Heftig umstritten auch in der AfD - Sein Hof, seine Nazi-Sprüche, seine Schüler – die skurrile Welt des Björn Höcke

Der Thüringer AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke spricht während einer Wahlkampfveranstaltung auf dem Marktplatz.<span class="copyright">Matthias Bein/dpa</span>
Der Thüringer AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke spricht während einer Wahlkampfveranstaltung auf dem Marktplatz.Matthias Bein/dpa

Am rechtsextremen Thüringer AfD-Chef Björn Höcke scheiden sich selbst in seiner eigenen Partei die Geister. Das Leben des aus Hessen stammenden Lehrers ist reich an skurrilen Details. Zehn davon sollte man in jedem Fall kennen.

1. Sein Hof

Höcke, in Nordrhein-Westfalen geboren und später in Hessen zunächst als Geschichtslehrer an einem Gymnasium arbeitend, lebt seit rund zehn Jahren in Bornhagen, einem kleinen Dorf in Thüringen mit knapp 300 Einwohnern unweit der Landesgrenzen zu Hessen und Niedersachsen. Der vierfache Vater wohnt mit seiner Familie in einem großen, mit Holz verkleideten ehemaligen Pfarrhaus gleich neben der Kirche. Offiziell beschreiben ihn Nachbarn als „netten Typen“. Hinter vorgehaltener Hand hört man, er sei in Bornhagen vor allem eines: unerwünscht.

2. Sein „zweiter“ Vorname

Immer wieder wird Björn Höcke fälschlicherweise Bernd genannt - warum eigentlich? Als Urheber gilt der bekannte TV-Satiriker Oliver Welke, der Höcke gezielt seit Jahren „Bernd“ nennt. Daraus entwickelte sich ein Dauer-Lapsus, vor dem nicht mal Parteikollegen gefeit sind. 2020 kündigte der AfD-Verband Höxter via Twitter eine Veranstaltung mit dem „Landessprecher der AfD Thüringen, Herrn Bernd Höcke“, an. Und weil doppelt besser hält, unterlief dem NRW-Landesverband der Fehler auch in Einladungen an Journalisten.

3. Seine Mutter

Über Höckes Mutter, eine ehemalige Kranken- und Altenpflegerin, ist wenig bekannt. Einen großen Auftritt hat sie nun jedoch auf einem Blog, den Höcke selbst betreibt und vor Kurzem als „Volksfreund, Preuße, Dissident“ ins Netz stellte. In einem Beitrag, den sie geschrieben haben soll, schildert sie, dass ihr Sohn schon in jungen Jahren gern die Führung übernommen und wenn nötig, sich mit Fäusten verteidigt habe. An seinem Schrank hätten statt Musiker-Postern angeblich Aphorismen großer Philosophen gestanden. Und sie zitiert Nietzsches Zarathustra: „Mutig, unbekümmert, spöttisch, gewalttätig – so wie uns die Weisheit: Sie ist ein Weib und liebt immer nur einen Kriegsmann.“

4. Seine Schüler

Die Zeit als Lehrer bedeutet Höcke „heute noch viel“, schreibt er über sich auf seinem Blog. Von seiner „Beliebtheit“ bei den Schülern zeuge ein Apfelbaum, den ihm seine Klasse zum Abschied geschenkt habe und der „üppige Früchte“ trage. Fünf Schüler, die der „Tagesspiegel“ gesprochen hat, sehen das anders. Per eidesstattlichen Versicherungen erklären sie unter anderem, dass Höcke den Holocaust „relativiert und als Glaubensfrage bezeichnet“ sowie den „Verfassungsschutz mit Stasi und Gestapo“ gleichgesetzt habe. Höcke erwidert schriftlich, die Vorwürfe seien „entweder falsch oder reißen meine Aussagen aus dem Zusammengang, um vermeintlich Skandalöses zu konstruieren“.

5. Seine rechtsextremen Sprüche

• „Das Problem ist, dass Hitler als absolut böse dargestellt wird.“ (Höcke im „Wall Street Journal“ nach einer in New York veröffentlichten Transkription des auf Deutsch in Dresden im Januar 2017 geführten Interviews)

• „Alles für Deutschland“: Diese Parole der Sturmabteilung der NSDAP hat Höcke mehrfach öffentlich verwendet - und abgestritten, dass er den rechtsextremen Kontext kannte. Das Landgericht Halle hat dies dem Geschichtslehrer nicht geglaubt - und ihn in diesem Jahr zweimal wegen des Verwendens verfassungsfeindlicher Inhalte zu Geldstrafen verurteilt.

• In seinem Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ schreibt er, man werde, „so fürchte ich, nicht um eine Politik der ‚wohltemperierten Grausamkeit' herumkommen. Existenzbedrohende Krisen erfordern außergewöhnliches Handeln.“

Björn Höcke, Vorsitzender der AfD in Thüringen spricht bei der Wahlkampfauftaktveranstaltung des Landesverbandes.<span class="copyright">Bodo Schackow/dpa</span>
Björn Höcke, Vorsitzender der AfD in Thüringen spricht bei der Wahlkampfauftaktveranstaltung des Landesverbandes.Bodo Schackow/dpa

6. Sein Selbstbewusstsein

Kurz vor der ersten von insgesamt zwei Verurteilungen vom Landgericht Halle wegen des Verwendens verfassungswidriger Inhalte verglich sich Björn Höcke auf dem Parteitag der Thüringer AfD im April in Pfiffelbach wegen des Prozesses nicht nur mit Märtyrern wie Wikileaks-Gründer Julian Assange oder Hexen, die im Mittelalter verbrannt wurden, sondern auch mit dem Sohn Gottes. „Jesus Christus nagelte man ans Kreuz, ein völlig unschuldiger Mann, der Frieden und Liebe predigte.“

7. Sein Wahlkreis

Wo Höcke wohnt, hat er politisch keine Zukunft. 2019 verlor er mit 21,4 Prozent im Eichsfeld den Kampf ums Direktmandat klar gegen den CDU-Kandidaten, der 49 Prozent einfuhr - und zog über die Landesliste in den Thüringer Landtag ein. Auch der Wahlkreis „Greiz II“ war bislang von der CDU dominiert. Holt er auch diesmal kein Direktmandat, könnte es brenzilig werden für ihn - wenn die AfD mehr Direktmandate holt, als ihr an Mandaten durch Zweistimmen zustehen.

8. Seine Hintermänner

Ein Dokumentarfilm von WDR und NDR hat sich im Auftrag der ARD dem Thema „Höcke. Und seine Hintermänner“ gewidmet. Analysiert werden seine Kontakte in der Szene der „Neuen Rechten“ wie zum Beispiel zu Götz Kubitschek, der als Vordenker und Chefideologe der Neuen Rechten gilt. Die Doku berichtet auch über eine Verbindung Höckes zum militanten Neonazi Thorsten Heise. Zudem wird geschildert, wie Höcke gezielt Krisen instrumentalisiere, um seine Macht auszubauen. Die Erstausstrahlung erfolgte am 19. August 2024.

9. Sein Sport

Dauerlauf, Rennradfahren und Wandern gehören „zum Ausgleich zur politischen Arbeit“, steht auf Höckes Blog unter der Rubrik „Über mich“. In der dritten Person erzählt er dort über sich selbst, belegt mit bunten Bildern. „Pose für die Kamera? Keineswegs. Wer Björn Höcke einmal persönlich kennengelernt und ihm die Hand geschüttelt hat, weiß, wie kräftig seine Hände sind.“

10. Sein „langer Anlauf“

Aus „gesundheitlichen Gründen“, hieß es in der Thüringer AfD, habe Höcke einen geplanten letzten TV-Wahlkampfauftritt vergangene Woche bei n-tv und Antenne Thüringen abgesagt. Um in den Wahlkampf nach dem abgesagten Auftritt dann wieder aufzunehmen.

Fast zeitgleich präsentierte er dafür eine lange Doku mit dem Titel „Der lange Anlauf“, die dafür im Internet zu sehen ist. 100 Minuten Björn Höcke mit treuen Vasallen, die seine Politik erklären, garniert von langen Passagen, die ihn beim Holzhacken zeigen, im Lada auf dem Weg zum Kyffhäuserdenkmal. Oder beim Zubinden seiner Wanderstiefel auf seinem Hof im Licht der aufgehenden Sonne, untermalt von gefühliger Streichermusik, fast eine volle Minute lang.

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