Hebesatz bereits eingerechnet - Familie soll jetzt 1000 Euro an Grundsteuer bezahlen - „Hauskauf lohnt sich nicht mehr“
Rita Fuchs hat für ihre Familie ein kleines Haus in der Nähe von Erfurt gekauft. Bisher zahlte sie eine Grundsteuer von rund 400 Euro im Jahr. Durch die Neuberechnung der Grundsteuer verdoppelt sich der Wert auf fast 1.000 Euro. FOCUS online erklärt, was Betroffene jetzt wissen und tun müssen.
Vor wenigen Wochen hat die Stadt Erfurt die neuen Hebesätze für die Grundsteuer ab 2025 bekannt gegeben. Diese liegen nun auf dem höchsten Niveau in ganz Thüringen. Aktuell liegt der Hebesatz in Erfurt bei 550, ab 2025 wird er auf 565 angehoben.
Für Millionen von Grundstückseigentümern ändert sich nichts, da die Berechnungen der Finanzämter in vielen Fällen unverändert geblieben sind. So zumindest die Annahme. Schließlich soll die geänderte Grundsteuer im kommenden Jahr aufkommensneutral gestaltet werden. Doch für Familie Fuchs ist die Erhöhung ein finanzieller Tiefschlag. Denn das Finanzamt hatte den Wert des Grundstücks deutlich höher angesetzt - von 268.700 Euro festgestellt im Jahr 2020) auf nun 458.500 Euro.
Damit steigt auch die jährliche Grundsteuer der Familie von 480 Euro auf 900 Euro, also fast 80 Euro im Monat. Die Familie hat das von einem Experten nachrechnen lassen. Sein Ergebnis? Das 500 Quadratmeter große Grundstück liegt in bester Lage, das Haus mit 120 Quadratmetern Wohnfläche ist frisch renoviert. Auch eine Wärmepumpe ist vorhanden. Im Idealfall kann die Familie beim Verkauf mindestens 300.000 Euro erlösen. „Die 458.500 Euro sind aber eher utopisch“, sagt Rita Fuchs.
Die Familie legte Widerspruch ein. Denn sie vermutet einen Rechenfehler. „Ich glaube, dass wir damals einen Fehler bei den Angaben gemacht haben“, sagt Fuchs. Sie hat sich schon mit der Nachbarschaft zusammengesetzt. Dort seien die Werte zwar auch gestiegen, aber nicht so stark wie bei ihr. Zudem zeigen aktuelle Immobilienbewertungen, dass der Quadratmeterpreis beim Kauf eines Grundstücks in Erfurt bei rund 600 Euro liegt. Umgekehrt müsste die Familie heute für das gleiche Objekt gut 300.000 Euro aufbringen.
FOCUS online rät: Wer einen Grundsteuermessbescheid erhalten hat, aus dem sich eine höhere Grundsteuer ergibt, sollte sofort reagieren und zeitnah einen Antrag auf Neuveranlagung beim Finanzamt stellen. Als Richtwert gilt: Hat das Finanzamt den Wert um etwa ein Drittel angehoben, lohnt sich ein sofortiger Einspruch. Diesen können Sie direkt per Post einreichen. Grundsätzlich brauchen sie dafür zwei Werte: den Grundsteuermess- und den Grundsteuerwertbescheid. Beides müssten Betroffene bereits erhalten haben.
Hier eine Vorlage ohne Begründung:
Aktenzeichen: xxxx
Steueridentifikationsnummer: xxx
Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit lege/n ich/wir Einspruch gegen den oben genannten Steuerbescheid vom xxx (Datum)ein. Die Begründung des Einspruchs erfolgt durch ein gesondertes Schreiben.
Bitte bestätigen Sie mir den Eingang des Einspruchs schriftlich.
Mit freundlichen Grüßen
Gut zu wissen ist, dass derzeit mehrere Musterprozesse zur neuen Grundsteuerreform bei Amts- und Finanzgerichten anhängig sind. Die Richter müssen unter anderem prüfen, ob die neue Berechnung möglicherweise gegen die Verfassung verstößt.
Hebesätze können die Grundsteuer beeinflussen
Die Hauseigentümer haben in den letzten Monaten zwei Unterlagen zur Berechnung der Grundsteuer für das Jahr 2025 erhalten. Dabei handelt es sich um den Messbetrag und den Wertbetrag. Beide Werte wurden von den zuständigen Finanzämtern versandt und basieren auf Daten, die zum einen bei den Finanzämtern vorliegen und zum anderen von den Grundstückseigentümern im Jahr 2023 eingereicht wurden. In einigen Fällen haben sich die Werte verzehnfacht. Das ist zum Beispiel auf die starke Nachfrage nach bestimmten Städten oder Regionen zurückzuführen.
Bislang wurden Grundstücke nach einem Einheitswert besteuert. Doch dieses Verfahren gilt nach einem Richterbeschluss des Bundesverfassungsgericht als veraltet. Denn die meisten Werte stammen aus den 1960er Jahren. In Ostdeutschland werden Grundstücke sogar nach Werten aus den 1930er Jahren besteuert.
Für die Berechnung der Grundsteuer, die in Deutschland in der Regel jeder zahlen muss, der Grundbesitz hat, wird eine dritte Größe benötigt. Das ist der Hebesatz, der von den Gemeinden und Kommunen festgelegt wird. Damit können die Behörden die Steuer beeinflussen. Spätestens Ende Oktober sollen die Hebesätze in allen Bundesländern feststehen und der Versand der Grundsteuerbescheide beginnen.
Wer wartet, könnte eine böse Überraschung erleben
Haben Sie einen Schätzbescheid zur Grundsteuerreform erhalten und überlegen, erstmal abzuwarten? Keine gute Idee! Denn wer sich zurücklehnt, könnte eine böse Überraschung erleben. In den meisten Fällen schätzt das Finanzamt nämlich zu Ihren Ungunsten. Doch das ist nicht alles: Wenn die Finanzämter den Vorbehalt der Nachprüfung aufheben, wird es richtig heikel.
Denn dann bleibt der Steuerbescheid bis 2029 in Stein gemeißelt – ohne Chance auf Änderung. Dann erfolgt ein neuer Hauptfeststellungszeitraum. Dann werden aber Ihre Grundstücksdaten völlig automatisch vom Finanzamt gesammelt und direkt in die Steuererklärung übernommen.
So berechnen Sie Ihre Grundsteuer
Sie brauchen drei Werte, um Ihre Grundsteuer zu berechnen: den Grundstückswert, die Grundsteuermesszahl und den Hebesatz.
Aus dem Grundsteuerwertbescheid ergibt sich der Grundstückwert.
Aus dem Grundsteuermessbescheid wiederum die Grundsteuermesszahl.
Den Hebesatz erfahren Sie mit dem Steuerbescheid.
Fallbeispiel: Auf einem 400 Quadratmeter großen Grundstück steht ein Haus mit kleinem Garten. Das Finanzamt hat den Wert auf 300.000 Euro festgelegt. Die Grundsteuermesszahl wurde mit 0,00044 festgelegt. Ergibt also einen Steuermessbetrag von 132 Euro. Die finale Grundsteuer braucht nun auch den Hebesatz. Liegt dieser bei 340 Prozent, ergibt das eine Steuer von 448,80 Euro (Messbetrag x Hebesatz).