Nach historischen Wahlpleiten - Faeser-Vertrauter rechnet mit der SPD ab und zerlegt die eigene Politik

SPD-Politiker Mahmut Özdemir.<span class="copyright">Mahmut Özedmir Facebook</span>
SPD-Politiker Mahmut Özdemir.Mahmut Özedmir Facebook

Nach den historisch schlechten Wahlergebnissen der SPD in Thüringen und Sachsen rechnet Mahmut Özdemir mit seiner eigenen Partei ab. Der Bundestagsabgeordnete, der parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium von Nancy Faeser ist, zielt dabei auch in Richtung des Kanzlers.

„Wir brauchen den Mut, unsere Lage ehrlich zu beschreiben: Die Menschen vertrauen uns nicht!“ Es sind harte Worte, die Mahmut Özedmir wählt, um mit seiner eigenen Partei abzurechnen. Der 37-Jährige sitzt seit 2013 für die SPD im Bundestag und ist seit Dezember 2021 parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium von Nancy Faeser.

Kritisierenswert findet er das Vorgehen der SPD aber schon deutlich länger. „Seit 2005 rechtfertigen wir als SPD mit ganz wenigen Ausnahmen von Wahl zu Wahl historisch schlechteste Ergebnisse und kündigen dann Analysen und Veränderung an, machen aber kurz danach weiter wie bisher!!“, poltert Özdemir auf Facebook .

Bürgergeld, Migration, Wirtschaft: SPD-Mann zerlegt Politik der eigenen Partei

Konkret kritisiert der Mitarbeiter von Nancy Faeser drei aktuelle Problemstellungen und den Umgang der SPD damit:

Thema Bürgergeld: „Wir versuchen zu relativieren, dass das Bürgergeld eigentlich gar nicht höher ist als ehrliche Arbeit. Die Menschen fühlen das aber anders, wenn sie sehen, dass man arbeitslos fast genauso gut lebt wie als arbeitender Mensch.“

Thema Migration: „Wir können nachvollziehen und erläutern, warum ausländische Straffällige immer noch im Land sind und nicht in ihr Heimatland zurückgeführt wurden. Die Menschen fühlen sich aber unsicher, wenn sie Volksfeste besuchen und Ansammlungen von respektlosen, vorwiegend ausländischen Männern, ihnen im Stadtteil den Gehweg versperren, während unsere Bevölkerung im eigenen Land außen rumläuft.“

Thema Wirtschaft: „Wir wirken gegenüber Konzernen und Managern ohnmächtig, die trotz Milliardenförderungen (2 Mrd. Euro von Bund und Land!) des Staates, eine Abhängigkeit von chinesischem und indischem Stahl billigend in Kauf nehmen durch die verantwortungslose Zerlegung unserer Grundstoffindustrie und Reduzierung erheblicher Kapazitäten an Jahrestonnen Stahl.“

Sein bitteres Fazit: „Wer glaubt, dass man in einer solchen Situation, 12 Monate vor der Bundestagswahl, sich darüber freuen kann, dass man ja in den Umfragen schlechter stand und doch die 5-Prozent-Hürde überwunden hat, vergisst, dass die SPD das einzige Bollwerk gegen Faschisten war und ist.“

Als es um Gründe geht, zeigt Özdemir in Richtung SPD-Spitze - und auf Scholz

Das haben in seinen Augen auch schwache Parteiführungen zu verantworten. „Führungsriegen, die zusehen, wie seit anderthalb Jahrzehnten die SPD sinkende Mitgliedszahlen und geringere Zustimmung in der Bevölkerung verzeichnet, müssen ihre Verantwortung erkennen.“ Ein klarer Seitenhieb in Richtung Kanzler Olaf Scholz sowie der aktuellen Doppelspitze Lars Klingbeil und Saskia Esken, aber auch deren Vorgänger.

Die Kommunikation zwischen der SPD und ihren ehemaligen sowie potenziellen Wählern sei gestört, weil die Partei nicht dieselbe Sprache wie die Bürger sprechen würden, so Özdemir weiter. „Wenn die Menschen keine Veränderungen in ihrer Lebensrealität verspüren mit mehr Wohlstand in der Lohntüte, mit mehr Sicherheit auf der Straße und mit mehr Perspektive für ein Deutschland, das auch Kindern und Enkeln eine gestaltbare Zukunft liefert, dann werden wir dieses Vertrauen nicht zurückgewinnen!“, ist sich der Faeser-Mitarbeiter sicher.