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Heaven Shall Burn: "Wir weichen keinen Fußbreit!"

Heaven Shall Burn sind: Eric Bischoff, Christian Bass, Alexander Dietz, Marcus Bischoff, Maik Weichert (v.l.) (Bild: Anja Hofmann)
Heaven Shall Burn sind: Eric Bischoff, Christian Bass, Alexander Dietz, Marcus Bischoff, Maik Weichert (v.l.) (Bild: Anja Hofmann)

Heaven Shall Burn sind zurück: Musikalisch vielfältig wie nie, politisch kompromisslos wie eh und je. Die Herzen der Musiker schlagen links und für Tierschutz und Gerechtigkeit. Gitarrist Maik Weichert im Interview über Jäger, Fußball und Kohlrouladen.

"Wanderer" haben Heaven Shall Burn ihr neues Album genannt, und der Titel passt alleine schon deshalb, weil die Thüringer Metalcore-Heroes ihren Sound auch auf Werk Nummer acht in beeindruckender Weise weiterentwickelt haben. Heaven Shall Burn präsentieren sich so facettenreich wie nie zuvor und durchwandern ein musikalisches Terrain, das von dem brutalen Death-Metal-Track "Prey To God" (mit einem Gastauftritt von Cannibal-Corpse-Sänger George Fisher), der geradezu dreist melodischen Hymne "A River Of Crimson" und dem doomig-progressiven My-Dying-Bride-Cover "The Cry Of Mankind" (mit Sólstafirs Aðalbjörn Tryggvason) abgesteckt wird. Dennoch bleibt die Musik jederzeit unverkennbar Heaven Shall Burn, und auch an der Attitüde der Band hat sich nichts geändert, wie Gitarrist Maik Weichert im Interview mit spot on news versichert: Die Musiker setzen sich vehement gegen Rechtsextremismus und für Frieden sowie Tierrechte ein.

"Wanderer" ist Ihr bisher abwechslungsreichstes und dynamischstes Album. War die Ausrichtung so von vornherein geplant oder hat sich das während der Arbeit daran entwickelt?

Maik Weichert: Rein musikalisch hat sich das so entwickelt. Vielleicht war das dieses Mal von dem Plan unterstützt, den wir für den Sound hatten, dass er der Dynamik mehr Raum gibt. Das ging dieses Mal mehr Hand in Hand, weil da die ruhigeren Passagen es auch vom Sound her schaffen, ruhiger zu sein und nicht alles zum Anschlag hochkomprimiert und gemastert ist. Das war das, was wir vorher geplant hatten. Vom Songwriting her ist das dann irgendwie so ein roter Faden, den man da aufnimmt und der sich von allein ergibt, also da ist wenig Plan dabei. Man hat vielleicht einen Plan wie: "Okay, ich habe hier noch dieses coole Cannibal-Corpse-Riff im Köcher und da machen wir einen Song draus", aber ob sich das dann in einen epischen Song entwickelt oder eine Abrissbirne bleibt, ergibt sich dann.

Es ist auch das erste Album, das Sie mit Christian Bass am Schlagzeug aufgenommen haben. Hat sich das irgendwie auf die Studioarbeit ausgewirkt?

Weichert: Die "Veto" hat ja noch Dan Wilding, der Carcass-Drummer, eingespielt. Das war dann eher so Session-mäßig. Der ist ja auch ein wahnsinnig guter Musiker, der da hingeht und das Zeug runterspielt, aber das braucht natürlich eine ganz andere Vorbereitung als mit einem, der fest in der Band integriert ist. Da hat man ja auch vorher viel mehr Rückkopplung miteinander und man hört das Material auch in der Entstehung und so weiter. Also ich habe dann ein anderes Gefühl dabei, aber ob das Ergebnis irgendwie anders klingt als wenn Chris jetzt ein Session-Musiker gewesen wäre, kann ich ehrlich gesagt nicht beurteilen.

Wofür steht das Wanderer-Thema?

Weichert: Wir haben bewusst für den Plattennamen keinen Artikel gewählt, um ein bisschen offen zu lassen, ob das nun Deutsch oder Englisch ist. Aber es ist auf jeden Fall eher die Dimension drin, die in dem Englischen "Wanderer" so ein bisschen mitschwingt, das hat ja noch mehr als im Deutschen auch etwas von einem Suchenden. Dieses Wanderer-Motiv steht auch ziemlich gut für eine geistige und nicht nur eine körperliche Bewegung. Diese Einheit wollten wir darstellen und deshalb ist das ein ziemlich starkes Wort für uns gewesen, weil es einerseits so eine Ruhe ausstrahlt aber andererseits auch eine Aktivität ist, die einen voranbringt und auch wieder Kraft schöpfen lässt.

Wandern Sie auch selbst in der Band?

Weichert: Ja klar, wir sind ja fast alle in den Thüringer Wäldern aufgewachsen. Bei uns sind keine Großstadtkinder dabei außer vielleicht unserem Drummer Chris, der aus dem Ruhrpott kommt. Aber wir sind ja sonst alles Thüringer Jungs und haben das Wandern von der Pike auf mitbekommen und sind in der Natur unterwegs gewesen, und das ist auch heute immer noch so. Es ist selten, dass wir zusammen wandern gehen, das kommt vielleicht ein paar Mal im Jahr vor. Aber so jeder für sich, oder mit der Partnerin oder den Kindern, das auf jeden Fall. Da kommt man in Thüringen um das Wandern nicht drum herum, das ist hier so eine der Haupt-Freizeitbeschäftigungen.

Das Wandern ist des Thüringers Lust (Bild: Christian Thiele)
Das Wandern ist des Thüringers Lust (Bild: Christian Thiele)

Auch mit dem Artwork, das auf Landschaftsaufnahmen basiert, gehen Sie neue Wege. Woher kam die Idee?

Weichert: Die Idee kam auf, als ich zur Jahreswende mal wieder in Island war und da viele Momente hatte, die mich zu Lyrics auf der Platte inspiriert haben. Die Idee war, genau diese Orte, die mich auf meiner Wanderschaft durch Island inspiriert haben, eben in dieses "Wanderer"-Konzept der Platte einfließen zu lassen. Wir wollten diese inspirierenden Orte zeigen und gleichzeitig auch die stille Schönheit und Inspiration der Natur dort darstellen.

Wer ist der Fotograf, der die Bilder gemacht hat?

Weichert: Der Fotograf ist Christian Thiele, mit dem arbeiten wir schon seit vielen Jahren zusammen, seitdem Sammy von den Broilers ihn uns empfohlen hat. Daraus hat sich eine supercoole Freundschaft und Zusammenarbeit entwickelt, weil er es auch schafft, die Momente drum herum einzufangen, jenseits von dem Geschehen auf der Bühne. Und er ist auch einer der besten Landschaftsfotografen Deutschlands. Er ist auf Rügen beheimatet und kennt sich deshalb auch mit Inseln aus, da dachten wir uns, das ist genau der richtige Mann, um ihn nach Island zu schicken und da ein paar schöne Naturfotos zu machen.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit George "Corpsegrinder" Fisher auf "Prey To God"?

Weichert: Wir hatten diesen relativ brutalen, Death-Metal-mäßigen Song geschrieben, und auf die Idee mit dem Gastauftritt kam eigentlich unser Sänger Marcus, der ein riesiger Corpsegrinder-Fan ist. Er ist ja auch mit Abstand der beste Death-Metal-Sänger, den es auf der Welt gibt, und diesen Ruf hat er auch beim Aufnehmen des Songs in beeindruckender Weise untermauert. Wir haben ihn dafür persönlich getroffen, als er hier in unserer Gegend ein Konzert gespielt hatte. Da hat er sich wirklich einen halben Tag Zeit genommen und es war ein megacooles Zusammenarbeiten. Er ist ein richtig, richtig cooler Typ, und für unseren Sänger war es ein kleiner Traum, der da in Erfüllung gegangen ist, mal mit dem Corpsegrinder um die Wette zu grunzen.

"Wanderer" wirkt auf Anhieb politisch nicht ganz so explizit wie Ihre früheren Alben. Warum ist das so?

Weichert: Die kritischen Botschaften sind schon auch vordergründig vertreten. Wir haben nur die Aussagen dieses Mal nicht plakativ zum Konzept der Platte gemacht, das ist ein bisschen hintergründiger. Aber wenn du die Lyrics liest, bist du sofort wieder in unserer politischen Attitüde drin. Es ging uns diesmal eher darum, die Aufnahmebereitschaft der Leute wieder ein bisschen zu erhöhen, damit die nicht beim allerersten Kontakt mit der Platte gleich mit einer politischen Meinung zugebombt werden. Davon gibt es ja gerade sowieso genug und keiner weiß mehr, was er glauben soll oder man kann es schon gar nicht mehr hören. Deshalb haben wir das für die Leute in schonender Weise verpackt, so möchte ich es mal formulieren. Aber es ist trotzdem keineswegs weniger politisch.

Welche Themen behandeln Sie konkret in den Texten von "Wanderer"?

Weichert: Wir machen das ja nie so, dass wir jetzt wirklich aktuelle politische Geschehnisse in unseren Lyrics kommentieren, sondern wir gehen da eher auf geschichtliche Aspekte ein. Unser Statement zu dieser ganzen Pegida-Scheiße ist zum Beispiel "They Shall Not Pass". Da geht es um den "Battle of Cable Street" 1936 in London, als die Bewohner des Londoner Eastend dort einen Faschisten-Aufmarsch beendet und die Leute aus ihrem Viertel rausgeschmissen haben. Also ich denke, das ist schon eine eindeutige Aussage...

Ihr Song "Hunters Will Be Hunted" (vom letzten Album "Veto", 2013) hat - auch bedingt durch die Berichterstattung in der Boulevardpresse - zu Protesten aus den Reihen der deutschen Jäger geführt. Wie hat sich das seitdem entwickelt, bekommen Sie zum Beispiel noch böse Briefe?

Weichert: Also von so bekloppten Jägern, die uns total als Feindbild sehen, bekommen wir eigentlich keine Nachrichten. Im Gegenteil, ich muss ehrlich sagen, wir bekommen oft Nachrichten von reflektierten Jägern, die sagen: "Hey, mich kotzt das auch an, was für Idioten da im Wald rumlaufen". Die versuchen dann, ihren Standpunkt vernünftig zu erklären. Ich bin immer noch nicht der gleichen Meinung wie die Leute, aber mit denen kann man reden und mit denen reden wir dann auch. Da hat sich gar nicht so sehr eine Konfrontation, sondern eher ein Dialog ergeben. Wir haben ja auch Ahnung, wovon wir reden. Ich bin als Kind in einer Jagdhorn-Blasgruppe gewesen und habe da genug Jagden mitgemacht um zu wissen, wie das da vor sich geht. Da sehen dann auch viele Jäger ein, dass sie unseren Standpunkt akzeptieren können, obwohl wir nicht der gleichen Meinung sind.

Die Band Týr von den Färöern steht in der Kritik, weil sie die traditionellen Grindwal-Jagden in ihrer Heimat unterstützt. Wie würden Sie reagieren, wenn Sie zusammen mit Týr auf einem Festival gebucht wären - würden Sie die Veranstaltung boykottieren oder vielleicht auch hier den Dialog suchen?

Weichert: Also jetzt speziell mit Týr würde ich keinen Dialog suchen, das hat keinen Zweck. Aber unsere Meinung ist eher so, wir weichen da keinen Fußbreit - warum sollen wir auf einem Festival nicht spielen, nur weil da Týr spielen? So ähnlich halten wir das auch mit irgendwelchen zwielichtigen Faschobands oder so. Wenn die irgendwo auf einem Festival spielen, machen wir lieber vor Ort eine direkte Aktion oder eine Ansage oder sowas und zeigen da Flagge, als dass wir hintenrum sagen würden "ihr schmeißt die vom Line-Up oder wir spielen nicht". Damit würde man der Band auch nur noch viel, viel größere Publicity geben. Also ich würde die vor Ort demaskieren und kritisieren und gegen die dort mobil machen, so handhaben wir das eigentlich immer.

Immer ein Ziel vor Augen (Bild: Christian Thiele)
Immer ein Ziel vor Augen (Bild: Christian Thiele)

Seit über eineinhalb Jahren unterstützen Sie den FC Carl Zeiss Jena als Trikotsponsor. Wie lautet das bisherige Fazit der Aktion "Support Your Local Team"? Wie kam sie etwa bei den Fans an?

Weichert: Also bei den Fans kam das megagut an, das war weltweit natürlich das am besten verkaufte Jena-Trikot aller Zeiten. Selbst wenn wir in Spanien ein Festival spielen, rennen die Leute in Jena-Trikots rum und ich denke mal, das ist schon eher wegen uns und nicht, weil sie sich daran erinnern, dass Jena mal gegen Atlético Madrid im Europapokal gespielt hat. Auch, was wir mit der Aktion bezweckt haben, dass da auch neue Sponsoren hinterherkommen aus unserer Region, hat sich dann ja so ergeben. Wir sind mittlerweile mit einem Ärmeldruck vertreten und es hat sich ein neuer Brust-Sponsor gefunden, der eine Menge Geld gibt und Jena unterstützt, auch durch unsere Initiative, und genauso sollte es ja auch sein. Das kann ich also ringsherum wirklich nur als großen Erfolg verbuchen.

Jena ist derzeit Tabellenführer in der Regionalliga Nordost. Klappt es dieses Jahr vielleicht mit dem Aufstieg?

Weichert: Das ist noch sehr, sehr früh um das zu sagen, aber bis jetzt sieht es natürlich ganz gut aus, also da kann man nicht meckern. Aber mal schaun, ich bin da immer eher so Zweckpessimist...

Sie haben sich von Anfang an dafür entschieden, die Band nicht zum Hauptberuf zu machen, und diese Linie bis heute durchgezogen. Was ist der Grund dafür?

Weichert: Wir hatten keinen Bock auf so Fulltime-Rock'n'Roll, mit 300 Shows im Jahr oder so. Wir hatten und haben alle Jobs, die uns Spaß machen, und die wollten wir eben auch nicht an den Nagel hängen. Und uns war natürlich wichtig, die Sicherheit zu haben. Dass wir nicht von der Musik den Kühlschrank vollmachen oder die Miete zahlen müssen. Das hat uns auch gut vorangebracht und mittlerweile ist es so, dass wir mit der Musik so erfolgreich sind, dass wir sogar noch mehr Zeit für unsere Jobs haben. Früher hast du zehn Shows gespielt, und heute spielst du eine Show und kriegst das gleiche Geld dafür. Und mittlerweile machen wir die Touren und können die Zeitpläne selber festlegen. Also wir sind da voll und ganz bestätigt worden, dass wir da auf dem richtigen Dampfer waren.

Welchen Berufen gehen Sie nach?

Weichert: Ich bin Jurist, habe jetzt gerade mein Referendariat beendet. Unser Sänger Marcus ist Krankenschwester - sagen wir immer ein bisschen neckisch, er ist natürlich Krankenpfleger. Unser Bassist Eric ist Ergotherapeut und unser Drummer Chris ist Berufsschullehrer. Der einzige Vollblut-Profi bei uns ist Alex, unser anderer Gitarrist, der hat ein eigenes Studio und arbeitet als Produzent.

Wie die meisten Ihrer Bandkollegen sind Sie überzeugter Veganer. Was würden Sie einem Gast servieren, um Werbung für die vegane Ernährung zu machen?

Weichert: Ich glaube, ich würde sowas cooles wie ein paar schöne, vegane Kohlrouladen machen. Also etwas ein bisschen Besonderes, Aufwändigeres, das überzeugt die Leute dann meistens schon, dass man das auch essen kann.