiger Benecke. Er verteidigt unter anderem einen Mann, der als einer der größten Clan-Bosse in Deutschland gilt: Arafat Abou-Chaker. “Der hat eine weiße Weste. Wir haben natürlich ein Kriminalitätsproblem, das bezieht sich aber nicht nur auf arabische Clans. Es gibt ganz viele andere Gruppierungen, die ebenso Straftaten begehen.” Er findet, die Presse stelle viele Menschen gemeinsam unter einen Generalverdacht und ist dagegen, dass Menschen wie Sundermeyer “einfach Behauptungen in den Raum stellten”, die sie gar nicht belegen könnten.

Nun ist es schwierig, Benecke einzuschätzen. Wer einen Kriminellen verteidigt, ist trotzdem ihm als Mandanten verpflichtet. Selbst wenn er es also wüsste, wäre er nicht dazu bemächtigt, über Verbrechen aus dem Nähkästchen zu plaudern, das könnte ihn seine Lizenz kosten. Sein Mehrwert für die Runde ist also überschaubar. Es ist zwar interessant, dass er da ist. Erzählen kann er aber wenig, stattdessen wehrt er sich gegen einen Generalverdacht, den er vernimmt. Und das ist sein gutes Recht. Ansonsten bleibt er still.

Dafür ist sein Sitznachbar Ahmad Omeirat umso lauter. Er will nicht, dass immer von “arabischen” Clans in Zusammenhang mit Kriminalität berichtet wird. “Das ist kein Problem der Ethnie”, sagt er. Und hat damit nicht ganz Unrecht. Alle Menschen einer Ethnie in einen Topf zu werfen, ist nie richtig. Immer wieder betonen zu müssen, dass nicht alle arabischen Familien Verbrecher sind, ist aber auch nicht ganz praktikabel. Leider redet sich der Grünen-Politiker immer schnell in Rage, wenn er das Wort hat, wodurch seine eigentlichen Argumentationspunkte schwer zu verstehen ist. Hängen bleibt: Als Omeirat nach einer Ausbildungsstelle suchte, schrieb er 200 Bewerbungen. Nirgendwo wurde er genommen. Er führt das auf seinen Namen zurück. Wenn dem so ist, ist es schlecht. Er will nicht wie ein Krimineller behandelt werden. Verständlich.

Als Petra Leister erneut sagt, sie halte es aber doch für eine Frage der Ethnie, schimpft er laut: “Dann müssen wir uns fragen, inwieweit die Debatte hier rassistisch ist.” Ein ebenso harter Ansatz für eine doch recht ausgewogene Gruppe, wie der von Michael Kuhr. Die ganze Sendung lang, war der Sicherheitsmann geradezu stoisch ruhig, doch am Ende platzt ihm der Kragen: “Wir haben keine Mittel wirklich hart zu bestrafen, sodass der Respekt vor dem Staat wieder da ist”, sagt er. “Wir müssen Kriminelle abschieben, bevor es zu spät ist.” Ist dies eine Zeit, in der wir die Fehler von früher wiederholen? Bei all den Integrationsbestrebungen, Deutschkursen und Schulungsmöglichkeiten erhofft man sich für die Zukunft eine andere Perspektive für Geflüchtete in Deutschland. Die Frage, ob die Polizei machtlos gegenüber den kriminellen Mitgliedern der Clans ist, wurde nicht beantwortet.