Heikle Rückkehr als freie Frau: Amanda Knox in Italien
Für viele war sie jahrelang die Mörderin. Nun ist die freigesprochene Amerikanerin Amanda Knox nach Italien zurückgekehrt, wo sie jahrelang der Mittelpunkt eines Justizdramas war. Jetzt stellt sie sich freiwillig ins Scheinwerferlicht.
Rom/Modena (dpa) - Sie krallt sich fest an einen Felsen, unter ihr der Abgrund, die Fallhöhe ist enorm. So fühlt es sich offenbar für Amanda Knox an, nach Italien zurückzukehren.
Die US-Amerikanerin hat das Foto auf Instagram gepostet, wenige Tage vor ihrer Ankunft in dem Land, in dem sie beschuldigt wurde, ihre Mitbewohnerin umgebracht zu haben, in dem sie im Gefängnis saß, in dem sie am Ende freigesprochen wurde. Unter das gestellte Foto hat sie geschrieben: «Halt durch!»
Die 31-Jährige wird gewusst haben, worauf sie sich einlässt, als sie die Einladung zu einem Kongress zu Justizirrtümern in Modena annahm. Dort soll sie an diesem Samstag sprechen. Schon am Flughafen in Mailand nahm sie bei ihrer Ankunft am Donnerstag eine Schar von Journalisten in Empfang. Sie hielten der Frau ihre Kameras vor die Nase, wie sie es schon vor zehn Jahren taten. Den Kopf gesenkt, in Begleitung von Zivilpolizisten und von ihrem Freund absolvierte sie diesen Spießrutenlauf. Ohne ein Wort zu sagen.
«Ich habe mich dafür entschieden, im Vorfeld von Italien keine Interviews zu führen, in der Hoffnung, dass das, was ich in Modena sagen werden, für sich selbst sprechen wird», twitterte Knox am Mittwoch. Geäußert hat sie sich trotzdem. Auf der Seite des Global Editors Network hat sie einen Artikel gepostet, der sich ein bisschen wie eine Abrechnung mit den «skrupellosen Medien» liest.
Sie beschreibt, was es für ihr Leben bedeutet hat, Unterhaltung für andere Menschen zu sein. Und warum sie sich dennoch entschieden hat, ihr Leben in größtmöglicher Öffentlichkeit zu leben: «Ich wollte einfach das, was jede andere Person um mich herum hatte, die Freiheit (...) zu sagen «Hier bin ich!».»
Doch Amanda Knox ist nicht wie jede andere Person um sie herum - und ihre Geschichte erhitzt noch immer die Gemüter. Fast zwölf Jahre ist es her, dass sie als Studentin in der Universitätsstadt Perugia mit der Britin Meredith Kercher zusammenwohnte. In der Nacht vom 1. auf den 2. November wurde Kercher dann ermordet. Gefunden wurde die junge Frau vergewaltigt und halbnackt mit durchgeschnittener Kehle.
Knox wurde für den Mord vier Jahre in ein italienisches Gefängnis gesperrt. Die Medien machten sie als «Engel mit den Eisaugen» bekannt. Nach einem acht Jahre langen Justizdrama in maximaler Weltöffentlichkeit wurde Knox 2015 endgültig freigesprochen. Anfang des Jahres entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass Italien Knox mehr als 18.000 Euro Entschädigung zahlen muss.
Bis heute ist nicht geklärt, wer Kercher umgebracht hat. Denn der einzige, der in dem Fall noch in Haft sitzt, weist die Anschuldigungen von sich - und wurde nur wegen Beihilfe zum Mord verurteilt: Rudy Guede. Und somit bleibt mit Blick auf Amanda Knox noch immer die Frage offen, ob sie das «Monster» oder das «Opfer» in der ganzen Geschichte ist.
Neben dem «Heißhunger der Medien» prangert Knox immer wieder auch die Fehler des italienischen Justizsystems an. Für das «Festival der Strafjustiz» gibt es keinen besseren Redner. Nach eigener Aussage stellt sie sich auf ein «potenziell feindseliges Publikum» ein. Wegen der «verrückten Anzahl» von Anfragen wurde die Konferenz in andere Räumlichkeiten verlegt. Der Andrang wird vor allem am Samstag riesig sein, wenn Knox ihren Auftritt hat. «Ich kehre nach Italien als freie Frau zurück», machte sie zuvor auf Twitter klar. Und spätestens Samstag sollen das alle verstanden haben.