Heftige Kritik an ARD und Arte wegen zurückgehaltener Antisemitismus-Doku

Eine übergroße Menora samt Davidstern erstrahlt anlässlich von Chanukka im Dezember 2014 in Berlin. (Bild: Getty Images)
Eine übergroße Menora samt Davidstern erstrahlt anlässlich von Chanukka im Dezember 2014 in Berlin. (Bild: Getty Images)

Mehr als 70 Jahre liegt der Holocaust zurück – doch Antisemitismus bleibt in Deutschland und in ganz Europa ein aktuelles Problem. Allein im Jahr 2015 wurden in Deutschland fast 1.600 Fälle von judenfeindlich motivierter Gewalt aufgezeichnet. Tendenz steigend. Umso kritischer wird die Entscheidung von ARD und Arte, eine Dokumentation zum Thema Antisemitismus derzeit nicht auszustrahlen, von vielen Menschen aufgenommen. Doch was sind die Gründe?

In dem Gemeinschaftsprojekt „Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa“ sind die Journalisten Joachim Schröder und Sophie Hafner der Frage nachgegangen, was es im Jahr 2017 heißt, als Jude in einem europäischen Land zu leben. Doch sowohl Arte als auch ARD wollen die Reportage nicht ausstrahlen. Eine Begründung lautet: Es gebe „handwerkliche Bedenken“. Außerdem sei ein dritter Ko-Autor abgesprungen, worunter die „Ausgewogenheit“ leide, zitiert die „FAZ“ Alain Le Diberder, den französischen Programmdirektor von Arte.

Der Sender Arte wehrt sich in einem offenen Brief gegen die Vorwürfe. (Bild: dpa)
Der Sender Arte wehrt sich in einem offenen Brief gegen die Vorwürfe. (Bild: dpa)

Doch die Kritik an dieser Entscheidung wächst. Unter anderem haben sich Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sowie die Historiker Götz Aly und Michael Wolffsohn, die sich seit Jahrzehnten mit dem Thema Antisemitismus beschäftigen, für die Ausstrahlung des Films ausgesprochen. Auch der in Berlin lebende Psychologe Ahmad Mansour, der ursprünglich als dritter Autor an dem Film mitwirken hätte sollen, spricht sich dafür aus, den Film zu senden.

Der Sender Arte und die ARD müssen sich nun den Vorwurf der Zensur gefallen lassen. Kritiker werfen den Sendern vor, insbesondere vor dem Thema muslimischer Antisemitismus einzuknicken. Auch die Autoren haben sich inzwischen zu Wort gemeldet – und bestärken den Verdacht, dass die Doku nicht aus handwerklichen Gründen abgelehnt wurde: „In über fünf Monaten gab es keine inhaltliche Auseinandersetzung seitens Arte oder WDR mit uns“, sagte Joachim Schröder dem Berliner „Tagesspiegel“. Laut „Bild“ will der WDR eine mögliche Ausstrahlung nun neu prüfen.

Arte-Programmchef Alain Le Diberder äußerte sich in einem offenen Brief zu den Vorwürfen, man würde Zensur betreiben: „Ich darf Ihnen versichern, dass ehrenwerte und gute Gründe zu dieser Entscheidung geführt haben.“ Als weiteren Grund für die Nicht-Ausstrahlung nennt er die Tatsache, dass die Autoren nicht wie besprochen in Europa, sondern hauptsächlich im Nahen Osten gefilmt hätten.