Hidden Headlines: Traurige Statistik zu Waffengewalt an Kindern in den USA
Waffengewalt wird in den USA zum zunehmenden Problem. Wie sehr dies auch Kinder betrifft, zeigt eine neue, traurige Studie zu dem Thema.
Im vergangenen Jahr hat die New York Times ein Feature mit dem Titel "Die größte Bedrohung der Kindheit" veröffentlicht. Die Rede war hierbei nicht etwa von tödlichen Krankheiten, die bis in die 1960er Todesursache Nummer eins für Kinder in den USA waren. Auch nicht von Autounfällen, die in dieser Zeit für die kommenden Jahrzehnte als Spitzenreiter der häufigsten Todesursachen übernahmen - selbst noch dann, als Sicherheitsgurte die Fahren sicherer machten.
Die Rede war von Waffengewalt, die seit 2014 immer mehr Kinderleben forderte und 2020 schließlich zur häufigsten Todesursache für US-Amerikaner unter 18 Jahren wurde.
Eine traurige Statistik, die durch eine neue Studie noch erschreckender wird. Denn wie eine Untersuchung der Kinderärzte-Vereinigung American Academy of Pediatrics zeigt, hat die Zahl der durch Schusswaffen getötete Kinder im Jahr 2021 - dem jüngsten Jahr, für das diesbezüglich Zahlen erhoben wurden - ein neues Rekordhoch erreicht.
So viele Kinder sterben in den USA durch Schusswaffen
Der Auswertung von Zahlen des Center for Disease Control and Prevention (CDC) zufolge, die nun im Fachmagazin Pediatrics veröffentlicht wurde, starben im Jahr 2021 insgesamt 4752 Kinder an durch Schusswaffen verursachten Verletzungen.
Im Jahr zuvor - jenem Jahr, in dem Waffengewalt zum tödlichsten Faktor für US-Kinder wurden - waren es mit 4368 noch deutlich weniger, und 2019 starben 3390 Kinder durch Schusswaffen. Zwischen 2018 und 2021 wurde ein Anstieg von 42 Prozent verzeichnet.
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Der New Yorker Kinderchirurg Dr. Chethan Sathya, der Leiter der Studie, nennt Waffengewalt die "größte Gesundheitskrise" des Landes. "Der wahrscheinlichste Grund, aus dem Ihr Kind in diesem Land sterben wird, ist durch eine Schusswaffe. Das ist nicht akzeptabel", wird er von NBC News zitiert.
Schulattentate sind nur ein Bruchteil des Problems
Angesichts der häufigen Nachrichten um Schulattentate in den USA erscheint die Statistik kaum verwunderlich. Der New York Times zufolge machen diese allerdings lediglich ein Prozent der Todesfälle aus. Wie die neue Studie zeigt, werden zwei Drittel (64.3 Prozent) der Todesfälle unter Minderjährigen auf Mord zurückgeführt. 29,9 Prozent sind Suizide.
80 Prozent der durch Waffen getöteten Minderjährigen sind männlich, wie es in der Studie weiter heißt. Schwarze Jungen haben den Zahlen zufolge eine höhere Wahrscheinlichkeit, mit einer Schusswaffe ermordet zu werden, während weiße häufiger Suizid mit einer Schusswaffe begehen.
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Anmerkung der Redaktion: Suizidgedanken sind häufig eine Folge psychischer Erkrankungen. Letztere können mit professioneller Hilfe gelindert und sogar geheilt werden. Wer Hilfe sucht, auch als Angehöriger, findet sie etwa bei der Telefonseelsorge unter der Rufnummer 0800 – 1110111 und 0800 – 1110222. Die Berater sind rund um die Uhr erreichbar, jeder Anruf ist anonym und kostenlos.
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Während diese mit 3,5 Prozent zwar weiterhin einen geringen Anteil der Gesamtstatistik ausmacht, häufen sich auch die Unfälle mit Schusswaffen. NBC News zufolge starben allein in den vergangenen Monaten ein Dreijähriger in Florida, der sich versehentlich selbst mit einer Pistole erschoss, eine Einjährige in Kalifornien, die von ihrem dreijährigen Bruder erschossen wurde, ein Zweijähriger in Michigan, der eine ungesicherte Schusswaffe gefunden hat, sowie ein Sechsjähriger, der in Florida von einem Neunjährigen erschossen wurde.
Die Waffengesetze der USA bleiben eisern
Wenig überrascht von der Statistik sind indes Amerikas Kinderärzte, insbesondere solche, die in Notaufnahmen arbeiten. "Wir sehen tagtäglich zahllose Kinder durch Schussverletzungen sterben", erzählt Dr. Emily Lieberman vom Lurie Children's Hospital NBC News. "Das geht jedem überall so, und es wird immer schlimmer."
In den USA konzentriert sich die Politik als Lösung auf intensivere Behandlung von psychischen Problemen bei Jugendlichen, doch Sathya plädiert für verstärkte Forschung zur tatsächlichen Wurzel des Problems, eine sichere Aufbewahrung von privaten Schusswaffen und für strengere Waffengesetze wie Hintergrundprüfung einer Person, die Waffen kaufen möchte.
Damit spricht er der Mehrzeit der US-Bevölkerung aus der Seele. Wie eine kürzliche Umfrage von CNN zeigt, sind 64 Prozent der Amerikaner für strengere Waffengesetze. Eine knappe Mehrheit (54 Prozent) glaubt daran, dass diese Todesfälle durch Schusswaffen reduzieren würde.
Warum also tut sich nichts? Wie die New York Times vor wenigen Monaten zeigte, spiegeln sich diese Meinungen nicht im Wahlverhalten der US-Bürger wieder. In vier von Demokraten regierten Staaten hätte es Volksentscheide bezüglich Hintergrundprüfungen beim Waffen- und Munitionkauf gegeben - ohne Erfolg.
Ein weiterer, entscheidender Faktor sei der eiserne Griff, den die Waffenlobby NRA weiterhin um die Republikaner hat, die dadurch selbst nach grausamen Schusswaffenmassakern jegliche Überarbeitung der Waffengesetze im Keim ersticken, meist ohne politische Konsequenzen. Selbst mit den Skandalen und finanziellen Problemen, die zuletzt an der NRA gerüttelt haben, habe sich daran nichts geändert. Es bleibt angesichts der Lethargie der demokratischen Wähler und Sturheit der Republikaner abzuwarten, ob sich daran noch etwas ändert. Den Preis dafür zahlen offenbar nicht nur die erwachsenen Bürger des Landes, sondern auch die Kinder.
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