Henne-Ei-Problem gelöst? - Jetzt entsteht aus Müll der Wasserstoff, den Deutschland dringend braucht
Das deutsche Startup Green Hydrogen Technology (GHT) hat eine bahnbrechende Technologie entwickelt, um aus nicht-recycelbarem Plastikmüll klimaneutralen Wasserstoff zu gewinnen. Ab 2025 soll die Anlage günstigen Wasserstoff für H2-LKW produzieren. Vom „Henne-Ei-Problem“ fehlt jede Spur.
Deutschland hat zahlreiche Probleme. Zwei davon lassen sich allerdings mit einer Technologie lösen, verspricht das Augsburger Startup „Green Hydrogen Technology“, kurz: GHT. Ihr Versprechen: Ihre Industrieanlage wandelt nicht-recyclebares Plastik in Wasserstoff um, den das Land (und vor allem die Industrie) dringend brauchen, um klimaneutral zu werden.
Ein kühnes Zukunftsversprechen, das mehr und mehr Wirklichkeit wird. Ab 2025 soll die Industrieanlage erstmals in Betrieb gehen, kündigte GHT-Geschäftsführer Robert Nave bei einer Pressekonferenz an. Nach einer erfolgreichen ersten Finanzierungsrunde realisiert die GHT das Projekt gemeinsam mit dem Energieversorger RheinEnergie, dem Recyclingunternehmen ETG und Hylane, dem größten Vermieter von wasserstoffbetriebenen Lkw.
Das Projekt sei „ein Eckpfeiler der Wasserstoffwirtschaft“, sagt Nave zu FOCUS online Earth. Ab 2025 soll die Anlage stehen und mit der Produktion von bis zu 500 Tonnen Wasserstoff beginnen. „Das ist nicht exorbitant viel“, räumt der GHT-Geschäftsführer ein, aber immerhin genug, um den Jahresbedarf von zweieinhalb Tankstellen zu decken. Ein guter Anfang. Doch hinter GHT steckt vor allem ein Faktor, der für Investoren besonders spannend ist: der Preis.
Das 1,50-Euro-Versprechen
Denn: An dezentralen Orten könnte dank der Technologie nachhaltig und kostengünstig Wasserstoff produziert werden. Aus nicht-recyclebarem Plastik, welches ansonsten verbrannt wird und CO2 emittiert, wird Wasserstoff. Die Produktionskosten liegen mit 1,50 Euro pro Kilogramm weit unter den Kosten, die bei der Wasserstoff-Produktion mittels Elektrolyseur aufkommen - 7 bis 8 Euro pro Kilogramm.
Zum Hintergrund: GHT hat eine Technologie zur klimaneutralen Herstellung von Wasserstoff entwickelt. Herzstück der Anlage ist ein so genannter Flugstromreaktor, der nicht recycelbare Kunststoffabfälle oder andere Materialien bei bis zu 1600 Grad Celsius in ein Synthesegas umwandelt. Aus diesem werden direkt flüssiges CO2 und Wasserstoff gewonnen. Der Wasserstoff geht an den LKW-Betreiber Hylane und das flüssige CO2 wird an Mineralwasserunternehmen verkauft.
Das „Henne-Ei-Problem“
Obgleich Wasserstoff in Deutschland dringend benötigt wird, um bestimmte Industrien klimaneutral zu machen, lässt der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft bislang auf sich warten. Oft steht ein Henne-Ei-Problem im Weg: Unternehmen zögern, Wasserstoffanlagen oder Pipelines zu bauen, solange sie keine Abnehmer für den Energieträger haben. Stadtwerke oder Unternehmen, die den Wasserstoff benötigen, wollen aber keine Verträge abschließen, solange keine Anlagen oder Pipelines realisiert sind.
Beim Projekt von GHT soll das anders werden. Das Startup liefert die Technik, das Recyclingunternehmen bietet Standort, Arbeitskräfte und künftig das nicht-recyclebare Plastik. Das Lkw-Unternehmen versichert die Abnahme des Wasserstoffes und RheinEnergie wird die Anlagen als Kundenlösung im so genannten Contracting ohne Vorinvestitionen anbieten.
„Wasserstoff made in Germany“
„Mit der innovativen Wasserstoff-Lösung werden unsere Kunden nicht nur von der nachhaltigen Versorgung, sondern auch von der einzigartigen Wirtschaftlichkeit der Technologie profitieren“, sagt RheinEnergie-Vertriebsvorstand Stephan Segbers. Dies sei zudem ein wichtiger Beitrag zur Energiewende.
Im Interview wiederholt Nave immer wieder das Wort „Machertum“, wenn er von den Partnern und dem gemeinsamen Projekt spricht. „Unsere Partner teilen unsere Vision“, erklärt er. „Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, Wasserstoff dauerhaft nachhaltiger und günstiger herzustellen.“
Deshalb solle es nicht bei der einen Anlage bleiben. Mehr als 1000 Recycling-Betriebe könnten laut GHT mit der Industrieanlage arbeiten, um die Plastikabfälle klimafreundlich zu entsorgen und noch mit dem daraus gewonnen Wasserstoff zu verdienen. Nur wenn sich ökologische und ökonomische Ansprüche vereinen, könne Wasserstoff marktfähig werden.
Für Deutschland ist GHT aber nur ein Teil der großen Wasserstoffstrategie. Zwischen zwei und drei Prozent des in Deutschland benötigten Wasserstoffs könne GHT mit seinen Anlagen hochskaliert liefern, so Nave. Da Wasserstoff aber der Hoffnungsträger für den klimafreundlichen Umbau der Industrie ist, kann Deutschland nur einen kleinen Teil selbst produzieren (sei es durch Elektrolyse oder andere Innovationen). Einen Großteil des Wasserstoffs wird die Bundesrepublik importieren müssen. Für den Aufbau der Infrastruktur hat das Bundeskabinett erst vor wenigen Monaten eine H2-Importstrategie beschlossen.