Helmut Markworts Tagebuch - Der Mordfall von Solingen ist ein Symptom für unser löchriges Migrationssystem

Helmut Markwort<span class="copyright">W. Heider-Sawall/FOCUS Magazin</span>
Helmut MarkwortW. Heider-Sawall/FOCUS Magazin

Der Mörder von Solingen hätte längst nicht mehr in Deutschland sein dürfen. Behörden haben versäumt, den Syrer Issa al-H. abzuschieben. Ich kann die Ausrede vom „Einzelfall“ nicht mehr hören. Jeder Einzelfall ist ein Fall zu viel. Jeder Einzelfall ist ein Symptom für unser löchriges System.

Montag

Der Gerechtigkeit halber muss ich auch über die Lufthansa lästern. Vor zwei Wochen hatte ich berichtet, dass die Bahn einen ICE plötzlich aus dem Fahrplan gestrichen hatte. Diese Woche fiel ein Flugzeug aus. Ersatzlos. Der Ärger hatte schon begonnen, als ich auf dem Flughafen München ankam. Für den Flug nach Zürich wurde eine Stunde Verspätung angekündigt.

Als wir schließlich im Flieger saßen, informierte uns der Kapitän, dass wir wegen eines Fehlers im System nicht starten könnten. Ein Techniker sei unterwegs. Neugierig starrten die Passagiere auf einen Mann im Overall, der sich im Cockpit zu schaffen machte. Nach einer weiteren Stunde erfuhren wir, dass der Fehler nicht entdeckt worden war.

Der Kapitän überraschte uns mit einer Aktion, wie wir sie von verzweifelten Computerbenutzern kennen. Er wolle das Flugzeug abschalten und hoffe, dass beim Wiedereinschalten das System funktioniere. Geduldig ertrugen wir dassimple Experiment. Die kleinen Lampen über den Sitzen leuchteten zwar wieder an, aber der Zustand des Fliegers hatte sich nicht gebessert. Also aussteigen.

Von einem Ersatzflieger war nicht die Rede. Das Gate war nicht besetzt. Unser Termin war geplatzt. Ich höre den Einwand, eine Fahrt mit dem Zug wäre sinnvoller gewesen. Am nächsten Tag erfahre ich, dass ein Kollege von der „Zeit“ in München in einen Zug gestiegen ist, der mehrere Stunden verspätet in Zürich ankam.

Wir waren voller Vorfreude auf das traditionelle Sommerfest der „Weltwoche“ am Ufer der Limmat. Der „Chefredaktor“ Roger Köppel, ein wahrer Freigeist, hatte wie jedes Jahr die „größte Meinungsvielfalt pro Quadratzentimeter“ versprochen. Voriges Jahr war Harald Schmidt von Beckmessern angepestet worden, weil er mit unerwünschten Personen fotografiert worden war. In diesem Jahr habe ich Gespräche und Fotos versäumt mit Stefan Aust und Roland Tichy, mit Alice Weidel und HansGeorg Maaßen.

Dienstag

Der Mörder von Solingen hätte längst nicht mehr in Deutschland sein dürfen. Behörden haben versäumt, den Syrer Issa al-H. nach Bulgarien abzuschieben, von wo er bei uns eingereist war. Der Täter von Solingen war gut beraten.

Obwohl er illegal eingereist war und kein Asylrecht genoss, erschlich er sich vom Bundesamt für Migration „subsidiären Schutz“.Mit demselben Trick umgehen viele die Abschiebung. Er überlistete den Staat und ermordete drei Menschen. Ich kann die Ausrede vom „Einzelfall“ nicht mehr hören. Jeder Einzelfall ist ein Fall zu viel. Jeder Einzelfall ist ein Symptom für unser löchriges System.

Wer kein Bleiberecht hat, darf auch nicht bleiben. Wer nicht verfolgt wird, darf nicht ins Land. Die Parteien müssen gemeinsam, mit einer Haltung, der Polizei und anderen Vollstreckungsbehörden den Rücken stärken.

Die Standardbekundungen über Mitgefühl und entschlossenes Durchgreifen bleiben hohle Phrasen, wenn die Absender sich nicht zusammensetzen und in Höchstgeschwindigkeit die gesetzlichen Grundlagen verschärfen.

Die Sicherheitsbehörden dürfen den Verbrechern und Terroristen nicht technisch unterlegen sein. Die brisanten Einzelfälle müssen vorbeugend verhindert werden. Die Gefahren sind offenkundig. Das Nachrichtenmagazin FOCUS hat vor drei Wochen in seiner Titelgeschichte „Allahs Schläfer“ prophetisch alarmiert.

FOCUS-Gründungschefredakteur Helmut Markwort war von 2018 bis 2023 FDP-Abgeordneter im Bayerischen Landtag.