Serie über kurdische Kämpferinnen: Hillary und Chelsea Clinton ernten scharfe Kritik für neues Projekt

YPJ-Kämpferinnen während einer Offensive gegen den IS im September 2018 (Bild: Delil Souleiman/AFP)
YPJ-Kämpferinnen während einer Offensive gegen den IS im September 2018 (Bild: Delil Souleiman/AFP)

In der Hochphase des Krieges gegen den sogenannten “Islamischen Staat” gerieten auch die Kämpferinnen der kurdischen Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) in Nordsyrien (Rojava) in den Fokus der Berichterstattung. Während kaum westliche Soldaten einen Fuß in das Kriegsgebiet setzten, gaben die jungen Frauen mit ihren bunten Tüchern fotogene Heldenfiguren ab. Ihr reales Leid wie auch ihre politischen und ideologischen Hintergründe gerieten oft in den Hintergrund - meist blieb es bei einem Hinweis auf einen nicht näher umrissenen Feminismus.

In den letzten Jahren werden die Kämpferinnen zunehmend auch in der Popkultur aufgegriffen, die ersten Filmproduktionen sind bereits auf dem Markt. Nun wurde in den USA eine TV-Serie angekündigt, basierend auf dem noch unveröffentlichten Buch “The Daughters of Kobani” von Gayle Tzemach Lemmon und produziert von HiddenLight, der Produktionsfirma von Hillary Clinton und ihrer Tochter Chelsea,

“‘The Daughters of Kobani’ ist ein außergewöhnlicher Bericht über tapfere, widerständige Frauen, die für Gerechtigkeit und Gleichheit kämpfen”, sagt Hillary Clinton dazu. “Wir haben HiddenLight gegründet um Helden zu feiern - besungene wie unbesungene - deren Mut zu oft übersehen wird, und wir könnten nicht begeisterter sein, diese inspirierende Geschichte zu einem weltweiten Publikum zu bringen.”

Doch seit seiner Ankündigung wird das Projekt vielfach scharf kritisiert - insbesondere auch von kurdischen Frauen. So wird bemängelt, dass bisher noch nichts über eine Beteiligung kurdischer Kreativer bekannt ist. Vielfach wird die Befürchtung geäußert, dass sich - wie in vielen anderen Fällen - weiße Filmemacher:innen eine fremde Geschichte aneignen.

Hillary und Chelsea Clinton stehlen so ziemlich meinen Job und leben meinen Traum. Unsere Freunde und Verwandten sind in diesen Kriegen gestorben, und wir kämpfen unser Leben lang darum, ihre Geschichten zu erzählen. Kündigt euer Projekt wenigstens nicht an, bevor ihr Kreative einstellt, die dazu eine wirkliche Verbindung haben. Filmemacherin Beri Shalmashi

Für viele Kritiker:innen ist dabei die Beteiligung der Clintons besonders problematisch, denn deren Name steht für eine alles andere als kurdenfreundliche Politik. Während der Amtszeit Bill Clintons trat der kurdisch-türkische Konflikt in eine seiner brutalsten Phasen ein, in der die türkische Regierung gezielt gegen die Zivilbevölkerung vorging, um der PKK die Unterstützung zu entziehen. Tausende Kurd:innen wurden getötet und die Bevölkerung ganzer Landstriche systematisch vertrieben.

Wenn man bedenkt dass ihr Ehemann Waffen im Wert von Millionen Dollar an das türkische Militär verkauft hat, das sie für eine Offensive verwendet hat, in der über 3000 kurdische Dörfer zerstört wurden, schlage ich vor, dass sie und ihre Brut sich aus kurdischen Angelegenheiten raushalten. Poetin Bayan Goudarzpour

Die Türkei konnte sich dabei stets auf die Waffenlieferungen und politische Unterstützung durch die USA und andere NATO-Partner (insbesondere auch Deutschland) verlassen. So fiel in Clintons Amtszeit auch die Aufnahme der PKK in die US-Terrorliste und die Gefangennahme ihres Gründers Abdullah Öcalan - dessen Ideologie des Demokratischen Konföderalismus auch die YPJ folgen - in einer Geheimoperation, an der auch die US-Dienste beteiligt waren.

Wird sie darauf eingehen, wie ihr State Department die Dschihadistischen Gruppen trainiert und bewaffnet hat, die diese Frauen und ihre Gemeinschaften terrorisieren, oder wie ihr Mann die türkischen Kriegsverbrechen gegen Kurden in den 1990ern unterstützt hat? Politologin Meghan Bodette

Hillary Clinton selbst wird zudem ihre Politik in den ersten Jahren des Syrischen Bürgerkrieges vorgeworfen. Als Außenministerin war sie mitverantwortlich für die Bewaffnung von teils islamistischen Rebellengruppen gegen das Assad-Regime, welche in vielen Fällen auch gegen die Kurden kämpften - die wiederum erst nach dem Aufstieg des IS als zeitweilige Partner für die USA interessant wurden.

Viele der Kritiker:innen weisen zudem darauf hin, dass die Kämpfe in Nordsyrien alles andere als ausgestanden sind. Neben verblieben IS-Zellen müssen sich die YPJ und die anderen kurdischen Kräfte in der Region in den letzten Jahren verstärkt auch gegen türkische Truppen und deren verbündete Milizen zur Wehr setzen, die in bisher drei größeren Invasionen Teile Nordsyriens besetzt haben - und denen die USA - dabei bislang erneut weitgehend freie Hand ließen.

Was wir wollen: Ein Jahr ohne größere ethnische Säuberungen durch die Türkei. Was wir bekommen: 8293304 amerikanische/europäische Produktionen, in denen der weibliche bewaffnete Kampf in Kurdistan massiv fetischisiert wird. Politologin Dastan Jasim

Auch die offizielle Vertretung der kurdischen Frauenbewegung in Rojava zeigt sich äußerst skeptisch.

Wir müssen auf der Hut sein, wenn westliche Politiker unsere Revolution medial nutzen. Sie beuten die Tapferkeit und Inspiration unserer jungen Frauen aus, während sie gleichzeitig unsere Städte an den faschistischen türkischen Staat und seine dschihadistischen Banden verkaufen. Kongra Star Frauenbewegung Rojava

Eine neue Petition fordert bereits die Einstellung des Projekts. Die Clintons oder andere Beteiligte haben sich zu der Kritik bisher nicht geäußert.

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