Hidden Headlines: Haben Seesterne einen Kopf? Studie liefert neue Erkenntnisse

Lange Zeit ging man in der Wissenschaft davon aus, dass Seesterne keine Köpfe haben. Neue Forschungsergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass sie genau das sind – Köpfe ohne Körper.

Farbige Seesterne
Wie aus einer anderen Welt: Seesterne sind faszinierende Meeresbewohner, die so manches Geheimnis bergen. (Bild: Getty Images)

Wenn Sie einem Seestern einen Hut aufsetzen müssten, wo würden Sie ihn hinsetzen? In die Mitte? Oder auf einen der Arme? Die Frage mag auf den ersten Blick albern erscheinen. Aber sie fußt auf einem Problem, das die Forschung seit Jahrzehnten beschäftigt: Wo hat der Seestern seinen Kopf? Eine aktuelle Studie der Stanford University hat dieses Rätsel nun gelöst. Offenbar sind Seesterne größtenteils Köpfe ohne Rumpf oder Schwanz. Diese Merkmale haben die Tiere im Laufe der Evolution vermutlich verloren.

"Ein Kopf, der über den Meeresboden kriecht"

Die Ergebnisse wurden am Mittwoch in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht ."Ein Seestern hat keinen Rumpf und man kann ihn am besten als Kopf beschreiben, der über den Meeresboden kriecht", so der leitende Studienautor Laurent Formery, Postdoktorand an der Stanford University und der University of California, Berkeley in einer Pressemitteilung. "Das ist ganz und gar nicht das, was Wissenschaftler über diese Tiere angenommen haben."

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Stachelhäuter und Menschen sind nahe Verwandte

Seesterne gehören zu den Stachelhäutern. Auch wenn man es nicht vermuten würde: Stachelhäuter und Menschen sind eng miteinander verwandt. Doch der Lebenszyklus und natürlich auch die Anatomie der Seesterne unterscheiden sich stark von unserer. Ein Kopf, der mit unserem vergleichbar wäre, konnte bei Seesternen in den letzten Jahrzehnten nicht gefunden werden.

Das gilt auch für andere Stachelhäuter wie Seeigel oder Seegurken. Im Gegensatz zu den meisten anderen Tieren haben Stachelhäuter nicht nur eine bilaterale Achse, die den Körper in zwei Hälften teilt. Diese Zweiteilung bestimmt auch den üblichen Aufbau des Körpers: An erster Stelle steht der Kopf, gefolgt von Rumpf, Gliedmaßen und Schwanz. Statt einer einzigen Achse haben ausgewachsene Seesterne eine fünffach symmetrische Achse. Das ist aber nicht von Anfang an so.

Blauer Seestern
Seesterne kommen in den unterschiedlichsten Farben vor. Dieser Blaue Seestern macht seinem Namen alle Ehre. (Bild: Getty Images)

Erst bilateral, dann sternförmig

Seesterne beginnen ihr Leben als befruchtete Eier, aus denen Larven schlüpfen. Ähnlich wie Plankton treiben sie wochen- bis monatelang im Ozean, bevor sie sich auf den Meeresboden niederlassen. Dort durchlaufen sie einen Prozess, der ihren bis dahin bilateralen Körper in einen sternförmigen oder pentaradialen Körper umwandelt (bezieht sich auf eine Symmetrie, die aus fünf gleichen oder ähnlichen strukturellen Teilen besteht).

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"Dies ist seit Jahrhunderten ein zoologisches Rätsel", erklärt der leitende Co-Autor der Studie, Christopher Lowe, Meeres- und Entwicklungsbiologe an der Stanford University, auf einer Plattform der Universität. "Wie kann man von einem bilateralen Körperplan zu einem pentaradialen Plan übergehen und wie kann man irgendeinen Teil des Seesterns mit unserem eigenen Körperplan vergleichen?"

Vergleich durch gemeinsamen Vorfahren

Für einen Vergleich stellte das Forschungsteam die molekularen Marker des Seesterns denen anderer Mitglieder einer größeren Tiergruppe namens Deuterostomia, auch Neumundtiere genannt, gegenüber. Zu dieser Gruppe gehören sowohl Stachelhäuter, wie Seesterne, als auch bilaterale Tiere einschließlich Wirbeltiere. Neumundtiere haben alle einen gemeinsamen Vorfahren, sodass ein Vergleich ihrer Entwicklung Hinweise darauf geben kann, wie Stachelhäuter ihren einzigartigen fünfzackigen Körperbau entwickelt haben.

Mit Hilfe von Genanalysen an heranwachsenden Seesternen konnten die vielfältigen Zellstrukturen und Gensequenzen eindeutig entschlüsselt und in einem dreidimensionalen Modell dargestellt werden. Dabei bemerkten die Wissenschaftler*innen, dass sich keine Zellen für einen Rumpf, Torso oder Beine bildeten. Schließlich konnten sie nachweisen, dass sich in den "Armen" nur aktivierte Zellen befanden, die normalerweise im Kopf von Tieren vorkommen.

Dies deutet darauf hin, dass Seesterne und andere Stachelhäuter ihren fünfgliedrigen Körperbau durch den Verlust des Rumpfes ihrer bilateralen Vorfahren entwickelt haben könnten. Dies hätte es den Stachelhäutern wiederum ermöglicht, sich anders zu bewegen und zu ernähren als zweiseitig symmetrische Tiere.

Mund zeigt nach unten, Anus nach oben

Dr. Jeff Thompson, beschreibt in einem Interview mit der britischen Tageszeitung "The Guardian" die neuen Erkenntnisse zur Anatomie von Seesternen folgendermaßen: "Um die Anatomie des Seesterns zusammenzufassen, würde ich sagen, dass es sich um ein meist kopfähnliches Tier mit fünf Fortsätzen handelt, mit einem Mund, der zum Boden zeigt, und einem Anus auf der gegenüberliegenden Seite, der nach oben zeigt."

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Faszinierende Fakten über Seesterne

Es gibt etwa 1.600 verschiedene Arten von Seesternen auf der Welt. Seesterne bevölkern zahlreiche Ökosysteme, von der nordamerikanischen Pazifikküste, die sich von San Francisco bis Alaska erstreckt, bis zu den Gewässern des Indischen Ozeans um Indonesien, Australien und Neuseeland. Selbst in den eisigen Polarregionen, insbesondere in der Antarktis, sind Seesterne heimisch.

Seestern
Die Arme von Seesternen sind an der Unterseite mit unzähligen Saugnäpfen bedeckt. Damit können sie sogar Miesmuscheln öffnen. (Bild: Getty Images)

Seesterne lieben ihre Freiheit: Selbst in großzügigen Meereswasser-Aquarien sind die meisten Seesterne schwer zu halten. Der Grund: Seesterne benötigen aufgrund ihrer natürlichen Bewegungsmuster und ihrer Größe viel Platz. Außerdem sind sie äußerst empfindlich gegenüber Schwankungen in der Wasserqualität, insbesondere was den Salzgehalt, den pH-Wert und die Temperatur betrifft. Einige Seesternarten haben eine spezialisierte Ernährung, die es schwierig macht, sie in einem geschlossenen System wie einem Aquarium ausreichend zu versorgen. Im Schnitt leben Seesterne 5 bis 10 Jahre. Am ältesten wird der Pisaster ochraceus. Er kann bis zu 30 Jahre alt werden.

Viele Seestern-Arten besitzen 5 Arme. Es gibt aber auch Arten mit bis zu 50 Armen. Die Unterseite der Arme ist mit einer Vielzahl von Saugnäpfen bedeckt, die dem Seestern bei der Fortbewegung helfen und so kraftvoll sind, dass sie sogar in der Lage sind, Muscheln zu knacken. Übrigens: Wenn ein Seestern einen Arm verliert, kann dieser nachwachsen. Aus einem abgetrennten Arm kann wiederum ein neuer Seestern entstehen.

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