Haushalt steht auf der Kippe - Aus drei Gründen kostet das Bürgergeld 2025 wohl mehr als die Ampel plant
Rund fünf Milliarden will die Bundesregierung im kommenden Jahr beim Bürgergeld einsparen. Gelingt das nicht, kippt der Haushalt. Derzeit deutet vieles darauf hin, dass es nicht gelingt. Lösungen gibt es. Doch die Bundesregierung kann viele nicht umsetzen.
Bei kaum einem Thema verstellen Scheindebatten so zuverlässig den Blick auf das eigentliche Problem wie beim Bürgergeld. Die jüngste Ausgabe betrifft den Bundeshaushalt für das Jahr 2025: Knapp zehn Milliarden Euro zu wenig, berichtete gestern die „Bild", plane Sozialminister Hubertus Heil (SPD) darin für das Bürgergeld ein. Absichtlich, natürlich. Heute legt sie nach und fragt: „Stoppt Lindner jetzt den Bürgergeld-Beschiss?“
Das wirkt weit hergeholt. Heil verheimlicht nichts und Lindner kann die Ausgaben für das Bürgergeld kaum beeinflussen: Das Grundgesetz verpflichtet die Regierung, Bürger nicht verhungern zu lassen. Das Bürgergeld berechnet sie schon nach dem Existenzminimum. Viel sparen kann sie nicht.
Die Scheindebatte um Heil verstellt den Blick auf das eigentliche Problem.
Bürgergeld: Hinter dem Skandal-Gerede versteckt sich ein echtes Problem
Die Suche nach dem echten Bürgergelddilemma beginnt mit einer Einordnung: Niemand weiß, wie viel das Bürgergeld im kommenden Jahr kostet, weil niemand weiß, wie sich die Wirtschaft im kommenden Jahr entwickelt. Corona-Krise und Ukraine-Krieg zeigen, wie schnell Unvorhergesehenes Schätzungen umwirft. Auch 2025 bringt Überraschungen. Ob positive oder negative, kann niemand sagen.
Entsprechend sagen einige Experten für 2025 ein Wirtschaftswachstum von einem Prozent voraus, andere eine schrumpfende Wirtschaft. Die Prognosen für den Arbeitsmarkt und die Zahl der Bürgergeldempfänger liegen noch weiter auseinander. Die Trefferquote dieser Vorhersagen war bislang immer miserabel.
Der jüngste Skandal um angeblichen „Bürgergeld-Beschiss“ behauptet, Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erwarte für 2025 mehr Bürgergeldempfänger als er im Haushalt einrechnet, verschweige dies aber. Weil das Arbeitsministerium aber um die Unsicherheit von Prognosen weiß, stimmt eher: Heil erwartet gar nichts. Er bereitet sich auf alle Möglichkeiten vor. Dazu gehören auch pessimistischere als die, die er im Haushalt angibt.
Das hat nichts mit Verschweigen zu tun. Das ist sein Job. Der angebliche Bürgergeld-Beschiss ist ein konstruierter Skandal.
Soweit die gute Nachricht für alle Steuerzahler.
Die Bundesregierung rechnet mit einem Ergebnis, dass so fast sicher nicht eintritt
Die schlechte Nachricht beginnt, wie die gute aufhört: Prognosen sind unsicher. Bundesregierungen setzen naturgemäß auf die besseren.
Ein Beispiel: Von der Wachstumsinitiative aus 49 Maßnahmen erhofft sich Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für 2025 ein um 0,5 Prozentpunkte höheres Wirtschaftswachstum. Viele Maßnahmen muss die Regierung aber noch umsetzen. Ob das klappt, ob zum Beispiel alle Bundesländer mitspielen, ist ungewiss. Ob die Maßnahmen einschlagen, wie erhofft, ebenfalls.
Minister Heil stützt seine Haushaltszahlen auf den bestmöglichen Ausgang. Das macht Sinn. Plant eine Regierung Kosten für Maßnahmen ein, plant sie auch mit deren Erfolg. Sonst beschließt sie die Maßnahmen nicht.
Heils Prognose lässt daher aber mehr Raum für schlechte Überraschungen als für gute. Seine Kostenerwartung entspricht eher dem bestmöglichen Ergebnis als dem schlechtesten.
Auch das macht Sinn: Plant die Ampel schon jetzt mehr Milliarden für das Bürgergeld ein, muss sie Steuern erhöhen oder anderswo kürzen: Bildung, Militär, Infrastruktur. Weil Deutschland Investitionen braucht, bringt es durchaus Vorteile, diese Maßnahmen erst zu ergreifen, wenn sie wirklich nötig sind.
Trotzdem braucht Heil 2025 eher mehr Geld als weniger.
Gleich drei Einflüsse könnten das Bürgergeld verteuern
Momentan gefährden vor allem drei Entwicklungen Heils Plan:
Erstens entwickelt sich die Wirtschaft schlechter als erhofft. Experten korrigieren ihre Prognosen für 2025 nach unten. Zwar rechnen die meisten weiter mit Wachstum und mehr Jobs. Weil aber die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter stärker steigt als die Zahl der neuen Arbeitsstellen, rechnen sie auch bei Wachstum mit mehr Bürgergeldempfängern.
Damit Heils Prognose aufgeht, müssten im kommenden Jahr aber Hunderttausende Bürgergeldempfänger vollständig aus dem Bürgergeld ausscheiden. Die Tendenz zeigt eher in die Gegenrichtung.
Zweitens erhalten vor dem Krieg geflüchtete Ukrainer im Gegensatz zu anderen Migranten Bürgergeld. 2025 werden viele Ukrainer ihre Integrations- und Sprachkurse durchlaufen haben und könnten, so eine Hoffnung, aus dem Bürgergeld in Anstellungen wechseln. In anderen Ländern arbeiten bereits deutlich mehr Ukrainer als hier.
Nur rund ein Viertel der Ukrainer hatte laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aber zuletzt keinen Integrationskurs abgeschlossen. Das entspricht höchsten rund 125.000 Menschen, die 2025 aus dem Bürgergeld ausscheiden – wenn sie Hürden wie mangelnde Berufsberatung, Wohnsitzauflagen und Beschäftigungsverbote überwinden sowie zu den offenen Stellen passen. Viel zu wenig für Heils Ziele, wenn die Wirtschaft nicht solide wächst.
Drittens will Heil will 500 Millionen Euro bei den Wiedereingliederungshilfen sparen. Sozialverbände kritisieren das. Diese Leistungen sollen Hemmnisse ausräumen, die Menschen vom Arbeiten abhalten: Sie zahlen Weiterbildungen oder helfen Eltern beim Bezahlen der Kinderbetreuung.
Bringt die Bundesregierung 2025 Hunderttausende Bürgergeldempfänger in Arbeit, klappt der Sparplan. Gelingt dies nicht, fallen auch diese Einsparungen weg.
Experten sind weitgehend einig, was Deutschland jetzt braucht - aber die Ampel kann das kaum umsetzen
Auch ohne Skandal verdeutlicht der Haushalt für 2025 das Problem der Bundesregierung: Die schwächelnde Konjunktur dämpft nicht nur die Steuereinnahmen. Sie verursacht auch immense Kosten. Selbst wenn die Wirtschaft wächst, verschlingt das Bürgergeld schnell Milliarden mehr als eingeplant.
Gleichzeitig erlaubt die Schuldenbremse größere Kreditaufnahmen nur in Notsituationen. Zu geringes Wachstum reicht kaum als Notlage aus. Gibt die Ampel 2025 mehr aus und nimmt weniger ein, muss sie also Leistungen kürzen oder Steuern anheben. Beides trifft die Menschen im Geldbeutel.
Deutschland erlebt gerade eine verwundbare Phase. Vieles hängt davon ab, ob der Wirtschaftsmotor wieder anspringt.
Experten stimmen weitgehend darin überein, was das Land dazu braucht: weniger Bürokratie, billigere Energie, Investitionen in die Infrastruktur. Und weniger Arbeitshürden für ausländische Fachkräfte. Schafft die Ampel in den kommenden Monaten echte Reformen auf diesen Gebieten, rücken ihre Sparziele in Reichweite. Sonst dürfte es eng werden.
Weil die Ampel für viele dieser Maßnahmen Geld braucht, dass ihr auch wegen der Bürgergeldkosten fehlt, steht die Regierung vor einem schwer lösbaren Problem.