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Zu Hause in drei Kulturen

In der ARD-Komödie "Servus, Schwiegersohn!" spielt der 1968 in Ostanatolien geborene Adnan Maral den überangepassten bayrisch-türkischen Inhaber eines Sanitärbetriebs, der seiner Tochter partout die Heirat mit einem türkischen Studenten verweigert. Und dann will dieser Toni Freitag auch noch Schützenkönig werden. Den Schauspieler muss man einfach interviewen!

Ein starker Händedruck, ein offenes Gesicht mit einem Lächeln unter den dicken schwarzen Augenbrauen: Adnan Maral, geboren 1968 in Ostanatolien, aufgewachsen in Frankfurt / Main und später Theater- und Filmschauspieler in Berlin, ist wirklich so wie in seinen Filmen: ein offener, humorvoller Mensch. Er sei "immer guter Laune" gewesen und habe "beim Spielen immer Spaß gehabt", erinnert sich in einer BR-"Lebenslinien"-Doku der Regisseur Alexander Brill, der mit ihm im "Jugendclub" am Schauspiel Frankfurt vor 30 Jahren Theater machte. Damals, in den 80er-Jahren, musste man sich als Türke in Deutschland noch beweisen und "dafür kämpfen, dass man hier sein durfte", wie der so Beschriebene sagt. Inzwischen gilt Adnan Maral für viele als "Musteremigrant" - spätestens seit der vielfach preisgekrönten Vorabendserie "Türkisch für Anfänger" (2006), in der er das Familienoberhaupt Metin Ötztürk spielte. Die Cross-Culture-Stoffe blieben Maral später treu. "Servus, Schwiegersohn!" (Freitag, 11. Oktober, 20.15 Uhr, ARD) dreht nun den Spieß des kulturellen Aufeinanderpralls um: Ein türkischer Bayer im Trachtenjanker will hier seiner deutschen Tochter partout die Hochzeit mit einem Türken verweigern.

teleschau: Was für eine Rolle! - Toni Freitag hat sich offensichtlich mit Erfolg an die bayerische Mentalität angepasst. So sehr, dass er im Dorf nicht nur Schützenkönig werden will, sondern seiner Tochter die Hochzeit mit einem Türken verweigert. Wie viel steckt von Ihnen in diesem Menschen?

Adnan Maral: Eigentlich nichts. Sich so wie dieser Toni Freitag aufzugeben - muss man das? Toni tut zu viel, um dazuzugehören. Dazugehören ist wichtig, aber Toni geht über seine eigenen, seine persönlichen Grenzen hinaus. Er verleugnet seine türkischen Wurzeln. Auch die seiner Tochter übrigens, die er an sie weitergegeben hat.

teleschau: Franzi, die Tochter, kommt aus dem Türkeiurlaub mit einem türkischen Studenten zurück, der in Berlin Internet-Technologie studiert. Für Toni, der bayrischer als jeder Bayer sein will, ein ziemlicher Schock.

Maral: Ja, sie sucht bei diesem Urlaub nach ihren Wurzeln und findet sie in der Türkei und in Osman, einem IT-Studenten aus Berlin. In diesem Augenblick holt Toni die Vergangenheit ein. Er merkt: Das Türkische ist ein Teil von mir. Am Ende des Films, nach der Versöhnung von Vater und Tochter, fliegen alle zusammen in die Türkei. "Ich war lange nicht da - mal sehen, was das mit mir macht", sind da Tonis Gedanken.

"In Wirklichkeit hat man viele Wurzeln"

teleschau: Sie selbst sind mit ihrer Familie als Kind im Alter von zwei Jahren nach Frankfurt gekommen. Ihr Vater, Maschinenschlosser, gehörte zur ersten Gastarbeitergeneration. Sie sind in einem Gastarbeiterviertel aufgewachsen. Wie fremd fühlten Sie sich, was ist davon bis heute geblieben?

Maral: Man musste damals noch die Berechtigung nachweisen, hier zu sein. In Wirklichkeit hat man viele Wurzeln, nicht nur türkische. Als ich später als Schauspieler nach Berlin gegangen bin, habe ich meine Frankfurter Heimat stark vermisst. Im Freundeskreis haben wir dann in Berlin die berühmte Frankfurter Grüne Soße gemacht und uns zusammen über den Austausch von regionalen Traditionen gefreut.

teleschau: Ihre Frau Franziska, eine Schauspielerin, die sie in Berlin kennenlernten, ist Schweizerin. Sie haben zusammen drei Kinder, alle - wie ja auch sie selbst - mit Schweizer Pass.

Maral: Ich stehe zu meinen türkischen Wurzeln und verheimliche das nicht. Und ich gebe sie an meine Kinder weiter. Auch meine Frau gibt ihre Kultur, so weit das möglich ist, an die Kinder weiter. Ich habe die Schweizer Kultur kennen und lieben gelernt und empfinde das als Bereicherung. Ich mag das Schwyzerdütsch, auch wenn ich es noch nicht so gut kann. Aber wir sind da trotzdem entspannt. Unsere Kinder müssen ihren eigen Weg gehen und sich finden. Wir bewegen uns viel in den drei Kulturen, die wir leben. Mal schauen, was sie daraus machen.

teleschau: Sie leben inzwischen mit ihrer Familie in der Nähe des Ammersees, haben eine Produktionsfirma in München. Stimmt es, dass sie die Kinder noch vor den Produktionsarbeiten zur Schule bringen?

Maral: Ja, ich bringe die Kinder jeden Morgen zur Schule. Ich genieße das, es ist eine gemeinsame Zeit, die wir da haben. Manchmal hören wir im Auto auch einfach nur zusammen Musik.

teleschau: Wie sehen Sie nach ihrer Jahrzehnte langen Erfahrung heute das Zusammenleben zwischen Deutschen und Türken bei uns?

Maral: Ich kann das nur aus meiner persönlichen Sicht sagen. Ich finde es toll, ich lebe gerne hier. Weil ich auf die Menschen offen zu gehe, funktioniert das, glaube ich, auch so gut. Wir haben eine wunderbare Nachbarschaft und kümmern uns um einander. So sehr ich früher in Frankfurt oder Berlin die Anonymität der Großstadt geliebt habe, so sehr mag ich heute diese Nachbarschaftlichkeit und diese Schicksalsgemeinschaft.

"Bräuche und Religion bleiben jedem selber überlassen"

teleschau: Ihre Produktionsfirma heißt "Yalla", auf Deutsch so viel wie "Los geht's", "Auf geht's". Sind Sie ausschließlich auf Cross-Culture-Themen spezialisiert?

Maral: Wir wollen Filme produzieren, die Leichtigkeit und zugleich Tiefe haben. Cross-Culture bedeutet für mich nicht einfach den Zusammenprall von Kulturen. Ich möchte Geschichten erzählen, in denen sich einzelne Menschen begegnen. Jeder geht dann seinen Weg und später finden sie sich wieder, und vielleicht spielt es eine Rolle, woher sie kommen und wie die Figuren handeln. Aber es ist nicht zwingend, um eine Yalla- Geschichte zu erzählen. Wir möchte einfach buntere Farben und mehr Kulturen auf den Bildschirm oder die Leinwand bringen.

teleschau: Wie wichtig sind Ihnen in Ihren Filmen Religion und Politik?

Maral: Bräuche und Religion bleiben jedem selber überlassen, da hat jeder seine ganz persönliche Freiheit. Was die Politik betrifft, so finde ich es wichtig, Geschichten von Menschen zu erzählen, die Vorurteile abzubauen helfen. Unlängst ist mir in der Dunkelheit eine dubiose Gestalt entgegengekommen. Ich habe dann schnell die Straßenseite gewechselt. Aber beim Vorübergehen habe ich dann gemerkt: Der andere hat bestimmt genau das Gleiche von mir gedacht wie ich von ihm!

teleschau: Sie sind 1968 geboren. Kann die Jahreszahl Zufall sein?

Maral: Stimmt schon: In der Schule habe ich auch mal zum Megaphon gegriffen und trotz eines schrecklich strengen Direktors "Wir streiken" gerufen. Es ging damals darum, dass die Studiengebühren erhöht werden sollten. Ganz schön mutig war das, aber mir ist dann weiter nichts passiert. Der Direktor hat sich nachsichtig gezeigt.